Frauen in kirchlichen ÄmternEin ökumenischer Kongress und seine Folgen

Zwanzig Jahre nach dem großen Diakonatskongress in Stuttgart hat Ende 2017 in Osnabrück ein wissenschaftlicher Kongress unter dem Titel „Frauen und Ämter in der Kirche“ stattgefunden. Er ist die Folge der heutigen pastoralen Notlagen, aber auch der vielfältigen Dialogprozesse angesichts der geistlichen Weite, für die das Pontifikat von Franziskus steht.

Aufruf für das Frauendiakonat
© KNA-Bild

Maulkörbe und Denkverbote mit den üblichen Drohungen per Liebesentzug –das heißt in der Regel vor allem Kürzung der Mittel – funktionieren offensichtlich nicht mehr. Gezeigt hat dies der Kongress „Frauen und Ämter in der Kirche“ Anfang Dezember in Osnabrück. Denn die Überlegungen waren keineswegs auf das Diakonat für Frauen begrenzt, wie noch vor 20 Jahren in Stuttgart, sondern nahmen mit intellektueller Redlichkeit das ganze Tableau möglicher Dienste und Ämter in Blick. Konkretes Ergebnis sind die sogenannten „Osnabrücker Thesen“, die der Kongress verabschiedet hat und die man samt den ebenfalls diskutierten ausführlichen Erklärungen dazu in allen zukünftigen Debatten um das Amt für Frauen in der Kirche nicht mehr wird übergehen können.

Rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Theologie, Institutionen und Ver-bänden haben sich drei Tage lang in Vorträgen, Gesprächen und intensiven Beratungen mit diesem Thema befasst. Dabei war der Osnabrücker Kongress ausdrücklich ökumenisch angelegt – eine sehr hilfreiche und notwendige Perspektiverweiterung. In vielen Beiträgen wurde nämlich schnell deutlich: Hier stützen sich zwei zentrale Anliegen gegenseitig. Einerseits braucht die ökumenische Bewegung, um wirklich erfolgreich sein zu können, eine Verständigung über die Präsenz von Frauen in kirchlichen Ämtern. Die sehr unbefriedigende Situation von Frauen in der katholischen Kirche bekommt andererseits durch geschwisterliche Hilfe aus anderen Kirchen der Ökumene wichtige Veränderungsimpulse: sei es durch deren so ganz anderen dogmatischen Antworten auf die Frage nach der Frau in der Kirche, sei es durch Erfahrungen und Lehren aus der Geschichte, die immer wieder zeigen, dass auch in den anderen Kirchen nicht alles einfach war – aktuelle Rückschritte nicht ausgeschlossen. Präsent war in Osnabrück dabei ein breites Spektrum der Ökumene: von den evangelischen Landeskirchen über Freikirchen, Methodisten, Altkatholiken bis hin zur griechisch-orthodoxen und ukrainisch-orthodoxen Perspektive.

Die Frauenfrage ist letztlich eine Kulturfrage

Dass eine Positionierung in der Frauenfrage nicht von einer Klärung der eigenen Haltung zur Genderfrage absehen kann, machten gleich mehrere Vorträge deutlich. Am markantesten tat dies die Kölner Professorin für Systematische Theologie, Saskia Wendel, die ihr Referat betitelte „Jesus war ein Mann, na und?“ Das erste ist eine Tatsache, daran will niemand rütteln, das zweite ist aber die Frage, welche Bedeutung das für unser Heilsverständnis hat. Wir feiern schließlich Weihnachten die Mensch- und nicht die Mannwerdung des Wortes Gottes. Die Unterschiede zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur, die darin überbrückt werden, sind qualitativ und existenziell allemal größer als die vergleichsweise unbedeutende Differenz zwischen dem Mannsein und dem Frausein von Menschen.

Das sind eigentlich dogmatische Basics: Schließlich werden in der Eucharistiefeier keine mittelalterlichen Mysterienspiele aufgeführt, für die der Jesus-Darsteller ein Mann sein müsste. Gegen alle vorschnellen Festlegungen hält der Kongress in seinen Thesen deshalb fest, dass die Diskussion darüber, ob Gott eine unveränderliche Anweisung gegeben habe, wie oder durch wen Gott im kirchlichen Amt bezeugt werden soll, offenbleiben kann und muss.

