Saudi-Arabien zwischen Reform und RestaurationDie Rolle des Prinzen

Führerscheine für Frauen, Millioneninvestitionen in die Bildung: Saudi-Arabien wandelt sich. Doch Kronprinz Mohammad strengt seine Reformen nicht an, um einen saudischen Frühling herbeizuführen. Sondern um ihn zu verhindern.

Eine Moschee in Saudi-Arabien.
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Regelmäßig ist Saudi-Arabien Thema des öffentlichen Interesses, sei es wegen seines enormen Reichtums und der daraus resultierenden Extravaganzen, seiner archaisch anmutenden Rechtstradition, seiner weltweiten finanziellen Unterstützung radikalislamistischer Gruppierungen oder zuletzt im Zusammenhang mit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der Türkei.

Der starke Mann in der saudischen Hauptstadt Riad ist der junge Kronprinz Mohammad bin Salman Al Saud, der 2015 erst Verteidigungsminister und 2017 Kronprinz wurde. Er stieß eine Modernisierung der sittenstrengen saudischen Gesellschaft an, indem er das Projekt „Vision 2030“ initiierte, mit dem Ziel, die wirtschaftliche Abhängigkeit des Königreichs vom Erdöl zu reduzieren. Zugespitzt formuliert, betreibt Kronprinz Mohammad eine umfassende Transformation Saudi-Arabiens unter seiner Führung. Wir sind Zeugen tiefgreifender politischer, wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen in Saudi-Arabien. Dieser Wandel und der Mord an Khashoggi sind zwei Seiten derselben Medaille.

Am 2. Oktober 2018 betrat der Journalist Jamal Khashoggi das saudische Konsulat in Istanbul und verschwand spurlos. Am 20. Oktober 2018, mehr als zwei Wochen nach der Tat, teilten die Saudis mit, Khashoggi sei bei einer Schlägerei im Konsulat ums Leben gekommen. Sein Leichnam ist bis heute nicht gefunden worden. In den folgenden Wochen wurde bekannt, dass der Tod des Journalisten von saudischer Seite geplant, vorbereitet und aus dem direkten Umfeld des Kronprinzen Mohammad befohlen worden sei. Die Indizienlage ist so erdrückend, dass noch im Dezember 2018 der US-Senat einer Resolution zustimmte, die den Kronprinzen für den Mord an Khashoggi verantwortlich macht, ein Vorwurf, der von saudischer Seite scharf und umgehend zurückgewiesen wurde.

Als Drahtzieher des Komplotts gelten der damalige stellvertretende saudische Geheimdienstchef Ahmed al-Asiri und ein hochrangiger Beamter und Vertrauter des Kronprinzen, Saud al-Qahtani. Ende Oktober hat König Salman eine umfassende Untersuchung des Falls zugesagt und der Familie Khashoggis versprochen, die Täter ermitteln zu lassen und zur Rechenschaft zu ziehen. Am 3. Januar 2019 hat in Riad der Prozess gegen elf Verdächtige begonnen. Weder war der Auftakt öffentlich noch sind die Namen der Angeklagten bekannt.

Ein berühmter Regierungskritiker mit besten Kontakten

Khashoggi arbeitete seit den 1980er Jahren für verschiedene saudische Zeitungen und stammt aus einer einflussreichen Familie mit engen Beziehungen bis in die höchsten Kreise der saudischen Eliten. Damit verfügte er, anders als andere regierungskritische Journalisten, über exzellente persönliche Kontakte zum saudischen Regierungsapparat. Er war einer der berühmtesten und fachlich anerkanntesten Kritiker des saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman Al Saud, dem er vorwarf, Saudi-Arabien in eine „Ein-Mann-Herrschaft“ verwandeln zu wollen (Interview auf BBC News am 13. November 2017). Neben der Machtkonzentration des Kronprinzen kritisierte Khashoggi dessen aggressive Außenpolitik. So waren die militärische Intervention im Jemen, das saudische Engagement im Syrienkonflikt und die Konfrontation mit der schiitischen Islamischen Republik Iran Themen seiner Kritik. Seit 2017 lebte Khashoggi in den USA.

