Die Abgeordneten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) haben im Dezember letzten Jahres im Rahmen einer außerordentlichen Versammlung eine neue Verfassung angenommen; in Kraft treten wird sie am 1. Januar 2020. Damit ist der Weg vom Dachverband der Kantonalkirchen und weiterer protestantischer Kirchen zur Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) frei. Die Verfassung von 1950 verpflichtete die Mitglieder zur Stärkung der Einheit des schweizerischen Protestantismus, ohne indes die Selbstständigkeit und Eigenart der einzelnen Kirchen zu beeinträchtigen. Die Mitgliedskirchen verpflichteten sich namentlich, die in Anwendung der Verfassung gefassten Beschlüsse des Kirchenbundes zu beachten und durchzuführen, vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedskirchen geltenden kirchlichen Ordnung. An diese Verfassung hatte bereits 1962 der Theologe Lukas Vischer die Frage gestellt: Bund oder Kirche?
Die neue Verfassung stellt nun klar: „Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) ist die Gemeinschaft der evangelisch-reformierten und weiterer protestantischer Kirchen in der Schweiz“. Dabei haben die EKS und die Mitgliedskirchen jedoch das Subsidiaritätsprinzip zu beachten. „Nach diesem Prinzip übernimmt die Ebene der Kirchengemeinschaft Aufgaben nur, wenn diese nicht auf Ebene der Mitgliedskirchen oder ihrer Verbände erledigt werden können“. Typisch reformiert ist die dreigliedrige Leitung der EKS: Sie wird synodal, kollegial und personal geleitet durch die Synode, den Rat und die Präsidentin oder den Präsidenten der EKS. Das oberste Organ der EKS ist die Synode, und um auch nur den Anschein einer bischöflichen Verfasstheit zu vermeiden, werden die geistlichen Zuständigkeiten den drei Organen gleichermaßen zugesprochen. Der Präsident oder die Präsidentin kann darüber hinaus noch Anregungen zum kirchlichen Leben und zur kirchlichen Auftragserfüllung formulieren.
Auch die Ekklesiologie der neuen Verfassung ist reformiert, obgleich die Evangelisch-methodistische Kirche Mitglied ist und „weitere protestantische Kirchen der Schweiz“ aufgenommen werden könnten. Denn die EKS lebt nach dem Verständnis ihrer Verfassung „auf den drei Ebenen Kirchgemeinde, Mitgliedskirche und Kirchengemeinschaft“, versteht sich als „Teil der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche“ und wirkt deshalb „mit anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften zusammen“. Rolf Weibel