Österreich: Chronique scandaleuse

Seit einem Jahr ist Alois Schwarz Bischof im niederösterreichischen Sankt Pölten. Doch in seiner früheren Diözese Gurk-Klagenfurt schlagen Vorwürfe gegen seine Amtsführung hohe Wellen. Ein Ende scheint nicht in Sicht.

Die Glaubwürdigkeit der Kirche befindet sich im Sturzflug und wird demnächst eine riskante Bruchlandung hinlegen, weil sie bei der Aufarbeitung der Causa Schwarz total versagt und die Gläubigen für dumm verkauft. Für diesen Sturzflug verantwortlich sind jene, die im Cockpit schalten und walten, ohne auf das Bodenpersonal und deren verzweifelte Versuche, die Katastrophe doch noch abzuwenden, zu achten.“ Mit dieser Wortwahl äußerte sich Gerda Schaffelhofer, bis 2018 als Präsidentin der Katholischen Aktion „oberste Laiin“ Österreichs und Kärntner Diözesankind, in der Wochenzeitung „Die Furche“ am 18. Juli 2019. Wenige Tage zuvor hatte sich der Klagenfurter Dompropst Engelbert Guggenberger, der Ende Juni als Diözesanadministrator von Österreichs südlichster Diözese Gurk-Klagenfurt abgelöst worden war, im Magazin „News“ ähnlich zu Wort gemeldet: „Die Kirche muss sich dafür immer wieder dafür schämen, dass sie unfähig ist, die Sache zu lösen.“

Die Sache, das sind die Vorwürfe gegen die Amtsführung von Bischof Alois Schwarz, der Anfang Juli 2018 von Kärnten als Bischof ins niederösterreichische Sankt Pölten transferiert worden war. Zum ersten Jahrestag davon nahm Schwarz in der Kirchenzeitung seiner neuen Diözese dazu wie folgt Stellung: „Ich vertraue auf die Arbeit der römischen Bischofskongregation und die Rechtsstaatlichkeit und Redlichkeit unserer österreichischen Behörden. Im Übrigen möchte ich auch weiterhin über die Medien dazu niemandem etwas ausrichten oder Stellungnahmen abgeben, mir liegt viel am persönlichen Gespräch.“

Das hier Zitierte entspricht dem Stimmungsbild um die aktuelle Chronique scandaleuse in Österreichs katholischer Kirche: In Kärnten gibt es Unruhe ob der Amtsführung des früheren Hirten. Und der nun in Sankt Pölten Residierende äußert sich nicht zu den Vorwürfen, die aus dem Süden tönen. Alles in allem Vorgänge, die sich schwer entwirren lassen.

Konflikte seit vielen Jahren

Der kirchliche Haussegen in Kärnten hing schon seit Jahren schief: Schwarz, seit 2001 Bischof der Diözese, hatte sich wohl den Ruf erarbeitet, gut auf die Menschen zugehen zu können. Aber seine Amtsführung löste schon lang Ärger aus. Bereits 2008 hatte Salzburgs Erzbischof Alois Kothgasser versucht, die Wogen zu glätten und Schwarz zu einem kollegialeren Stil zu bewegen – erfolglos. Mit der Ernennung von Schwarz zum Bischof von Sankt Pölten hofften viele, auch Österreichs Kirchenspitze, die Konflikte würden sich (auf-)lösen.

Doch wenige Wochen vor Schwarz’ Sankt Pöltner Amtseinführung am 1. Juli 2018 machte das Magazin „News“ das bislang hinter vorgehaltener Hand Geäußerte publik: Zum einen wurde Schwarz ein (zu) enges Verhältnis zu zwei Vertrauten vorgeworfen. Eine davon, die ehemalige Lehrerin Hildegard E., firmierte in der öffentlichen Diskussion auch unter dem Begriff „Schattenbischöfin“: Ohne ihre Zustimmung sei in der Diözese nichts gegangen. Außerdem sei Schwarz wirtschaftlich unverantwortlich mit dem „Bistum“ umgegangen; mit „Bistum“ wird in der Diözese Gurk-Klagenfurt das dem Bischof direkt unterstellte Vermögen bezeichnet (anderswo heißt das „Mensalgut“ oder „Bischöflicher Stuhl“). Dieses ist beträchtlich, das „Bistum“ gilt als größter Grundbesitzer Kärntens. Schwarz wird dabei der finanziell desaströse Ausbau eines Bildungshauses vorgeworfen, der Bischof hatte in den letzten Jahren Hildegard E. dort als Geschäftsführerin installiert: Das Arbeitsklima in diesen Betrieben soll seither auf einem Tief gewesen sein. Auch Gratis-Jagdabschüsse in den bischöflichen Revieren für prominente Jagdgäste und der Ausbau einer Jagdhütte in den Kärntner Alpen wurden dem Bischof angelastet.

Alois Schwarz schwieg zu den Vorwürfen und wurde Ende Juni 2018 von seinen Diözesanen freundlich verabschiedet, öffentlich auch von seinem damaligen Generalvikar Engelbert Guggenberger. Am 2. Juli 2018 wählte das Domkapitel Guggenberger zum Diözesanadministrator, der sich alsbald daran machte, den Vorwürfen nachzugehen, insbesondere beim „Bistum“, in dessen Gebarung er nach seinen Worten als Generalvikar keinen Einblick gehabt hatte. Also beauftragte die interimistische Diözesanleitung externe Wirtschaftsprüfer. Nach den Erkenntnissen Guggenbergers entsprach das Statut des „Bistums“ nicht den kir-chenrechtlichen Vorgaben und wurde außer Kraft gesetzt. In der Folge wurden der Verwalter des „Bistums“ und der Finanzkammerdirektor der Diözese abgelöst, auch die Verträge mit Hildegard E. wurden sistiert.