Das Königreich Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie auf religiöser Basis, die im Jahr 1932 von Abd al-Aziz ibn Saud gegründet wurde. Die Dynastie der Al Saud ist ein zentralarabischer Stamm, der schon mehrmals versucht hatte, auf der Arabischen Halbinsel eine Herrschaft zu errichten. Nach verschiedenen Schätzungen gehören heute ca. 5000 bis 7000 Prinzen zum saudischen Königshaus, die allesamt staatlich alimentiert werden. König und Premierminister ist seit Januar 2015 Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud.

Das Königreich ist flächenmäßig sechsmal größer als Deutschland und nimmt den größten Teil der Arabischen Halbinsel ein. Von den etwa 30 Millionen Einwohnern sind ca. ein Drittel Gastarbeiter. Der Großteil davon stammt aus Asien, vornehmlich von den Philippinen, Indonesien, aber auch aus Pakistan und Bangladesch. Gut 60 Prozent der Bevölkerung ist jünger als 35 Jahre, davon sind ca. 30 Prozent arbeitslos. Da die Gastarbeiter nicht in offiziellen Statistiken aufgeführt werden, sind 100 Prozent der Saudis Muslime, davon 85 bis 90 Prozent Sunniten, 10 bis 15 Prozent Schiiten.

Das Königreich fasziniert durch seine wirtschaftlichen, politischen und religiösen Besonderheiten, die global betrachtet einmalig sind. Die Erdölreserven Saudi-Arabiens gehören zu den weltweit größten. Sie verhelfen dem Land zu einem außergewöhnlichen Reichtum. Dank der Erdöleinnahmen, die zurzeit knapp die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts ausmachen, hat die saudische Gesellschaft innerhalb kürzester Zeit einen rasanten Modernisierungsschub erfahren. Heute ist Saudi-Arabien ein klassischer Rentierstaat, in dem der Großteil der einheimischen Bevölkerung durch staatliche Leistungen alimentiert wird. Während in der Privatwirtschaft ca. 13 Prozent der Beschäftigten saudische Staatsbürger sind, sind es im öffentlichen Dienst 95 Prozent.

Staatsreligion ist eine puritanisch-militante Ausprägung des sunnitischen Islam, der Wahhabismus. Er geht auf eine islamische Erneuerungsbewegung des 18. Jahrhunderts zurück, die vom Reformgelehrten Mohammad ibn Abd al-Wahhab begründet wurde. Die Bewegung bricht mit den historisch gewachsenen Traditionen im sunnitischen Islam und negiert sämtliche gesellschaftlichen Entwicklungen, die nicht mit dem Vorbild der Altvorderen, also mit der Gemeinschaft um den Propheten Mohammad, vereinbar sind.

Die Kooperation zwischen dem Haus Al Saud und den Wahhabiten ist deutlich älter als das saudische Königreich selbst. Die Allianz geht auf ein Bündnis von 1744/45 zurück, das zwischen der Sippe der Al Sauds und Mohammad ibn Abd al-Wahhab geschlossen wurde. Während die Al Sauds die wahhabitische Lehre unterstützen, sorgen die wahhabitischen Religionsgelehrten für die religiöse Legitimierung der saudischen Herrschaftsansprüche.

Ironischerweise kam das Treuebekenntnis zwischen den Al Sauds und ibn Abd al-Wahhab zustande, weil al-Wahhab von seiner Familie aufgrund seiner religiösen Ansichten verstoßen und im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste geschickt wurde. Erst dort traf er in der damaligen Oase Diriyya, heute ein Vorort von Riad, auf Mohammad Al Saud.

So legitimiert sich bis heute die Herrschaft der Al Sauds durch den Anspruch, in Übereinstimmung mit dem Wahhabismus zu regieren. Diese Symbiose von politischer und geistlicher Macht ist weltweit einmalig. Ohne die enormen finanziellen Möglichkeiten Saudi-Arabiens wäre der Wahhabismus heute eine marginale, bedeutungslose Strömung innerhalb des facettenreichen Islam.

