Johann Hinrich Claussen über "seltsame" Orte der ReligionenHeilige Vielfalt

In dem bunten Sammelsurium sind alte Heiligtümer vertreten wie etwa die Grabhöhle der Patriarchen in Hebron, in der Juden und Muslime getrennt, aber doch an der gleichen Stelle die Stammväter Abraham, Isaak und Jakob verehren.

Religion erscheint hierzulande weitgehend standardisiert: Gläubige gehen in eine Kirche (oder eine Synagoge oder eine Moschee…) und feiern dort Gottesdienst. Dass sich Glaube manchmal aber auch an ungewöhnlichen Plätzen zeigt, schildert Johann Hinrich Claussen. In kurzen Kapiteln stellt der Kulturbeauftragte der evangelischen Kirche je einen religiösen Ort vor, der von der Norm abweicht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Christentum, aber auch jüdische, muslimische, hinduistische sowie „heidnische“ Heiligtümer werden beschrieben. Der Autor blickt dabei immer wohlwollend auf die jeweilige Spiritualität und die Gläubigen. Es geht ihm bewusst um ein fasziniertes Staunen angesichts der heiligen Vielfalt in der Welt, das er mit seinen munteren Erzählungen gelungen transportiert.

In dem bunten Sammelsurium sind alte Heiligtümer vertreten wie etwa die Grabhöhle der Patriarchen in Hebron, in der Juden und Muslime getrennt, aber doch an der gleichen Stelle die Stammväter Abraham, Isaak und Jakob verehren. Aber auch neue Orte finden Beachtung, zum Beispiel die virtuellen Glaubensgemeinschaften im Internet, in denen Menschen zusammenkommen, die sich enttäuscht von den Kirchen abgewendet haben. Manche Heiligtümer ziehen Millionen Menschen an – beispielsweise Kerbala, der Wallfahrtsort der schiitischen Muslime im Irak. Andere Gottesdiensträume sind dagegen nur wenigen Menschen bekannt. Ein solcher Fall ist die Ost-West-Friedenskirche des Väterchen Timofej. Mitten in München, nahe dem Olympiastadion, hat der russische Einsiedler eine Kapelle errichtet, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Wieder andere Orte sind bereits untergegangen. Claussen schildert beispielhaft die Geschichte der beiden Kirchen in der syrischen Stadt Al-Raqqa, die vom Islamischen Staat zerstört wurden. Auch Orte der Trauer spart das Buch nicht aus. Hierfür stehen die Straßendenkmäler an den Schauplätzen der Terroranschläge in Berlin und Nizza. Gerade dort, wo Menschen den Tod fanden, sucht sich das Gedenken einen konkreten Ort. In Nizza drücken tausende Kuscheltiere den Schock und die Trauer aus, am Breitscheidplatz in Berlin sind es brennende Kerzen.

In seiner Hinführung beschreibt Claussen seine Motivation für das Buch. „Religion gibt es nicht an und für sich, sondern immer nur in einer konkreten Gestalt, als diese oder jene Religion, und das heißt auch: an diesem oder jenem Ort. Auch wenn der Geist des Glaubens weht, wo er will, sucht er sich doch zu beheimaten… Solche religiösen Orte sind alle auf ihre Art seltsam, befremdlich oder erschreckend, aber auch anrührend, liebenswert und faszinierend und wollen dies sein, denn sie stellen mitten auf dieser Erde ein Stück Überwelt dar.“ Zugleich haben diese heiligen Orte einen Platz mitten im Leben.

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