Das Genie arbeitet an sich

Mit gutem Grund hätte die Malerei, als dieser edle Künstler starb, gleich selbst mitsterben können“, schrieb Giorgio Vasari in seiner 1568 erschienenen Künstlerbiographie zu Raffael. Schon bei dessen Tod, der sich in diesem Jahr zum 500. Mal jährt, erfuhr der Maler hymnische Verehrung, aber Vasaris detail- und anekdotenreiche Vita bildete fruchtbaren Boden für die bis ins 19. Jahrhundert reichende Überhöhung zum „göttlichen“ Künstler. In seiner Raffael-Monographie orientiert sich Ulrich Pfisterer, Professor für Kunstgeschichte in München, fast ausschließlich an zeitgenössischen Quellen und am Werk des Künstlers selbst. Der wenig verlässliche Vasari dient eher als Reibefläche.

Die Anfänge des Raffaelo Santi, 1483 als Sohn eines wenig herausragenden Malers im italienischen Urbino geboren, sind wenig greifbar. Aber schon bald tritt zu Tage, was Pfisterer im hinteren Teil des Buches beschreibt, dass nämlich Raffael ein Künstler war, „der sich ein Leben lang um seine ‚Selbstformung‘ bemüht, seine Kunst ständig weiterentwickelt und neu ausgerichtet hatte“. Ob Madonnen, Porträts oder Altarbilder, oftmals lässt sich zeigen, wie Raffael sich von Ideen anderer Maler herausfordern ließ, um sich an „Stars“ wie Leonardo und Michelangelo zu messen. Besonders eindrücklich demonstriert Pfisterer dies anhand einer 1507 datierten Grablegung Jesu, der Pala Baglione (heute in Rom). Selbst die heute zu Nippes-Motiven verharmlosten Engelchen zu Füßen der Sixtinischen Madonna (1512/13, heute in Dresden) sind Elemente eines durchdachten Bildkonzepts.

Schon als 25-Jähriger erhielt Raffael den Auftrag zur Ausmalung päpstlicher Räume, der sogenannten Stanzen, im Vatikanpalast. Seit 1508/09 in Rom, fand der Künstler damit geeigneten Nährboden zur Selbstinszenierung: Nicht nur seine Begabung als „Netzwerker“ und ein offenkundig wohlorganisierter Werkstattbetrieb, sondern auch die Verbreitung seiner Bildideen durch das noch neuartige Medium des Kupferstichs gab dem Vortrieb. Vom Papst mit der Erforschung der antiken Bauten Roms betraut, wurde Raffael 1514 sogar Architekt für den Neubau von Sankt Peter. Der Begräbnisort des bereits mit 37 Jahren verstorbenen Künstlers fügt sich hier ein, denn Raffael konzipierte seine Grabkapelle im römischen Pantheon selbst. Damit, so Pfisterer, schrieb er sich „selbstbewusst mit seinem Monument in die Ewigkeit Roms ein“.

Keineswegs wird in Pfisterers Buch einer der faszinierendsten Renaissance-Künstler in seelenlose Einzelbestandteile zergliedert: Gründliche Analysen der wichtigsten Werke leiten chronologisch durch die Karriere Raffaels – eine anspruchsvolle, aber auch sehr vergnügliche Lektüre, die ein Kapitel zum Nachruhm des Künstlers abschließt. Darauf folgen Anmerkungen sowie Literaturverzeichnis – und für den Leser das dringende Bedürfnis, bald wieder Raffaels Werke im Original zu besuchen.

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Pfisterer, Ulrich

RaffaelGlaube, Liebe, Ruhm

Verlag C.H. Beck, München 2019, 384 S., mit 235 farbigen Abbildungen, 58 €

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