Zu den weiteren Besonderheiten des Landes gehört, dass sich hier der geographische wie historische Ursprung des Islam befindet. Mit Mekka und Medina liegen zwei der drei heiligen Stätten des Islam auf saudischem Staatsgebiet. Seit 1986 tragen die saudischen Könige den historischen Ehrentitel „Hüter der Heiligen Stätten“, mit dem sich das Königshaus eine über den Wahhabismus hinausgehende religiöse Legitimation verschafft. Jährlich kommen Millionen muslimischer Pilger nach Saudi-Arabien, die sich den unterschiedlichsten Glaubensrichtungen im Islam zurechnen.

Die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien sind eng verknüpft mit einer Person: Kronprinz Mohammad bin Salman Al Saud. Geboren 1985, wurde Mohammad 2015 von seinem Vater und saudischen König Salman zum Verteidigungsminister ernannt. Seit Juni 2017 ist Prinz Mohammad auch stellvertretender Premierminister, Kronprinz und damit Thronfolger. Diese Machtkonzentration ist in der saudischen Geschichte einmalig.

Mit der Ernennung von Mohammad bin Salman, oftmals nur unter dem Namenskürzel MbS genannt, hat sich das saudische Königshaus nicht nur maßgeblich verjüngt, sondern sowohl in der Außen- wie auch in der Innenpolitik neue Richtungen eingeschlagen. Bis zur Jahrtausendwende war eine zurückhaltende, defensive Außenpolitik für das saudische Königreich typisch. Saudi-Arabien galt als Stabilisator und als verlässlicher prowestlicher Partner in der Region. Zwar finanziert man seit Mitte der 1970er Jahre – vor allem seit der sowjetischen Intervention in Afghanistan 1979 – radikalislamistische Bewegungen und exportiert erfolgreich die wahhabitische Glaubenslehre. Gleichzeitig jedoch wurde auf eine aggressive Rhetorik und direktes, klar nachweisbares politisches oder gar militärisches Engagement verzichtet.

Die politischen Verwerfungen infolge der amerikanischen Militärintervention im Irak 2003 sowie des Arabischen Frühlings seit 2011 stellen die Regionalmächte vor neue Herausforderungen, bieten aber auch neue Möglichkeiten. Die Türkei, die Islamische Republik Iran, Israel und Saudi-Arabien loten gerade das Machtgefüge im Nahen Osten neu aus. Verstärkt wird diese Entwicklung durch den Rückzug der USA als Ordnungsmacht der Region, der unter Barack Obama begonnen wurde und von Donald Trump fortgeführt wird.

Das Misstrauen gegenüber dem Iran verbindet die Saudis mit Israel

So tritt das Königreich unter MbS außenpolitisch aggressiver und selbstbewusster auf. Angestrebt ist eine regionale Hegemonie. Dabei präsentiert sich Saudi-Arabien als sunnitisch-arabischer Gegenspieler zum schiitisch-persisch geprägten Iran. Seit der islamischen Revolution 1979 hat der Iran aktiv Einfluss in der Region genommen und schiitische Gruppierungen militärisch wie finanziell unterstützt, seien es die Hisbollah im Libanon oder die Schiiten im Irak. Seit der Intervention der Saudis im Jemen 2015 unterstützt der Iran zudem die Huthi-Rebellen, die zu den Zaiditen gehören, einer schiitischen Strömung. Noch immer tobt in dem Land am Golf von Aden der Stellvertreterkrieg. Trotz intensiver militärischer Anstrengungen gelingt es den Saudis nicht, die Pattsituation aufzulösen und sich durchzusetzen.

Diese Konfrontation mit dem Iran sorgt für eine Annäherung Saudi-Arabiens mit Israel, das ebenfalls im direkten Konflikt mit den Iranern steht, eine Entwicklung, die bis vor wenigen Jahren undenkbar war. Von Beginn an standen beide Staaten dem iranischen Atomabkommen aus dem Jahr 2015 und der folgenden Annäherung zwischen den USA unter Präsident Obama und dem Iran zutiefst misstrauisch gegenüber.

Die Türkei unter der Führung von Recep Tayyip Erdoğan strebt die Etablierung einer modernisierten Form des osmanischen Führungsanspruchs an. Insofern stehen die Türken im direkten Konflikt mit dem Iran und Saudi-Arabien. Der Mord an Jamal Khashoggi bietet Erdoğan eine willkommene Gelegenheit, gegen die Saudis vorzugehen.

