Mönchische Kraft in Krisenzeiten

Rückzug aus der Welt, Askese, Selbstbestimmung, Diakonie … Was wir mit Klöstern, Orden und spirituellen Gemeinschaften verbinden, ist höchst widersprüchlich. Auf der einen Seite stehen barocke Prachtbauten, auf der anderen Seite leben Schwestern und Brüder mitten unter den Ärmsten in Lateinamerika, Afrika, Asien. Die einen widmen sich der Kontemplation, die anderen gehen untertags einem weltlichen Beruf nach und treffen sich nach Möglichkeit zum gemeinsamen Gebet. Unzählige Orden sind im Lauf der Geschichte gegründet worden, angefangen bei den Wüstenvätern, den klassischen Orden, ihren Reformzweigen, den Armutsbewegungen bis hin zu – oft auch ökumenischen – jüngeren Instituten und Bewegungen, die sich auf ganz unterschiedliche Weise in den Dienst des Evangeliums stellen.

Sie sind oft in Krisenzeiten entstanden aus dem Wunsch, gegen die Not und Armut der Menschen zu wirken, Zuflucht zu bieten, sich auf die ursprüngliche Kirche und die Nachfolge Jesu Christi radikal zurückzubesinnen. Oft wollte man sich abgrenzen von Entgleisungen der Kirche in Rom, heute auch davon, dass Gewaltenteilung, Transparenz, Mitbestimmung, Machtteilung und Geschlechterfairness nach wie vor ignoriert oder sogar per Lehrmeinung ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Die Sammlung von Erfahrungsberichten verschiedener Ordensleute gibt viele Anstöße zur Reform. Schon die Geschichte und Praxis der Klöster und Orden bietet dazu einiges an Überraschungen. Dass Frauen durchaus kirchliche Leitungsfunktionen ausübten, wird im Buch an den Äbtissinnen von Las Huelgas in Spanien gezeigt, die vom 12. bis ins 19. Jahrhundert die rechtliche und mehrheitlich auch die geistliche Vollmacht über die Klöster und Pfarreien von Burgos innehatten. Selbstbestimmte Frauen gründeten im 19. Jahrhundert viele Frauenkongregationen als Antwort auf die Krise der Industrialisierung und den Wandel der Gesellschaft, auf den die Kirche lange nicht reagierte. Heute erleben wir den Abbau oder

Heute erleben wir den Abbau oder die Umorientierung von Gemeinschaften auf andere Brennpunkte. Die (relative) Unabhängigkeit der Orden von Rom in der Ausrichtung, Leitung, Verwaltung und in den Finanzen schafft dazu einerseits Freiräume, andererseits Herausforderungen, neue Einsatzfelder zu suchen. Das kann die Arbeit mit Jugendlichen, Frauen, Alten, Menschen in Krisen sein – oder die schlichte geistliche Präsenz vor Ort. Oder auch das Engagement in neuen Formen der Verkündigung, Kreativität in Musik und Kunst. Das Leitbild mönchischen Lebens hat der heilige Benedikt auf eine Kurzformel gebracht: Gott suchen! Mit diesem Antrieb ist noch viel Reform möglich. Auch die übrigen Christen sind gefragt, was sie als Inspiration von den Gemeinschaften aufnehmen. Christina Herzog

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Schmitt, Hanspeter (Hg.)

Kirche, reformiere Dich!Anstöße aus den Orden

Verlag Herder, Freiburg 2019, 200 S., 20 €

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