Dabei muss man heute hoffentlich mit niemanden mehr diskutieren, dass unabhängig von der Diskussion über sex und gender „jedermann“ und „jedefrau“ Recht auf gleiche Chancen- und Teilhabegerechtigkeit hat. Doch auch im Jahre 2018 gibt es keine wirkliche Gendergerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Aber es gibt sie erst recht nicht in der katholischen Kirche. Kein Wunder! Die Frauenfrage ist letztlich eine Kulturfrage. Das gewandelte Selbstverständnis von Frauen ist Ergebnis einer der zentralen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse. Kirche existiert nicht im luftleeren Raum, sondern ist ihrerseits verwiesen auf die gesellschaftlichen Bedingungen. So prägen gesellschaftliche Veränderungen von Frauenleben das Leben der Kirche mit. Aber nicht nur im Positiven. Manche Missstände verdichten sich hier geradezu.

Die Kirche verstärkt in ihrem eigenen Raum gesellschaftliche Missstände in Blick auf die Frauen, da der Anteil leitender Männer in der Kirche, die ein bedenkliches Frauenbild oder Schwierigkeiten im Umgang mit Frauen haben, erschreckend hoch ist. Noch schlimmer: Strukturelle Benachteiligungen von Frauen werden nach wie vor in der Kirche mit angeblich theologischen Argumenten begründet und jeder Kritik entzogen. So kommt zu der Tatsache als solcher als eigentlicher Skandal in der Kirche hinzu, dass dieser Missstand nicht nur nicht beseitigt, sondern nach wie vor strukturell gerechtfertigt wird. Gerade jene, denen Kirche wichtig ist, erleben häufig besonders stark die Diskrepanz zwischen ihrem eigenen Selbstverständnis, ihrer Lebenswirklichkeit als Frau auf der einen und den kirchlichen Positionen auf der anderen Seite.

Dabei darf man nicht unterschlagen, dass es beim Thema „Frauen und Kirche“ durchaus Bemühungen gegeben hat. Immerhin zählte bereits Papst Johannes XXIII. in seiner Enzyklika „Pacem in terris“ die Frauenbewegung zu den drei wichtigsten Zeichen der Zeit. Das ist schon ein paar Jahre her. In manchen Kreisen der katholischen Kirche ist diese Erkenntnis aber bis heute noch nicht wirklich angekommen. Die gemeinsame Synode in Würzburg griff das Thema auf. Die Deutsche Bischofskonferenz widmete ihm bereits 1981 ein eigenes Hirtenwort „Zu Fragen der Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft“.

Die katholischen Bischöfe als Vorreiter?

Damals entwarfen die Bischöfe eine Vision, wonach die Kirche „ein Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Männern und Frauen sein“ soll. Dieser Vision sind wir leider in all den Jahren nur wenig nähergekommen. Ja schlimmer, es wäre zum Fürchten, wenn Kirche in diesem Punkt zum Modell für unsere Gesellschaft würde.

Eher habe ich die Hoffnung, dass gesellschaftliche Fortschritte endlich auch die kirchlichen Verhältnisse ändern werden. Doch bei aller Aufmerksamkeit von Kirche für „ihre Frauen“ ist der Gestus nicht zu übersehen, mit dem das geschieht: Frauen werden zu einer Sondergruppe, zu pastoralen Notfällen abgestempelt, ähnlich wie Flüchtlinge, Muslime und Behinderte. Nehmen wir als Beispiel die Unterkommission „Frauen und Kirche“, die als solche segensreich wirkt. Aber wer käme andererseits auf die Idee, einen Männerbischof und eine Kommission „Männer und Kirche“ einzurichten? Wir Frauen sind selber Kirche – doch zu oft reden wir von „Kirche“, wenn wir in Wirklichkeit nur die „Kirchenmänner“ meinen.

