SED-DiktaturDas Grauen der Jugendwerkhöfe

Als Fünfzehnjähriger wurde Ralf Weber, geboren 1955 bei Magdeburg, zum „Torgauer Dreier“ gezwungen. Das ist eine Kombination aus Liegestützen, Kniebeugen und Hochstrecksprung. Sie musste hunderte Male bis zur totalen Erschöpfung wiederholt werden. An der Kletterwand schlugen ihn die Erzieher von hinten in die Genitalien. Das belegt ein Bericht aus einer geheimnisvollen Einrichtung namens Jugendwerkhof, von der man zu DDR-Zeiten nur hinter vorgehaltener Hand sprach. In vielen Jahren als Korrespondent in der DDR, konnte ich wenig Genaues über diese Erziehungslager erfahren. Staatliche Stellen verweigerten über Jugendwerkhöfe ebenso wie über die Haftanstalten Bautzen Hoheneck oder Torgau jede Auskunft. Über das Grauen in diesen Anstalten berichtet Ralf Weber, einer von 4000 Jugendlichen, die die „sozialistische Umerziehung“ ihr Leben lang nicht losgelassen hat. In über dreißig solcher Jugendwerkhöfe traktierten sadistische „Erzieher“ halbe Kinder mit Schlägen, Demütigungen und Karzer-Haft. Und das nur, weil sie sich der „Erziehung zum Sozialismus“ nicht unterwerfen wollten.

Schon in der frühen Sowjetischen Besatzungszone wurden willkürlich junge Deutsche im Teenager-Alter mit der Beschuldigung, Gegner des Sozialismus zu sein, verhaftet und von einem sowjetischen Militärgericht in Straflager verschleppt. Wer Zwangsarbeit, psychische Folter und physische Gewalt überlebte, wurde später in die DDR entlassen. Alle wurden nach Ende der Haft unter Strafandrohung zum Schweigen verpflichtet. Erst Jahre nach der Wende haben einige der inzwischen meist hochbetagten Opfer es gewagt, ihr Leiden öffentlich zu machen. Nancy Aris hat auf der Grundlage ausführlicher Interviews 32 Porträts ehemaliger Häftlinge geschrieben.

Was eine unbekannte Zahl von Opfern der roten Diktatur „nicht mehr loslässt“, hat die Mehrheit der Deutschen in Ost und West übersehen oder verdrängt. Mit der Erzählung ihrer Schicksale bleiben sie in kleinen Gruppen „Ehemaliger“ meist unter sich. Das Fernsehen geht mit seinen Kameras lieber in die Paläste der Königskinder statt in die Hütten der Opfer des Stalinismus. Eine breit angelegte Aufklärung über die Verbrechen Lenins und Stalins und deren Epigonen in der SED ist dringend notwendig. An den Stammtischen ostdeutscher Ex-Genossen und in den Salons westdeutscher Alt-Achtundsechziger gilt Lenin noch heute als der Gute, allenfalls Stalin sei der Böse. Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist noch nicht zu Ende, die der Kommunisten muss endlich auf breiter Basis beginnen. Das ausgezeichnete Buch trägt dazu bei.

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