Auf den Wegen und Spuren des Kaplans Joseph Ratzinger„War ich ein guter Seelsorger ?“

Ein knappes Jahr hat Joseph Ratzinger als Kaplan in einer Münchner Gemeinde verbracht. Es war seine einzige Stelle als Seelsorger. Nach siebzig Jahren hat sich der ehemalige Papst in einem schriftlichen Gespräch noch einmal auf die Reise nach München-Bogenhausen begeben.

Er ist gerade einmal 24 Jahre alt und hat erst vor wenigen Wochen sein Studium der katholischen Theologie vollendet. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Georg hat er in München die Priesterweihe empfangen. Aus einfachen Verhältnissen kommend gilt er als außergewöhnlich klug und gebildet, gleichzeitig wirkt er unsicher und scheu auf seine Mitmenschen. Es ist Spätsommer 1951 und es gilt, die Stelle als Kaplan anzutreten, und zwar in der Gemeinde Heilig Blut in Bogenhausen, einem gutbürgerlichen Stadtteil im Osten Münchens.

„Selbst als Glaubender ein Fragender“

Warum will Joseph Ratzinger überhaupt Pfarrer werden? Worauf hofft er, was fürchtet er? Er kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass er eines Tages zum Papst gewählt wird. Dass er noch zu Lebzeiten in die Geschichte eingehen wird – als einer der bedeutendsten und zugleich umstrittensten Köpfe seiner Zeit, als zweiter Papst, der freiwillig von seinem Amt zurücktritt. In diesem Sommer vor siebzig Jahren steht ihm der Weg eines Priesters vor Augen, der erst einmal lernen muss, wie man als Geistlicher mit seiner Gemeinde in Kontakt tritt.

Heute, in Zeiten der Corona-Pandemie, ist es nicht möglich, den hochbetagten emeritierten Papst Benedikt XVI. für ein Gespräch im Vatikan zu besuchen. Aber er hat sich darauf eingelassen, noch einmal die Wege innerlich abzugehen, die der junge Joseph Ratzinger von September 1951 bis Frühsommer 1952 beschritten hat. Dafür hat er auf schriftliche Fragen schriftlich geantwortet. So ist eine besondere Art von Gespräch entstanden, das zeigt, wie sehr er in der Schriftform ganz bei sich ist, beinahe authentischer wirkt als in der freien Rede. Er bleibt der Mann der Feder, nicht der großen Geste und des spontanen Wortes.

Der innerliche Spaziergang beginnt mit der Frage, wie der Kaplan Ratzinger den Schritt von der reinen Lehre hinein in die Wirklichkeit des täglichen Glaubens oder auch Unglaubens erlebt hat. Wie war es für den jungen Geistlichen, mit den Glaubenszweifeln der Menschen konfrontiert zu sein? Stieß er in Bogenhausen auf eine andere Religiosität, eine andere Art von Frömmigkeit und Gottesfurcht als das, was er in seiner Kindheit in Aschau am Inn erlebt hatte?

„Natürlich war ich mit Glaubenszweifeln der Menschen konfrontiert, und natürlich war die Art von Frömmigkeit, die ich in der Pfarrei Heilig Blut erlebte, anders als die in der dörflichen Gemeinschaft von Aschau. Dagegen war die Glaubenssituation in der Gemeinschaft der Gymnasiasten, der ich in Traunstein und hernach bei der Flak in München zugehörte, doch sehr ähnlich der Lebenswelt in Bogenhausen. Vor allen Dingen aber ist man ja auch selbst als Glaubender ein Fragender, der immer neu die Wirklichkeit dieses Glaubens hinter und gegen die ihn bedrängenden Wirklichkeiten des Alltags finden muss. Insofern erscheint mir der Gedanke einer ‚Flucht in die reine Lehre‘ als vollkommen unrealistisch. Eine Lehre, die wie ein Naturschutzpark abgetrennt von der täglichen Welt des Glaubens und seiner Nöte bestehen würde, wäre zugleich ein Verzicht auf den Glauben selbst. Die Lehre muss sich in und aus dem Glauben entwickeln, nicht neben ihm stehen“, schreibt Benedikt XVI. im Frühsommer 2021 in unserem schriftlichen Gespräch.

Übrigens hatte Ratzinger eigentlich die formalen Erfordernisse gar nicht erfüllt. Wie Peter Seewalds umfangreicher Biographie „Benedikt XVI. Ein Leben“ zu entnehmen ist, hatte er den sogenannten Pfarrkonkurs nicht durchlaufen, der eine Voraussetzung für die Pfarrstelle und so etwas wie die Bewerbung um eine Gemeinde war. War dies ein Zeichen dafür, dass er eigentlich gar nicht in eine Gemeinde wollte?