Langsam, viel zu langsam ändert sich jetzt etwas. „Mehr Frauen in kirchlichen Führungspositionen“ – das ist mittlerweile ein Dauerthema der Bischofskonferenz und cantus firmus bei Gesprächen mit Bischöfen. Wenn man Professorinnen auf theologischen Lehrstühlen zählt, Frauen in Leitungsämtern in kirchlichen Organisationen oder in den Bistumsgremien selbst, kann man feststellen: Die Entwicklung geht langsam in die richtige Richtung. Mit dem Mentoring-Programm von Bischofskonferenz und Hildegardisverein gibt es eine effektive frauenbezogene Personalentwicklungsmaßnahme. Das Ganze zeigt Wirkung: Frauen in kirchlichen Führungsämtern verändern das Fremd- und das Selbstbild jeder Glaubensgemeinschaft tiefgreifend.

Trotzdem gibt es weiterhin zu viele Führungsämter, die quasi „gewohnheitsmäßig“ nur an Priester vergeben werden, ohne dass formal eine Weihe nötig wäre. Was ist etwa mit den Chefs der großen Hilfswerke, dem Sekretär der Bischofskonferenz, manchem Akademiedirektor – um nur einige Beispiele zu nennen? Und was ist mit der nächsten Lehrstuhlbesetzung, wenn die sogenannte „Priesterquote“ erfüllt werden muss (spätestens hier greift dann wieder das Nachhilfe-Förderprogramm für Bewerber, die zwar nicht auf dem ersten Platz der Liste stehen, aber geweiht sind)?

Wenn wir dann zu den eigentlichen Weiheämtern kommen, gilt sowieso weiterhin: „Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.“ Dieses Zitat stammt von Teresa von Avila, die Erkenntnis ist also nicht ganz taufrisch. Unsere Kirche schließt Frauen nach wie vor von den wirklich entscheidenden Verantwortungspositionen systematisch aus. Die Charismen von Frauen kommen nach wie vor nicht angemessen vor, denn sie haben strukturell, unabhängig von ihren eigenen Qualifikationen, Motivationen und Berufungen, keine Chance, sich gleichberechtigt in die Gestaltung kirchlicher Wirklichkeit einzubringen, allein weil sie Frauen sind.

Der Kongress, der in ökumenischer Kooperation von Margit Eckholt, Dorothea Sattler, Andrea Strübind und Ulrike Link-Wieczorek organisiert wurde, hält dazu fest, dass die Unterscheidung von spezifischen Diensten innerhalb des einen (sakramentalen) Amtes (Episkopat, Presbyterat und Diakonat) samt deren Zulassungsvoraussetzungen sich geschichtlich über die Jahrtausende entwickelt hat. Welchen ernst zu nehmenden Grund sollte es geben, diese Entwicklung jetzt gerade einzufrieren? Natürlich kann man – und wird man zwangsläufig – die Profile der kirchlichen Ämter weiterentwickeln. Das sollte jetzt in ökumenischer Perspektive geschehen und dabei ist darauf zu achten, dass keine (neuen) geschlechtsspezifischen Festlegungen mehr erfolgen.

Aus der Geschichte nur begrenzt verbindliche Perspektiven ableitbar

Als wichtiges Zeichen wurde in Osnabrück dankbar registriert, dass der Ortsbischof und Vorsitzende der Unterkommission Frauen, Bischof Franz-Josef Bode, nicht nur sehr präsent war und das Anliegen des Kongresses unterstützt hat, sondern auch mit einem eigenen Vortrag im Programm vertreten war. Zur Wirkung des Kongresses trägt sicher auch bei, dass wichtige Akteurinnen für Frauenrechte in der katholischen Kirche sich beteiligt haben, so die beiden großen Frauenverbände, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), Agenda – Forum katholischer Theologinnen, das Netzwerk Diakonat und auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Ein gerechter offener Zugang aller, sowohl von Männern wie auch von Frauen, zu allen Dienstformen und Ämtern, die die Kirche bereithält, ist zwingend. Darin war sich der Kongress nach einer kritischen Würdigung der biblischen Befunde, der historischen Beispiele und einer überzeugenden systematischen Argumentationskette schnell einig: Jedes einzelne gemeinhin vorgetragene Argument gegen die Frauenordination wurde luzide zerpflückt und zerlegt. Die Beweislast wurde umgekehrt. Nicht der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss.