Was die Zukunft der saudischen Innenpolitik betrifft, so ist schon heute abzusehen, dass das Konzept des Rentierstaates nicht auf Dauer finanzierbar sein wird. Darum will der Kronprinz in den kommenden Jahren sein Reformprogramm „Vision 2030“ umsetzen. Dort sind Ziele formuliert, die die saudische Wirtschaft diversifizieren, modernisieren und wettbewerbsfähig machen sollen. Dafür sind Investitionen in Höhe mehrerer hundert Milliarden US-Dollar geplant, die vornehmlich in die Bereiche Bildung, Transport, Gesundheit, regenerative Energie, Tourismus und Handel fließen sollen. Ebenfalls geplant sind Auslandsinvestitionen in Milliardenhöhe. Die „Vision 2030“ finanziert sich aus dem saudischen Staatsfonds, mit einem Vermögen von ca. zwei Billionen US-Dollar. Ein Großteil des Geldes stammt aus dem Börsengang des staatlichen Erdölkonzerns ARAMCO im Jahr 2016, der ebenfalls unter der Federführung von Kronprinz Mohammad realisiert wurde.

Der Preisverfall beim Erdöl, der seit 2014 zu beobachten ist, unterstützt diesen Transformationsprozess. 2012 kostete ein Barrel ca. 120 US-Dollar, 2016 waren es zwischenzeitlich rund 30 Dollar. Aktuell hat sich der Preis pro Fass auf ca. 60 US-Dollar eingependelt. Die Transformation der saudischen Wirtschaft soll das Land von der Validität der Erdölerlöse unabhängiger machen.

Angesichts des Einflusses und der Macht der Wahhabiten und ihres puritanischen Werte- und Gesellschaftsbilds sind die Reformen geradezu revolutionär. Allerdings betreffen sie in erster Linie wirtschaftliche Standortfaktoren, ohne das saudische Herrschaftssystem an sich reformieren zu wollen. Die staatliche Verfasstheit Saudi-Arabiens berühren die Reformen nicht, der absolute Machtanspruch des Königshauses wie die Symbiose zwischen den Al Sauds und den Wahhabiten bleiben bestehen. Es ist falsch, die Fahrerlaubnis von Frauen als emanzipatorischen Sieg und gesellschaftliche Liberalisierung zu deuten. Diese und ähnliche Entscheidungen resultieren aus pragmatischen Überlegungen, die wirtschaftlich notwendig sind: Kostenlose Fahrdienste für Frauen lassen sich nicht mehr finanzieren. Zudem geht das Regime auch weiterhin rigoros gegen Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten wie Raif Badawi vor.

So ist festzuhalten, dass die „Vision 2030“ kein Vorbote eines saudi-arabischen Frühlings ist, sondern vielmehr diesen verhindern soll. Eine religiöse, kulturelle und politische Öffnung des Landes kann ausgeschlossen werden. Die Reformen dienen der Machtsicherung des saudischen Königshauses, dem bewusst ist, dass von der Abhängigkeit vom Erdöl, von der fehlenden wirtschaftlichen Prosperität im Privatsektor und der damit verbundenen Perspektivlosigkeit der vornehmlich jungen saudischen Bevölkerung eine akute Gefährdung des eigenen Herrschaftsanspruches ausgeht.

Dass die Ermordung von Jamal Khashoggi Auswirkungen auf die jetzige Position von Kronprinz Mohammad haben wird, ist unwahrscheinlich. Zwar hat das Bild des Prinzen in der internationalen Wahrnehmung erheblichen Schaden genommen, der König musste als Reaktion auf den internationalen Druck den beschuldigten stellvertretenden Geheimdienstchef entlassen und sein Kabinett umbilden. Doch der Macht des Kronprinzen hat das keinen Abbruch getan: Seine Befugnisse blieben von der Umbildung unberührt. Dass MbS die Söhne von Khashoggi empfangen und ihnen sein Beileid persönlich ausgesprochen hat, war eine Machtdemonstration.