„Man konnte sich nicht einfach heraussuchen, ob und wann man den Pfarrkonkurs macht. Es war vielmehr so, dass in den drei Jahren nach der Priesterweihe in jedem Spätsommer Exerzitien für den ganzen Weihekurs angesetzt waren, die ich auch selbstverständlich alle mitgemacht habe. Erst im Jahr danach konnte man den Pfarrkonkurs machen. Da war ich aber nun schon auf der Seite der Dozenten, und es schien nicht sinnvoll, Prüfer und Geprüfter zugleich zu sein.“

Heute heißt es nicht mehr Pfarrkonkurs. Die Prüfungsordnung in der Erzdiözese München und Freising nennt als Voraussetzung für einen pastoralen Beruf die „Zweite Dienstprüfung“ und beinhaltet unter anderem eine schriftliche Reflexion über eine praktisch-theologische Fragestellung. Welches Thema hätte Joseph Ratzinger gewählt, wenn die Prüfungsordnung diese Arbeit damals verlangt hätte?

„Ich hätte eines der praktischen Themen gewählt, zum Beispiel Erstkommunionvorbereitung. Was die Exerzitien angeht, die in Fürstenried stattfanden, wo ich zwei Jahre meines Theologiestudiums verbracht hatte, so denke ich sehr gern an sie zurück. Im ersten Jahr war es ein Wiener Ordenspriester, der uns diese Exerzitien auf hohem geistlichem und menschlichem Niveau hielt. Im zweiten Jahr war es Pater Hugo Rahner, der Bruder von Karl Rahner. Auch seine Exerzitien hatten hohes Niveau, aber sie hatten irgendwie etwas Bedrückendes an sich – vielleicht war es schon die beginnende Parkinson-Erkrankung, die sein Temperament etwas verdüsterte. Im dritten Jahr hielt ein Jesuit von Sankt Michael in München die Exerzitien, die weniger anspruchsvoll, aber fröhlich und ermutigend waren. Er hat uns viele kleine lustige Geschichten erzählt, darunter die, dass er, wie ihm bei der Predigtvorbereitung nichts gelingen wollte, den Hut von Pater Mayer aufsetzte und sofort die gewünschte Inspiration empfing.“

Bevor Joseph Ratzinger als Kaplan in Bogenhausen anfing, wurde er für ein paar Wochen an die Pfarrei in Moosach im Norden von München „ausgeliehen“ und musste dort alles übernehmen. Das bedeutete eine sehr große Beanspruchung für den frisch Geweihten, und man würde es heute wohl als Überforderung für einen jungen Kaplan ansehen. War ihm das nicht, etwas volkstümlich gesagt, zu viel Arbeit?

„Zu viel Arbeit war es mir nicht. Allerdings hätte ich in vielem der Führung bedurft, aber der Pfarrer war wegen Herzinfarkt in Urlaub, der Kaplan ebenfalls, weil er Kaplan war. Auch die Pfarrschwester war abwesend, so dass niemand mir in schwierigen Fragen eine Weisung geben konnte. Die Arbeit an sich war auch in Moosach schön, aber ohne Führung problematisch.“

Der junge Kaplan wird von Menschen, die ihn damals erlebt haben, zumeist als zurückhaltend beschrieben. Eher nach innen als nach außen lebend, gehemmt, fast menschenscheu. Der damalige Pfarrer der Gemeinde Heilig Blut hieß Max Blumschein. Er erkannte in seinem neuen Kaplan offenbar sofort den brillanten Theologen, bemerkte aber auch dessen Schüchternheit. Reifte vielleicht schon in diesen ersten Tagen des pastoralen Dienstes der Entschluss, den weiteren Weg außerhalb der Gemeindearbeit zu beschreiten?

„An eine Laufbahn als Theologe hatte ich schon vor langem gedacht. Ich hatte schließlich die Preisarbeit über Augustinus verfasst, die von der Theologischen Fakultät für das Studienjahr 1950/51 ausgeschrieben worden war, und hatte den Preis dafür erlangt mit einer als Summa cum laude bewerteten Arbeit, so dass zum Doktorat nur noch die Rigorosa fehlten, die ich allerdings neben der Tätigkeit als Kaplan nicht vorzubereiten mir zutraute.“

Dienst im Beichtstuhl

War Bogenhausen besonders religiös und fromm, besonders städtisch, besonders katholisch?

„Von der Kleinstadt Traunstein kommend habe ich München nicht als besonders katholisch erfahren. Es war für mich sehr erstaunlich, durch meinen Dienst als Priester die religiöse Innenseite der Stadt kennenzulernen, während ich bisher, in meiner Studentenzeit, vor allem das akademische Profil von München wahrgenommen hatte. Nun wurde mir zu meinem Erstaunen sichtbar, wie viel Glaube sich in der Stadt verbirgt und eine Kraft ist, die die Menschen zusammenhält.“

Welche Rückzugsorte gab es, vielleicht auch Orte außerhalb der Kirchengebäude?

