Ganz unabhängig davon, ob ein Plan B von Theresa May umgesetzt wird, nachdem sie mit ihrem EU-Austrittsvertrag Mitte Januar im Parlament mit nur 202 Pro- gegen 432 Contra-Stimmen gescheitert ist: Für den Kontinent wird immer konkreter, dass es nach jahrzehntelangen Fortschritten beim Zusammenwachsen der Nationen mit dem Brexit, der Frucht eines von Populisten gewonnenen Volksentscheids ist, zu einem ersten wirklich herben Rückschlag kommt.
Dabei zeigen gerade die Sorgen der katholischen Akteure präzise an, was für den Kontinent auf dem Spiel steht. Nicht umsonst gehört die in den vergangenen 100 Jahren so lange umstrittene Grenze zwischen Irland und Nord-Irland zu den größten Problemzonen des aktuellen Konflikts, weil sie neuerliche Gräben aufreißen würde und möglicherweise Anlass für neuerliche gewalttätige Auseinandersetzungen bedeuten könnte. Eamon Martin, Erzbischof von Armagh und Primas von Irland, hat mehrfach darauf hingewiesen, dass das 1997 mit dem Karfreitagsabkommen Erreichte, als die militärischen Kontrollen an der Grenze weggefallen sind, „sehr zerbrechlich“ sei. Und Belfasts Bischof Noel Treanor, der Vizepräsident der EU-Bischofskonferenz COMECE und neuer Präsident von Justitia et Pax Europa ist, äußerte jüngst: Der Beitritt Großbritanniens und Irlands zum Projekt der europäischen Einigung habe damals überhaupt erst den Rahmen und den Katalysator für die Überwindung der gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Iren geschaffen.
Im katholischen Großbritannien ist man vor allem darüber bekümmert, dass unter den 3,7 Millionen EU-Bürgern mehrheitlich Katholiken sind, die jetzt aller Voraussicht nach als „Ausländer“ eine Aufenthaltsgenehmigung brauchen werden; gestritten wird darüber, ob man hier überhaupt mit dem Staat kooperieren sollte. Das betrifft vor allem die rund eine Million Polen im Land, die für die katholische Kirche wie die Christen insgesamt nicht zuletzt aufgrund ihrer intensiveren religiösen Praxis wie eine Frischzellenkur sind.
Einmal abgesehen davon, dass ein Brexit die sozial Schwächeren besonders hart treffen würde: Gerade hier zeigt das populistisch aufgeheizte Klima im Rahmen der Brexit-Diskussionen seine Fratze, haben auch diese Menschen doch im Alltag inzwischen vermehrt mit Anfeindungen zu kämpfen, wie sie Muslime länger schon erleiden mussten. Vor allem die anglikanischen Bischöfe, als Teil des staatskirchenrechtlichen Systems noch einmal in einer anderen Verantwortung, haben ganz grundsätzlich mehr respektvolle und versöhnliche Töne in den politischen und gesellschaftlichen Debatten gefordert.
In ganz Europa wird man gut daran tun, einerseits die Sachfragen, die hinter den Verunsicherungen der jeweiligen nationalen Gesellschaften liegen, couragiert anzugehen, andererseits aber auch vehement den Populismus zu bekämpfen, der die angesichts der weltweiten Herausforderungen so notwendigen Bestrebungen nach mehr Einheit des Kontinents konterkariert. orth@herder.de