Mit „Ordinatio Sacerdotalis“ gab es zwar den Versuch, die Diskussion über die Weihe von Frauen per Diktat offiziell zu beenden. Aber auch wer gerne gehorsam sein will, kann doch nicht aufhören zu denken. Abgesehen davon: Die Überzeugungskraft von Argumenten für den Ausschluss von Frauen nimmt weder durch Dauerwiederholung noch durch Redeverbote zu.

Die kritischen Anfragen an die kirchliche Lehrbildung zum Ausschluss von Frauen von kirchlichen Diensten und Ämtern seien ein Erweis für die Bereitschaft derselben, ihre Berufung zum Dienst an der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat wahr zu nehmen – unterstreicht eine weitere der Kongress-Thesen. Kirche ist tatsächlich nicht in der Position, Talente, Begabungen und Berufungen ungenutzt zu lassen.

Trotzdem werden Änderungen an der künftigen Gestalt von Kirche beziehungsweise ihrer Ämter und Dienste in der Regel rein als Interessensfragen von Frauen abgewertet. Damit spielt sich die Debatte auf der Ebene eines Machtkampfes ab, den sich Kirche aber nicht mehr erlauben kann. Nachhaltig handelt, wer erkennt: Hier geht es nicht um ein „Frauenproblem“, nicht um irgendeine Frage neben vielen anderen, sondern hier geht es um eine zentrale Zukunftsaufgabe für die Kirche.

Natürlich war in Osnabrück auch die Frage speziell nach einem Weihediakonat für Frauen sehr präsent. Das Ringen um dieses Anliegen schleppt sich seit Jahrzehnten dahin. Noch immer hat die Würzburger Synode auf ihre Anfrage dazu keine Antwort aus Rom bekommen. Die wissenschaftliche Forschung füllt mittlerweile ganze Regale, manche Arbeit davon entstand mit bischöflicher Förderung. Die Liste der Unterstützer ist lang. Die Idee eines „Diakonat light“ für Frauen, nur mit Segen ohne Weihe, wie sie Kardinal Walter Kasper aufgebracht hat, ist dabei eher eine Zumutung als eine Hilfe. Große Hoffnungen werden auf die Ergebnisse der zurzeit zu diesem Thema arbeitenden Vatikan-Kommission gesetzt. Doch es ist auch klar: Aus historischen Ergebnissen kann man zwar Evidenzen ableiten, aber daraus allein nicht schon verbindliche Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Das gilt bei negativen Befunden dann genauso wie bei positiven.

So gibt das Neue Testament viele Anhaltspunkte und die Kirchengeschichte ist über Jahrhunderte voller Beispiele für das Wirken von Diakoninnen. Das ergibt aber noch nicht zwingend eine Form, wie das Amt in Zukunft gestaltet werden sollte. Ein Bild, das Bischof Bode in die Debatte einbrachte, ist sehr nachdrücklich: Ein Baum braucht starke Wurzeln (in der Geschichte), er kann aber nicht leben, wenn sich seine Zweige und Äste nicht (in der Gegenwart und Zukunft) entfalten. „Wir suchen immer Argumente gegen die Zulassung von Frauen, wir sollten vielmehr fragen, welche Argumente dafürsprechen.“ Die weitere Ausgestaltung und stärkere Gewichtung eines Weihediakonats mit dem Anliegen, die existenzielle Bedeutung der Caritas für unsere Kirche mit sakramentaler Würde auszustatten, wäre unabhängig von der Frage „für Männer“ oder „für Frauen“ von größter Wichtigkeit und liegt ganz auf der pastoralen Linie von Papst Franziskus.

Doch in Osnabrück ging die Diskussion darüber hinweg. „Wir diskutieren nicht nur über das Diakonat, sondern über den Zugang zum gesamten Ordo.“ Das ist systematisch berechtigt, strategisch vielleicht nicht so klug, für das Anliegen des Diakonats jedoch bedauerlich. Das Diakonat hat einen eigenen Wert – auch für Frauen – und ist nicht nur die erste Stufe auf dem Weg zum Priestertum.

Mit den wissenschaftlichen Ergebnissen im Rücken endete der Kongress versöhnlich und setzte ganz auf die Kraft dieser Argumente. Aber die Frage bleibt doch, ob die Beschäftigung mit bereits bekannten wissenschaftlichen Fakten ausreicht. Gut also, dass in Osnabrück nach den Thesen auch sogenannte Selbstverpflichtungen verabschiedet wurden.