„Einen meiner ‚Rückzugsorte‘ habe ich nicht außerhalb des Kirchengebäudes gefunden, sondern gerade in seinem Innersten, nämlich im Beichtstuhl. Pfarrer Blumschein war der Meinung, man müsse so viel Beichtgelegenheit wie nur möglich anbieten und lieber eine Stunde ohne Beichte dort zubringen, als von der Beichte jemanden abzubringen durch den leeren Beichtstuhl. So musste ich jeden Morgen um 6 Uhr im Beichtstuhl sein bis zur 7-Uhr-Messe, die ich zu zelebrieren hatte. Fast immer ist diese Stunde frei geblieben, so wie auch am Samstagnachmittag die Beichtgelegenheit von 4 bis 8 Uhr abends dauerte und die Beichtwilligen erst spät erschienen. Vor allem die Stunde am Morgen war mir wertvoll, um mich langsam auf den Tag einzustellen und Teile des damals noch sehr langen Breviergebets in Ruhe zu verrichten.“

Der spätere Dogmatikprofessor sitzt im Beichtstuhl und vergibt Sündern. In seiner ersten Karwoche als Kaplan dürften 30 bis 40 Stunden im Beichtstuhl zusammengekommen sein. In seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“ (München 2015) schreibt er: „So habe ich ganz unmittelbar erfahren, wie sehr Menschen auf den Priester warten, wie sehr sie auf den Segen warten, der aus der Kraft des Sakraments kommt. (…) Sie sahen in uns Menschen, die vom Auftrag Christi berührt waren und seine Nähe zu den Menschen tragen durften“. Das klingt eher metaphysisch, aber wäre er selbst ganz praktisch zum Kaplan Ratzinger in den Gottesdienst und zur Beichte gegangen?

„Gottesdienste habe ich immer gern gehalten, der Dienst im Beichtstuhl fiel mir schon schwer. Auch wenn viele Beichten eher schematisch blieben, so waren doch immer auch wirkliche Ereignisse des Glaubens dabei, die mich die Notwendigkeit und das Schöne dieses Dienstes fühlen ließen. Ich konnte erleben, wie manche Menschen durch die Begegnung mit Gott auch selbst neu aufgebrochen worden sind und ihr Leben vom Herrn her sich neu schenken ließen“, schreibt Benedikt XVI. heute.

Von Widerstandskämpfern

Neben den Beichtstunden fuhr er mehrmals in der Woche zu Beerdigungen mit dem Rad quer durch München, zelebrierte Taufen und Hochzeiten. An der Grundschule, die noch heute innerhalb der Pfarrgemeinde liegt, hatte er zu unterrichten. Außerdem war er für die Jugendarbeit in der Gemeinde zuständig. Eine große Herausforderung für jemanden, der selbst gerade erst aus dem Studium kam und keinerlei praktische Erfahrungen hatte. Fühlte er sich gebraucht, von höherer Stelle eingesetzt oder ausgenutzt? Welche der übertragenen Aufgaben war ihm am wichtigsten? Für was hat im Rückblick der Raum gefehlt?

„Der Gedanke, ausgesetzt oder ausgenutzt zu sein, ist mir nie gekommen, wohl aber das Bewusstsein, gebraucht zu werden. Am wichtigsten war einfach von der Zeiterstreckung her die Arbeit in der Schule. Ich hatte etwa zehn Wochenstunden in vier Klassen mit verschiedenen Stoffen zu halten, und das brauchte Vorbereitung. Auch der Predigtdienst erforderte innere und äußere Zeit. Für die Jugendarbeit habe ich mir zu wenig Zeit genommen, obwohl sie schön gewesen wäre.“

Knapp zehn Jahre vor Ratzinger war Hermann Josef Wehrle Kaplan in Heilig Blut. Er wurde im Nachgang des Attentats vom 20. Juli als Mitwisser des Widerstandskreises verhaftet, zum Tod verurteilt und erhängt. Ebenso hatte der Jesuitenpater Alfred Delp in der Gemeinde als Seelsorger gewirkt. Er war als Mitglied des Kreisauer Kreises kurz vor Kriegsende von den Nazis ermordet worden. Wie haben diese beiden starken Zeugen des Glaubens und der Menschlichkeit auf ihn gewirkt, wie haben sie in der Gemeinde nachgewirkt?

„Delp und Dr. Wehrle wurden im Pfarrhof in Ehren gehalten. Es gab ja schon die Tafel mit vier Namen von Menschen, die im Zusammenhang mit dem Attentat von 1944 ermordet worden waren. Eine Diskussion war entstanden, weil eine der vier umgebrachten Personen wohl verantwortlich war für die Verhaftung von Dr. Wehrle. Die Sache war sehr verwickelt, und man sollte mit Schuldzuweisungen vorsichtig sein. Da Dr. Wehrle als Kaplan im Pfarrhof gewohnt hatte, war natürlich die Erinnerung an ihn besonders konkret. Andererseits konnte man schon die schönsten Texte von Pater Delp lesen, der im Übrigen kurz vor seinem Tod das vierte Gelübde der Jesuiten in die Hände von Pater Franz von Tattenbach ablegte, der unser Spiritual in Freising gewesen war und dessen Angehörige in der Pfarrei Heilig Blut wohnten. Für Pater Delp sind wohl Vorbereitungen zur Seligsprechung im Gang – so viel ich weiß. Warum für Dr. Wehrle nichts Entsprechendes zu geschehen scheint, weiß ich nicht. Ein heiliger Kaplan wäre doch eine schöne und herausfordernde Sache.“

