Disputieren mit Stan Laurel

Stan Laurel trifft Thomas von Aquin – auf so eine Idee muss man erstmal kommen! In seinem neuen Roman führt Markus Orths den britischen Film-Komiker („Dick und Doof“) mit dem größten Theologen, vielleicht nicht nur des Mittelalters, zusammen. Dass sie sich überhaupt begegnen können, liegt daran, dass sie tot sind. Stan und Thomas finden sich im Jenseits wieder, wo es Zeit in unserem Sinn nicht mehr gibt. Als völlig finsterer Gang wird diese Umgebung geschildert. Hier, so reimen es sich die beiden Akteure nach und nach zusammen, sollen sie nun wohl den Weg in Richtung Jüngstes Gericht finden. Aber warum ausgerechnet sie gemeinsam?

Diese Ausgangssituation ist originell, und sie trägt auch sehr weit. Zunächst unterhalten die kuriosen Situationen, die sich einstellen, wenn Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen oder Epochen aufeinandertreffen. Für Thomas etwa ist es eine Neuigkeit, dass die Erde rund ist. Und was ist dieses „Amerika“, von dem Stan ständig redet? Ernsthafter wird das Ganze dadurch, dass die beiden Personen auch spirituell Welten trennen. Als sie an ein Loch im Boden gelangen, überlegt Thomas, ob dies womöglich in die Hölle führt. „In was denn für eine Hölle“, fragt Stan. „Kennen Sie nicht die Hölle?“, wundert sich Thomas, und Stan gibt entgeistert zurück: „Sie meinen die Hölle?“ Dass sein Gegenüber religiös derart unmusikalisch ist, lässt Thomas wiederholt fast verzweifeln: „Wie können Sie leben, wie können Sie gelebt haben, ohne zu glauben?“

Dennoch finden die beiden geistig zusammen. Ja, in langen Gesprächen über die großen Fragen des Menschseins – sie machen den Kern des Buchs aus – erschließen sie einander sogar so etwas wie eine neue Wahrheit. Der eine übersteigt dabei eine Theologie, bei der vielleicht alles „aufgeht“, aber das wirkliche Leben nicht vorkommt. Der andere fängt an, hinter die Dinge zu schauen und entdeckt die Tiefendimension des Daseins. Hier präsentiert Markus Orths, bei dem Religion immer wieder eine Rolle spielt, seine eigene Summa theologiae. Das ist theologisch klug und zeitgemäß, wirkt aber manchmal auch etwas gekünstelt. Da ist der Roman streckenweise eher Sentenzensammlung als Literatur, erzählte Handlung also. Aber so ist eben das Credo dieses Autors, wie er es Stan im Buch einmal formulieren lässt: „Die Antworten auf unsere Fragen. Vielleicht werden wir sie nur finden, wenn wir sprechen, uns zuhören, voneinander lernen, die Dinge ins rechte Licht rücken! Thomas! Ich glaube: Solange wir reden, leben wir.“

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Orths, Markus

Picknick im Dunkeln

(Carl Hanser Verlag, München 2020, 240 S., 22 €)

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