Der Tod auf der Grenze

Wer heute nach dem Tod und den Toten fragt, tut dies in einer Situation, in der die „religiöse Umzäunung, die jahrhundertelang unseren kulturellen Umgang mit dem Tod geprägt hat, löchrig geworden“ ist und „der kalte Wind des Zweifels und des Unglaubens“ durch die „Bretterwand pfeift“. In der selbst in den „christlichen Restbezirken unserer Kultur“ das Wissen um die Bestände der Lehren und Riten, die das Christentum so lange wie selbstverständlich bereitstellte, sich „in einem Zustand der Agonie“ befindet und in der angesichts der fortschreitenden Privatisierung des Todes die gegenwärtigen Deutungen und Riten des Todes in Gefahr stehen, „zu anarchischen, also zu ursprungslosen Kombinationen von Fragmenten und Versatzstücken zu werden, die aus unterschiedlichsten Quellen zusammengelesen werden“.

Der so umrissene Horizont des Verhältnisses der Gegenwart zum Tod bildet den Ausgangspunkt des Bandes des in Nimwegen Philosophie lehrenden Jean-Pierre Wils. Den Weg, den der Verfasser in seinem Nachdenken über den Tod nimmt, drückt sich programmatisch im Untertitel aus. Er erinnert daran, dass sich jede Auseinandersetzung mit dem Tod an der dem Denken unüberwindlichen Grenze abspielt, die dieser markiert. Wils ist selber ein Grenzgänger zwischen Philosophie und Literatur. Das in Roman und Dichtung erzählte Leben wird bei ihm zu einer „literarischen Denkform“, die Leben und Tod besser verstehen lässt. Wie herausragend es ihm gelingt, philosophisches Nachdenken und literarisch Erzähltes so aufeinander zu beziehen, dass sie sich gegenseitig erhellen, wird etwa in der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Zeitpunkt des Todes sichtbar. Wils stellt dort eine Szene des Romans „Die Entdeckung des Himmels“ von Harry Mulisch vor, in welcher der achtjährige Quinten am Bett seiner komatösen und teilhirntoten Mutter steht. An der Reaktion des Kindes wird die nahezu unüberbrückbare Spannung zwischen scheinbar objektivem medizinischen Urteilen und subjektivem Erleben deutlich. Der Moment des Todes entzieht sich der sinnlichen Erfahrbarkeit.

Wils ist selber ein Grenzgänger zwischen Philosophie und Literatur. Das in Roman und Dichtung erzählte Leben wird bei ihm zu einer „literarischen Denkform“, die Leben und Tod besser verstehen lässt. Wie herausragend es ihm gelingt, philosophisches Nachdenken und literarisch Erzähltes so aufeinander zu beziehen, dass sie sich gegenseitig erhellen, wird etwa in der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Zeitpunkt des Todes sichtbar. Wils stellt dort eine Szene des Romans „Die Entdeckung des Himmels“ von Harry Mulisch vor, in welcher der achtjährige Quinten am Bett seiner komatösen und teilhirntoten Mutter steht. An der Reaktion des Kindes wird die nahezu unüberbrückbare Spannung zwischen scheinbar objektivem medizinischen Urteilen und subjektivem Erleben deutlich. Der Moment des Todes entzieht sich der sinnlichen Erfahrbarkeit.

Die Themen des Bandes ergeben sich schließlich aus der Feststellung, dass der Tod „ein Problem der Lebenden“ ist. Sie reichen so von der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Todesarten über die Frage nach dem Umgang mit dem Tod und der eigenen Sterblichkeit beziehungsweise der Sehnsucht nach Unsterblichkeit bis hin zum Nachdenken über das Trösten und die Arten des Trauerns. Es ist nicht zuletzt die Verschränkung beider Ansätze, die die Studie außerordentlich lesenswert macht und einlädt, den Tod und die Toten im Leben gegenwärtig zu halten. Matthias Mühl

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Wils, Jean Pierre

Das Nachleben der TotenPhilosophie auf der Grenze

Mentis Verlag, Paderborn 2019, 358 S., 49,90 €

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