Zur Gemeinde von Heilig Blut gehört auch Sankt Georg, ursprünglich die erste Kirche Bogenhausens. Anfang der Fünfzigerjahre war sie noch eine Dorfkirche mit einem Kirchfriedhof nach alter Art. Ein barockes Schmuckkästchen, das gerne für besondere Feierlichkeiten und Andachten genutzt wurde – und heute noch wird. Betreten wir gemeinsam mit Joseph Ratzinger den Friedhof des „Georgskircherls“, auf dem bedeutende Persönlichkeiten wie Erich Kästner, Liesl Karlstadt oder Helmut Dietl begraben sind. Welches Grab würde Benedikt XVI. heute besuchen?

„Dort liegt der Publizist und Diplomat Wilhelm Hausenstein begraben. Er hat verfügt, dass ich nach seinem Tod aus seiner Bibliothek mir selbst die Bücher aussuchen konnte, die mir besonders gefielen. Übrigens findet sich dort auch das Grab der Schauspielerin Liesl Karlstadt, die ich wiederholt im Theater erlebt und menschlich besonders geschätzt habe. Auch Hans-Jochen Vogel, der erst letztes Jahr verstorben und dort beerdigt worden ist, würde ich nennen. Ihn habe ich als einen Politiker erfahren, der den christlichen Glauben als Maßstab ernst genommen hat, auch wenn er in der Abtreibungsgesetzgebung eine weitergehende Auslegung glaubte vertreten zu können. Außerdem möchte ich den Schauspieler Gustl Waldau nennen, den ich persönlich nicht kennengelernt habe. Aber eine ihm nahestehende Frau hat versucht, ihn zur Beichte bei mir zu veranlassen. Sie war offensichtlich überzeugt, dass er inwendig die Versöhnung mit der Kirche wollte und immer konkret vor der Beichte als Weg zur Versöhnung zurückschreckte. Die Frau war offenbar der Meinung, dass eine Beichte bei mir ihm die Tür zur Versöhnung öffnen könnte, und hat mich auf die Begegnung mit Gustl Waldau in diesem Sinn vorbereitet. Es ist aber leider nicht dazu gekommen. Und schließlich würde ich das Grab des Bildhauers Hans Wimmer besuchen. Er ist für mich einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts überhaupt, der eine viel größere Wertschätzung auch im Ausland verdienen würde. Ich habe ihn als einen demütigen Menschen kennengelernt, der freilich auch um die Größe seiner Sendung wusste.“

Wenn er in Sankt Georg ein Messe zu zelebrieren hatte, kam Joseph Ratzinger auch an der Grabstelle von Johann von Lamont vorbei. Er war Astronom und bis zu seinem Lebensende auch Direktor der Königlichen Sternwarte, die bis heute in Blickweite des Kirchturms steht. Regelmäßig schauen Kinder und Bedürftige in die Hand der Halbplastik von Johann von Lamont, denn darin liegen meistens auf wundersame Weise ein paar Münzen. Ein Rest von Volksfrömmigkeit und Aberglaube, der dem rational gläubigen Ratzinger womöglich eher fremd war. War das nicht ein besonders guter Ort, um sich beim Ringen um die Frage nach Gott und die Suche nach Gottesbeweisen aufzuhalten?

„Johann von Lamont war mir, offen gestanden, in meiner Kaplanszeit noch kein Begriff. So hat mich das Vorbeigehen an seinem Grab nicht berührt. Ich habe mich vielmehr für Persönlichkeiten interessiert, die meinem eigenen Leben oder dem von lebendigen Menschen aus Bogenhausen nahestanden. Und ich habe es ein wenig traurig gefunden, dass das Zusammensein von Lebenden und Toten, der Friedhof rund um die Kirche eingeschlossen, heute nicht mehr bestehen kann. Vor allen Dingen aber fand ich es lustig, dass die katholische Jugend das kleine alte Leichenhaus in Beschlag genommen und für sich als Jugendheim umgebaut hatte. So habe ich die Abende mit der katholischen Jugend an diesem Ort verbracht, der aus einem Ort des Todes zum höchst lebendigen Ort geworden war.“

Predigen im Kindergottesdienst

Einer der damals Jugendlichen berichtet rückblickend, dass vor allem die Jugend durch die Bibel- und Gruppenabende, den Singkreis und die Jugendmesse früh morgens um kurz nach 6 Uhr jeden Donnerstag vom jungen Kaplan in seinen Bann geschlagen war. War es nicht besonders schwer, die christliche Lehre auf das Niveau von Bibelabenden und Jugendmessen herunterzubrechen? Was konnte der nur um wenige Jahre Ältere von den Jugendlichen lernen?

