BücherVon Luther bis heute: Nicht viel, sondern das Richtige lesen

Allen Unkenrufen zum Trotz zeigt sich, dass Deutschland noch immer eine Lesekultur hat, die ihresgleichen sucht. Für Theologen und Kulturforscher ist es kein Zufall, dass das Leseland auch die Heimat der Reformation ist. Es sei eine der „großen kulturellen Errungenschaften des Protestantismus“, dass er das „Lesen fast zu einer religiösen Tätigkeit“ gemacht habe, erklärte Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der evangelischen Kirche, anlässlich der Frankfurter Buchmesse. Aus lutherischer Sicht gehöre es zum Glaubensleben, sich selber zu bilden, indem man in Ruhe ein Buch liest und den Text auf sich wirken lässt. Dieses Bildungsverständnis habe die Deutschen konfessionsübergreifend stark geprägt.

Die selbstständige Lektüre der Bibel sollte die Menschen von kirchlichen Autoritäten unabhängig machen, so forderte es Martin Luther. Doch schon als der Buchdruck – auch durch die theologischen Dispute der Zeit – einen ungeheuren Aufschwung nahm, beklagte der Reformator die Bücherflut. Er forderte die Obrigkeit auf, die Schulbildung für das Volk voranzubringen, aber auch mehr auf die Qualität der Bücher zu achten. Man müsse nicht viele Werke lesen, sondern gute Bücher.

Zunächst erschienen Bibeln, Gebetbücher und Erbauungsliteratur, die in Schulen und Hauskreisen gelesen wurden. Dann habe sich das Lesen „säkularisiert“, so Claussen. Mit der Entstehung des Romans im 18. Jahrhundert gab es erneut Kritik. Theologen, für die Lesen und Glauben eng verbunden waren, sahen die Unterhaltungsliteratur und die „Lesesucht“ mit Sorge.

Heute sind die Informations- und Büchermassen noch unübersichtlicher geworden, und die Buchbranche hat mit einem sinkenden Absatz zu kämpfen, obwohl Deutschland noch immer der zweitgrößte Buchmarkt der Welt ist. Zwölf Bücher hat jeder Deutsche im vergangenen Jahr erworben, teilte der Börsenverein des deutschen Buchhandels mit. Aber die Buchkäufer werden weniger. 2016 kauften rund 31 Millionen Deutsche ein oder mehrere Bücher. Das waren gut zwei Millionen weniger als im Jahr zuvor. Die Digitalisierung scheint den Buchmarkt jedoch nicht so stark unter Druck zu setzen, wie befürchtet. Die Zahl der elektronischen Buchkäufe stagniert.

Dass heute weniger Bücher gelesen werden als noch vor einigen Jahren, sei der Beschleunigung des gesamten Lebens geschuldet, aber auch der Dauererreichbarkeit. Claussen erläuterte: „Lesen heißt, ich ziehe mich für längere Zeit zurück, ich schalte mich aus dem öffentlichen Dauergequassel aus.“ Besonders wichtig sei es, bei der Wahl der Lektüre bewusst auszuwählen, den eigenen „Lesespuren“ zu folgen. „Uns wird ja durch Algorithmen ständig vorempfohlen, was wir zu lesen hätten“, sagte Claussen mit Blick auf Internetwerbung und Bestseller-Listen. Bücher seien schließlich immer noch „Lebensbegleiter“.

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