In ihnen heißt es, dass man Geschlechtergerechtigkeit und sensiblen Umgang damit bei der Übernahme und Ausübung jeglichen kirchlichen Amtes zum Prüfstein machen will. In ökumenischer Gemeinschaft will man sich einsetzen für die Ordination von Frauen zu Diakoninnen, Presbyterinnen (Pastorinnen, Priesterinnen) und Bischöfinnen. Man will weiterhin theologische Beiträge zu der erforderlichen Differenzierung zwischen der Öffnung des Diakonats und anderer Ämter für Frauen innerhalb des einen (sakramentalen) Ordo leisten.

Schon heute Zeichen setzen und zum Gespräch herausfordern

Das ist ein großes Arbeitsprogramm. Ehrlicherweise wird man hinzufügen müssen, dass sich bisher deshalb nichts geändert hat, weil es an dem Willen zur Veränderung fehlt, weil es für manche Kirchenmänner eine Einschränkung ihrer eigenen Macht bedeuten würde. Das Gegenargument, es gehe um Dienst und nicht um Macht, zählt nicht, so lange den einen die Macht und den anderen nur der Dienst angeboten wird. Der Zugang zu den Weiheämtern ist vor allem auch Zugang zu Macht. Da die Argumente auf dem Tisch liegen, geht es nun darum, dass der „Weiberaufstand“ (Christiane Florin) jetzt nicht ausfällt. Mehr noch, er muss zu einer breiten Bewegung von Frauen und von Männern der Kirche werden.

Die Aufgabe, die angesichts der Lage der Frauen in der katholischen Kirche vor uns liegt, kommt mir dabei vor wie der Weg durch eine Wüste der Ablehnung und Unwirtlichkeit. Noch haben viele nicht realisiert, dass das Volk Gottes auf niemanden mit ihren Talenten, Begabungen und Charismen verzichten kann, um im „gelobten Land“ anzukommen. Ohne diejenigen, die mutig vorangehen, wird es keinen Erfolg geben. Ohne Streit um die Sache und ohne den mühseligen Weg durch die Instanzen werden wir nicht vorankommen. Dafür müssen wir Frauen uns noch besser organisieren, vernetzen und Verbündete suchen.

Aufbrechen heißt auch, Grenzen überschreiten: Fragen wir nicht immer um Erlaubnis, suchen wir nach Ermöglichungen – und machen wir einfach! Wenn es Gendergerechtigkeit in der Kirche irgendwann geben soll, dürfen die einen jetzt nicht abwarten und die anderen nicht warten lassen.

Wenn frau in der Kirche mehr Teilhabe haben will, muss sie sie sich nehmen. Wir müssen schon heute Zeichen setzen und die Kirchenleitung kontinuierlich zum Gespräch herausfordern. Mir gefällt das Beispiel einer evangelischen Theologin, von der in Osnabrück die Rede war: An dem ihr zugewiesenen Platz vorbei stürmte sie ohne Erlaubnis direkt bis auf die Kanzel.

Vor dem Zweiten Vatikanum wurde die Messe schon auf Deutsch gefeiert, lange bevor das erlaubt war. Männer haben sich zu ständigen Diakonen ausbilden lassen und standen parat, als die Weihe dann eingeführt wurde. Wer weiß, ob es ohne diesen vorauseilenden Gehorsam einiger weniger für alle anderen dazu gekommen wäre. Ohne die Liturgische Bewegung würde die Messe heute noch auf Latein gelesen werden.

So gilt auch für die Frauenfrage: Alles ausreizen, was möglich ist, und bei dem was (noch) unmöglich ist, zur Not Tabus brechen. Der Erzbischof von Milwaukee, Rembert Weakland, hat schon vor einiger Zeit gesagt „Die Kirche ist an einem Wendepunkt angelangt und die Rolle, die Frauen in ihr spielen, könnte so etwas sein wie ein neuer Fall Galileo Galilei.“ Galilei wurde durch die Inquisition verurteilt und erst nach über 300 Jahren rehabilitiert. So lange hat die „Kirche“ für die Lösung der Frauenfrage jedoch keine Zeit mehr.

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