„Was ich von den Jugendlichen gelernt habe, kann man nicht in der Form von Sätzen oder Inhalten ausdrücken. Es war vielmehr die Weise, den ererbten Glauben gegenwärtig zu verstehen und ihn zu leben, gerade auch im Austausch mit Menschen, die ihn suchen, aber nicht finden können. Die fünf Gottesdienste, die in Bogenhausen am Sonntag gehalten wurden, hatten je ihr eigenes Publikum. Die Frühmesse um 6.30 Uhr wurde von einem schlesischen Priester gehalten, der das Evangelium in der traditionellen Weise auslegte. Um 7.30 Uhr kamen geistig anspruchsvolle, aber fest in der Kirche verankerte Menschen. Um 9 Uhr war der eigentliche Pfarrgottesdienst mit Orgel, Chor und an Festtagen mit Orchester. Die Predigt wurde vom Stadtpfarrer gehalten, der allerdings nicht den Ambo dafür benutzte, sondern in der ersten Bank stand wegen seiner schwachen Stimme. Er gab auch mehr Stichworte von sich, so dass die Zuhörerschaft sehr schmal war. Um 10.30 Uhr war Kindergottesdienst, der dem Kaplan zustand. Um 11.30 Uhr war dann eine Messe für überwiegend intellektuelle Christen. Um 7.30 Uhr predigten für gewöhnlich die Jesuiten aus dem Kreis der Verfasser der ‚Stimmen der Zeit‘. Um 11.30 Uhr predigten überwiegend Oratorianer, besonders Philipp Dessauer. Die Kinderpredigt, die ich zu halten hatte, hat mir viel Freude gemacht und wurde auch zusehends gut aufgenommen. Es zeigte sich, dass im Glauben eigentlich auch die Erwachsenen Kinder sind und so am ehesten zum Erwachsensein im Glauben geführt werden können. Jedenfalls war der Besuch der 10.30-Uhr-Messe steigend: Es war schließlich der weitaus am besten besuchte Gottesdienst, an dem die Menschen auch mit Stehplätzen sich begnügten und die Kirche bis an den Rand gefüllt war. So hat der Geistliche Rat Blumschein mich dann auch als Prediger der 7.30-Uhr-Messe eingesetzt, was zur Folge hatte, dass ich an vielen Sonntagen zwei verschiedene Predigten vorbereiten musste.“

Spricht man heute mit Gemeindemitgliedern aus Heilig Blut, die den Kaplan Ratzinger erlebt haben, merkt man, dass er tiefe Spuren hinterlassen hat, obgleich er nur ein knappes Jahr dort war. So beeindruckte der junge Pfarrer zum Beispiel ein Mädchen im Religionsunterricht der Grundschule so sehr, dass sie ihm nach seinem Weggang einen Brief schrieb. Sie war 1951/52 mit ihrer Schwester seine Schülerin in der Grundschule. Und der junge, schwarz gekleidete Kaplan hat großen Eindruck auf die Kinder gemacht, erzählt sie: „An seinen Unterricht kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Die Predigten waren auf jeden Fall sehr gefragt. Er war auch bei meiner Erstkommunion dabei, neben dem Pfarrer Blumschein. Ich weiß noch, dass mein Vater gesagt hat: ‚Des is a guader Pfarrer-Lehrbua. Pass auf, der wird noch was.‘ Als Joseph Ratzinger dann nach einem Jahr in Bogenhausen schon nach Freising gegangen ist, haben meine Schwester und ich ihm einen Brief geschrieben. Darauf hat er geantwortet.“

In diesem Antwortbrief an die Schülerin schreibt Ratzinger: „Ob man auf der Licht- oder auf der Schattenseite steht, hängt am Ende übrigens gar nicht von dem ab, was ein Mensch sagt, sondern von dem, was er ist.“ Weiter heißt es, „dass es schon gut ist, dass Euer Kaplan streng ist, denn es gilt schon wirklich das Wort der alten Griechen, das ich Euch in der Predigt am Schulanfang gesagt habe: Vor die Tüchtigkeit hat Gott den Schweiß und die Mühsal hingestellt.“

Zu wem war er letztlich strenger – zu sich oder zu den Schülern? War es rückblickend betrachtet das anstrengendste Jahr seines Wirkens?

„Um in der Schule wirklich streng zu sein, hat mir die Kraft gefehlt. Ich nütze die Gelegenheit, um verspätet noch einmal den Lehrkräften Dank zu sagen, die mir ermöglicht haben, den Religionsunterricht ohne disziplinäre Strenge zu erteilen, weil ihre Anwesenheit die Disziplin der Schüler garantierte. Auch der Geistliche Rat Blumschein war von innen her zu gutmütig, um streng sein zu können. Die familiäre Atmosphäre in Bogenhausen hat uns alle zugleich zur Arbeit angespornt und uns geholfen, uns nicht von ihr erdrücken zu lassen.“

Der Stadtpfarrer Blumschein scheint eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen zu sein. In seinen Erinnerungen „Aus meinem Leben“ bezeichnete Joseph Ratzinger den Mentor als „Vorbild“, als „einen innerlich glühenden Menschen“, der sagte, „ein Priester müsse ‚glühen‘“. War Max Blumschein denn ein guter Pfarrer? Überhaupt, was macht einen guten Pfarrer aus? War der Kaplan Ratzinger nach diesen Maßstäben selbst ein guter Priester und Seelsorger?