Viel gefährlicher wäre es für den Kronprinzen, wenn seine „Vision 2030“ mittelfristig keine Erfolge bringen sollte. Zusammen mit dem verlustreichen und bisher wenig erfolgreichen militärischen Engagement im Jemen könnten Rückschläge beim Transformationsprozess der saudischen Gesellschaft den Führungsanspruch von Mohammad ernsthaft gefährden. Gegenspieler für den Kronprinzen gibt es, da er seit seinem Amtsantritt 2015 das historisch gewachsene wie eingespielte Machtgefüge innerhalb des Königshauses dramatisch durcheinandergebracht hat. Nicht alle Mitglieder des Königshauses unterstützen den Modernisierungsansatz des Kronprinzen. Allerdings gelang es MbS mit seiner Antikorruptionskampagne 2017 und der Verhaftung von über 200 Prinzen und weiteren hochgestellten Persönlichkeiten des Landes, seine innenpolitischen Gegner nachhaltig zu schwächen. Eine handlungsfähige Alternative innerhalb des Herrscherhauses ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar. Doch kann die Ernennung von Ibrahim Abdulaziz Al-Assaf zum neuen Außenminister als Zugeständnis an die innenpolitische Opposition des Kronprinzen gedeutet werden. Al-Assaf wurde 2016 auf Druck von MbS als Finanzminister entlassen und 2017 vorübergehend wegen Korruptionsverdachtes verhaftet.

Dennoch ist davon auszugehen, dass die Machtbasis von Kronprinz Mohammad zu gefestigt ist, als dass seine Position tatsächlich gefährdet werden könnte. Die von ihm angestoßenen und vorangetriebenen Reformen sind zu eng mit seiner Person verbunden, als dass es sich das Königshaus leisten könnte, den Kronprinzen fallen zu lassen. Er ist das bekannte wie charismatische Gesicht seines Landes. Auch die USA haben kein ernsthaftes Interesse an einer Entmachtung von MbS. Ein starkes Saudi-Arabien ist von zentraler Bedeutung für Donald Trumps Wunsch, sich aus der Region zurückzuziehen, gleichzeitig den Iran weiter unter Druck setzen zu können und die Position Israels nicht zu sehr zu schwächen. So wird die internationale Empörung auf den Khashoggi-Mord keine ernsthaften Folgen für die Zusammenarbeit des Westens mit dem saudischen Königreich haben. Die erwähnte Resolution des US-Senats vom 13. Dezember 2018 und die Forderung nach Beendigung des US-Engagements im Jemenkrieg hat symbolischen Charakter. Zudem sind die USA aktuell zu sehr mit innenpolitischen Debatten beschäftigt, als dass sie in der Lage wären, offensiv gegen die Saudis vorzugehen. Hinzu kommt der überraschende Rückzug des US-Militärs aus Syrien, durch den die Saudis als Regionalmacht weiter an Einfluss gewinnen. Auch als Wirtschaftspartner haben sie nichts an Bedeutung verloren. Selbst Kanada, das sich am deutlichsten gegen das saudische Verhalten positioniert hat, hält an einem Verkauf von Panzerfahrzeugen an Saudi-Arabien fest. Das Geschäft wurde auch von saudischer Seite trotz aller Protestnoten gegen und von Kanada zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Beide Seiten haben kein Interesse an einer Eskalation.

Ähnlich ist die Situation in Deutschland, das ein wichtiger Waffenlieferant für das Königreich ist. Zwar wurden als Reaktion auf den Mord in Istanbul sämtliche Waffenexporte gestoppt. Allerdings sind ausländische Tochterfirmen der deutschen Rüstungsunternehmen von diesem Exportverbot nicht betroffen. So beliefert der Rüstungskonzern Rheinmetall Saudi-Arabien über Italien und Südafrika weiterhin mit Munition.

Die Teilnahme von MbS am G20-Gipfel in Buenos Aires Ende 2018 hat bestätigt, dass der Kronprinz, trotz aller Kritik, international nicht isoliert ist. Bei allem Ansehensverlust: Die derzeitigen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und seinen westlichen Partnern werden nicht grundsätzlich in Frage gestellt. So dürfte Saudi-Arabien auch langfristig ein totalitärer Staat ohne freiheitliche und demokratische Grundlagen bleiben. Die Eröffnung einer Kinokette oder die Fahrerlaubnis für Frauen ändern daran nichts.

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