„Pfarrer Blumschein war zweifellos ein guter Pfarrer. Ob ich ein guter Priester und Seelsorger gewesen bin, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls habe ich mich auf meine Weise gemüht, dem Anspruch meines Amtes und der Weihe zu entsprechen.“

Blumschein ließ den jungen Kaplan Ratzinger also zuerst nur in der Kindermesse predigen – doch bald merkte er, dass er ihn auch in den anderen Gottesdiensten einsetzen konnte. So konnte man den Stadtpfarrer in manchem Gottesdienst während der Predigt des Kaplans in der Kirche auf- und abgehen sehen – und er sprach die Gemeindemitglieder während der Messe an: „Spricht der nicht toll?! Ist etwas ganz Besonderes, seine Predigt!“

Entweltlichung

Gibt es eine Predigt aus dieser Zeit, die sich später wiederholt hat, die er wieder aufgegriffen oder weiterentwickelt hat?

„Ich kann mich eigentlich nur an eine Predigt deutlich erinnern, die ich bei der Erstkommunion 1952, eher schon am Ende meines Jahres in der Gemeinde, gehalten habe. Damals habe ich gesagt, dass die Menschen immer schon und mit ihren Fortschritten in verstärktem Maß das Kraut (oder Kräutlein) gegen den Tod zu finden versuchten. Aber es gelang ihnen nicht. Eines Tages wurde der Ruf laut: Es ist gefunden. Es gibt den, der es gefunden hat. Und natürlich eilten die Menschen, um von ihm die Medizin zu erhalten und damit den Tod endgültig zu verscheuchen. Ich habe dann nach einer dramatischen Darstellung dieser Situation gesagt: Ja, es gibt wirklich denjenigen, der das Kraut gegen den Tod hat, ja, er ist es – Jesus Christus. Von da aus habe ich dann gemäß Johannes, Kapitel 6 die Kommunion zu erklären versucht.“

Die erste pastorale Erfahrung ist wohl für die meisten Geistlichen ein wesentlicher Schritt auf ihrem Weg. In dieser Zeit und aus diesen Erfahrungen entstand bei Ratzinger offenbar die Erkenntnis der „Entweltlichung“. Sechs Jahrzehnte später hat er während seiner Reise als Papst nach Deutschland die „zunehmende Distanzierung beträchtlicher Teile der Getauften vom kirchlichen Leben“ festgestellt. „Um ihre Sendung zu verwirklichen“, so sprach er in der berühmt gewordenen Freiburger Rede, „wird sie immer wieder auf Distanz zu ihrer Umgebung gehen, sie hat sich gewissermaßen zu ‚ent-weltlichen‘“. War das womöglich der zentrale Gedanke, den er aus der Bogenhauser Zeit mitgenommen und immer weiter ausbuchstabiert hat? Konnte er damals bereits spüren, dass er einem folgenreichem Gedanken auf der Spur war?

„Ob das Wort ,Entweltlichung‘, das aus dem von Heidegger gebildeten Wortschatz stammt, in Freiburg als abschließendes Stichwort von mir klug gewählt war, weiß ich nicht. Der Gedanke als solcher ist mir im Lauf meines Kaplansjahres immer deutlicher geworden, und ich habe ihn zum Ende meiner Freisinger Jahre in den Beitrag ‚Die neuen Heiden und die Kirche‘ in der katholischen Kulturzeitschrift Hochland, die im Kösel-Verlag erschien, dargestellt und ein unerwartetes Echo gefunden.

Meine Erfahrung in dem Bogenhausener Jahr hatte mir gezeigt, dass viele der die Struktur und das Leben in der Kirche betreffenden Funktionen von Menschen wahrgenommen wurden, die den Glauben der Kirche keineswegs teilten. So musste ihr Zeugnis auch in vielem als fragwürdig erscheinen. Glaube und Unglaube waren auf eine merkwürdige Weise miteinander vermischt, und dies musste irgendwann zum Vorschein kommen und einen Zusammenbruch hervorrufen, der den Glauben schließlich begraben würde. Eine Scheidung war notwendig, so kam es mir vor. Allerdings konnte und durfte man nicht an eine Kirche der Heiligen denken: Dass dieser in der Geschichte immer wiederkehrende Gedanke ein falscher Traum ist, den die Wirklichkeit immer sofort widerlegt, war mir besonders in meinen Augustinus-Studien über den Donatismus deutlich geworden. Der Donatismus war am Ende der Verfolgungszeit in Nordafrika entstanden, als Bischöfe, die sich mit dem heidnischen Staat kompromittiert hatten, nun weitermachten, als ob sie immer treue Hirten gewesen wären. Nicht wenige Gläubige wollten aber solche Hirten nicht anerkennen.

Zum Bischofsamt sollten nur Leute zugelassen werden, die ohne Flecken aus der Verfolgungszeit sich den Gläubigen als Glaubende darstellten. Diese Anfangs-idee hat aber dann die Gruppe immer mehr ins Sektiererische abgetrieben und faktisch für immer bewiesen, dass zur Kirche nun einmal Weizen und Spreu, gute und schlechte Fische gehören. Es konnte also nicht darum gehen, Gutes und Schlechtes voneinander zu trennen, wohl aber darum, Gläubige und Ungläubige voneinander zu scheiden.

Zum Bischofsamt sollten nur Leute zugelassen werden, die ohne Flecken aus der Verfolgungszeit sich den Gläubigen als Glaubende darstellten. Diese Anfangs-idee hat aber dann die Gruppe immer mehr ins Sektiererische abgetrieben und faktisch für immer bewiesen, dass zur Kirche nun einmal Weizen und Spreu, gute und schlechte Fische gehören. Es konnte also nicht darum gehen, Gutes und Schlechtes voneinander zu trennen, wohl aber darum, Gläubige und Ungläubige voneinander zu scheiden.

Dieses Problem stellt sich seither immer noch deutlicher. In den kirchlichen Einrichtungen – Krankenhäusern, Schulen, Caritas – wirken viele Personen an entscheidenden Stellen mit, die den inneren Auftrag der Kirche nicht mittragen und damit das Zeugnis dieser Einrichtung vielfach verdunkeln. Dies wirkt sich vor allen Dingen auch in Verlautbarungen und öffentlichen Stellungnahmen aus. Man hat das Wort von der Amtskirche gebildet, um den Gegensatz zwischen dem amtlich Geforderten und dem persönlich Geglaubten auszudrücken. Das Wort Amtskirche insinuiert einen inneren Widerspruch zwischen dem, was der Glaube eigentlich will und bedeutet, und seiner Entpersönlichung.

Nun, inzwischen ist es leider weitgehend so, dass die amtlichen Texte der Kirche in Deutschland weitgehend von Leuten geformt werden, für die der Glaube nur amtlich ist. In diesem Sinn muss ich zugeben, dass für einen Großteil kirchenamtlicher Texte in Deutschland in der Tat das Wort Amtskirche zutrifft. Ich erinnere mich an einen lang zurückliegenden Fall, in dem wir für die internationale katholische Zeitschrift ,Communio‘ bei einem mir befreundeten jungen Bischof (ich selbst war noch Professor) einen Text erbaten, in dem er die Intention und die Arbeit seiner Sektion der Bischofskonferenz darstellen sollte. Das Manuskript, das er uns zusandte, war aber offensichtlich von seiner Sektion verfasst und war in Wirklichkeit die Sprache des Apparats, nicht die Sprache einer Person. Leider hat sich dieses Erlebnis später oft wiederholt.

Was die Kirche von Amts wegen sagen muss, sagt ein Amt, nicht eine Person. Solange bei kirchenamtlichen Texten nur das Amt, aber nicht das Herz und der Geist sprechen, so lange wird der Auszug aus der Welt des Glaubens anhalten. Deswegen schien es mir damals wie heute wichtig, die Person aus der Deckung des Amts herauszuholen und ein wirkliches persönliches Glaubenszeugnis von den Sprechern der Kirche zu erwarten. Das Wort Entweltlichung deutet den negativen Teil der Bewegung an, um die es mir geht, nämlich das Heraustreten aus der Rede und den Sachzwängen einer Zeit ins Freie des Glaubens. Aber eben diese Seite, das Positive, ist damit nicht genügend ausgedrückt.“

Nach einem knappen Jahr in Heilig Blut ging es für Joseph Ratzinger weiter nach Freising. Er verließ Bogenhausen offenbar mit gemischten Gefühlen. Einerseits in Vorfreude auf die neue Aufgabe und intellektuelle Herausforderung, andererseits hatte er in seiner Pfarrgemeinde erfahren, wie es ist, konkret gebraucht zu werden. Offenbar war beides – theologische Forschung und gelebtes Priestertum – nicht zu haben.

„Es ist genau diese scheinbare Alternative, die mir die Rückkehr in die akademische Arbeit manchmal schwer gemacht hat. Aber schließlich habe ich begriffen, dass die Alternative sich auflöst, wenn man die Arbeit eines Theologen recht versteht. Gerade in der heutigen Wirrnis wird sichtbar, wie sehr Theologen gebraucht werden, für die die Arbeit mit Büchern wichtig ist, die aber nicht das letzte Wort hat und gerade die Pfarrer und Kapläne und überhaupt die in dieser Welt stehenden und mit ihren Fragen und Aufgaben ringenden Menschen braucht – die Arbeit derjenigen, die sich den Fragen unserer Zeit voll aussetzen und Antworten finden, die tatsächlich zum Leben in und aus dem Glauben helfen.“

Kostbares Stück des Lebens

In welche Zukunft blickt ein Pfarrer heute, wenn er für mehre Gemeinden da sein soll? Heilig Blut hat sich mit einer anderen katholischen Gemeinde zu einem Pfarrverband zusammengeschlossen. Es wird immer schwieriger, den pastoralen Dienst zu besetzen. Zugleich nimmt auch die Zahl der Gläubigen ab. Ist es überhaupt möglich, ein Hirte zu sein für mehrere Herden oder auf verschiedenen Weiden? Was könnte man einem Kaplan heute raten, wie ihn bestärken in der Entscheidung, sich auf den pastoralen Weg zu begeben?

„Die Pfarrei Heilig Blut ist erst nach dem Ersten Weltkrieg aus zwei Mutterpfarreien gegründet worden, nämlich Bogenhausen und St. Gabriel in Haidhausen. Insofern ist die Pfarrgemeinschaft mit St. Gabriel nur eine Art Rückkehr. Wie man am besten die Zusammenarbeit über die Grenzen hin gestaltet, wage ich nicht theoretisch zu sagen. Man muss faktisch Wege finden, um einerseits möglichst alle Menschen die Nähe der Kirche erfahren zu lassen, andererseits auch die Grenzen der Belastbarkeit der einzelnen Seelsorger bedenken. Von ‚mehreren Herden‘ würde ich nicht sprechen. Es ist immer die eine Kirche Jesu Christi. Grenzsetzungen und Grenzüberschreitungen müssen praktisch geregelt werden.

Vor dem Zweiten Weltkrieg waren Pfarreien mit 60.000 Gläubigen keine Seltenheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Prinzip durchgeführt, dass keine Pfarrei mehr als 10.000 haben sollte. Kaiser Josef II. in Österreich war der Meinung, dass man höchstens eine Stunde entfernt von seiner Pfarrkirche wohnen und möglichst nur eine halbe Stunde Kirchweg haben sollte. Von diesem Prinzip her hat er Pfarreigründungen veranlasst. Kardinal Bertram von Breslau ist selbst mit der Uhr die Wege seiner Stadt gegangen, um Pfarreien möglichst so zu schaffen, dass niemand länger als dreißig Minuten zur nächsten Pfarrkirche hatte. In diesem Sinn wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auch neue Diözesen errichtet, so zum Beispiel Essen, das in der Blütezeit des Ruhrgebietes von Bischof Franz Hengsbach eine Pfarreienstruktur bekam, die heute schon wieder völlig überholt ist. In diesem Sinn ist auf jeden Fall Flexibilität angezeigt.

Im Übrigen würde ich einem jungen Menschen, der sich auf das Priestertum vorbereitet, nicht zumuten, sich selbst schon die Struktur ausdenken zu müssen, die er zwanzig Jahre später vorfinden würde. Er weiß eines, und das ist das Beste: Ich werde immer gebraucht werden, wo immer Menschen den Priester benötigen, geistlich benötigen und sie zu Gott hinführt, über sich und über jede Struktur hinaus. Wie die Struktur dann aussehen wird – sie ist nur sekundär und dient als Hilfe für den pastoralen Dienst.“

Vielleicht könnte ja der ökumenische Weg dabei helfen, die christliche Gemeinschaft zu stärken. Etwas unterhalb von Heilig Blut liegt die evangelisch-lutherische Dreieinigkeitskirche. Hatte Kaplan Ratzinger Verbindungen zur evangelischen Gemeinde, Austausch mit dem dortigen Pfarrer, gemeinsame Aktivitäten und ökumenische Absichten?

„Die Antwort muss leider Nein heißen. An sich bestand ein sehr freundlicher Kontakt zur evangelischen Nachbargemeinde, deren Pfarrer offensichtlich wirklich ökumenisch interessiert und orientiert war. So hat er zum Beispiel Romano Guardini einmal zu einem Vortrag in seine Pfarrei eingeladen. In diesem Sinn war eine wirklich geistige Nähe der Gemeinde gegeben, die sich allerdings noch nicht konkret in gemeinsamen Handlungen zeigte.“

Joseph Ratzinger hat als Priester und Seelsorger in der Gemeinde in München-Bogenhausen begonnen. Er ist noch einmal in Gedanken zurückgekehrt, hat auf sein damaliges Wirken geblickt, hat sich an die Menschen und Orte erinnert, die ihn damals umgeben haben; und er hat sich noch einmal die Aufgaben vor Augen geführt, die damals und heute den pastoralen Dienst ausmachen. In seinem ausführlichen Brief, mit dem er die Antworten auf die Fragen übermittelt, schreibt er schließlich: „Auch wenn ich auf dieser Welt die Wege von Bogenhausen nicht mehr werde betreten können, so sind sie doch ein kostbares Stück meines Lebens, das mir sicher auch im Jenseits erhalten bleiben wird.“

Weitere Artikel zum Thema finden Sie in unseren Dossiers "Benedikt XVI. als Papa emeritus" und "Das Pontifikat Benedikts XVI." auf www.herderkorrespondenz.de. 

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