Bischof Alois Schwarz ließ im August 2018 verlauten, er habe die Bischofskongregation um Klärung der Vorwürfe ersucht. Der damalige Nuntius in Österreich, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, erklärte aber, Diözesanadministrator Guggenberger habe „mutig, verantwortungsvoll und konsequent“ gehandelt.

Im Dezember 2018 eskalierte die Situation, als die Diözesanleitung eine Pressekonferenz ankündigte, bei der der Bericht der Wirtschaftsprüfer veröffentlicht werden sollte. Unmittelbar vor dem Termin wurde dieser auf „Weisung der Nuntiatur“ abgesagt (Nuntius Zurbriggen war da bereits emeritiert). Nachdem aber Bischof Schwarz in Sankt Pölten aus dem Bericht zitiert und erklärt hatte, es seien ihm keine Verfehlungen nachgewiesen worden, veröffentlichte das Domkapitel, dessen Vorsitzender Engelbert Guggenberger als Dompropst gleichfalls ist, den Bericht trotz des römischen Verbots. Das sechsseitige Papier brachte in der Substanz wenig Neues ans Tageslicht: unwirtschaftlicher Umgang im „Bis-tum“ – etwa ein Betriebsverlust von 1,7 Millionen Euro fürs Jahr 2018 –, fragwürdige Personalentscheidungen und eben das Naheverhältnis zu einer Frau wurden Schwarz zur Last gelegt. Das Domkapitel prangerte gar ein „System Schwarz“ an.

Bischof Schwarz beklagt „Empörungskultur“

In der Folge befasste sich auch die Staatsanwaltschaft mit dem Gebaren von Schwarz, vor allem die Gratis-Jagden und ein Grundstücksgeschäft des „Bistums“ mit dem Waffenproduzenten Glock wurden wegen des Verdachts der Untreue untersucht. Die Causa der Gratis-Abschüsse wurde mittlerweile eingestellt, andere Verfahren sind weiter im Gang. Auch eine Selbstanzeige bei den Finanzbehörden wegen unterlassener Steuerzahlungen aus der Ära Schwarz reichte die Diözesanleitung ein. Ob Schwarz sich aber strafrechtlich tatsächlich etwas zuschulden kommen ließ, ist derzeit schwer zu beurteilen.

Der nächste Paukenschlag folgte am 20. Dezember, als Rom den Salzburger Erzbischof Franz Lackner mit einer Apostolischen Visitation der Diözese betraute. Die Visitation begann Mitte Jänner 2019. Lackner holte den Vorarlberger Bischof Benno Elbs sowie kirchliche Wirtschafts- und Rechtsexperten in sein Team.

Bischof Alois Schwarz nahm weiter kaum konkret zu den Anwürfen Stellung, er klagte über die „übermedialisierte Welt“ mit einer „aufgeheizten Empörungskultur“. In Bezug auf den Umgang mit seinen weiblichen Vertrauten verwahrte sich Schwarz vor allem gegen Behauptungen, dass er seine Zölibatsverpflichtung gebrochen habe. In der „Furche“ konstatierte der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander einen selbstverschuldeten Autoritätsverlust der Kirche und ortete vor allem die „Verbindung von Macht, Sex, Geld“, die ein hohes gesellschaftliches Interesse garantiere. Sander: „Die eigenen Ansprüche wirken sich daher auf die Kirche wie ein Bumerang aus.“

„Diözese im Ausnahmezustand“

Das Visitationsteam rund um Erzbischof Lackner arbeitete intensiv bis Mitte März 2019, Lackner selbst nahm in Kärnten eine Vielzahl an Gesprächsterminen war. Auch die Visitation verlief nicht friktionsfrei. So weigerte sich das Domkapitel, in den Abschlussbereicht Einsicht zu nehmen, weil ihm dafür zu wenig Zeit gewährt worden sei. Bei der Abschlusspressekonferenz erklärte Lackner, er könne sich nicht vorstellen, dass es zu keinen personellen Konsequenzen kommen werde. Er habe während seiner Visitation viel zerrüttetes Vertrauen und Ängste bei Gläubigen und Mitarbeitern in Kärnten gespürt, sodass er von einer „Diözese im Ausnahmezustand – und zwar durch alle Schichten hindurch“ sprach. Auch Diözesanadministrator Guggenberger nannte die Visitation einen „hilfreichen Beitrag“, den das Visitationsteam „durch seine Bereitschaft zu vielen Gesprächen mit Betroffenen und durch sein Bemühen um Differenzierung und Ausgewogenheit geleistet“ habe. Allerdings gebe es in Kärntens Kirche „keineswegs einen Ausnahmezustand, sondern einen erfreulichen Normalzustand“.

Der Visitationsbericht lag zu Redaktionsschluss dieser Zeitschrift immer noch in Rom, erst mit dem Kommen des neuen Nuntius, Erzbischof Pedro López Quintana, im Frühling, gab es wieder Bewegung. Im ersten Interview mit Erzbischof López, das die Tageszeitung „Die Presse“ am 23. Juni veröffentlichte, meinte der Nuntius, der Transfer von Bischof Schwarz nach Sankt Pölten sei keine „Bestrafung“ gewesen, sondern „eine Beförderung. Die Diözese ist bedeutender“. Außerdem habe sich Schwarz „offenbar nichts“ zuschulden kommen lassen. Derartige Aussagen riefen sogleich Widerspruch hervor. Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner gab sich fassungslos: „In Wahrheit wurde Bischof Alois Schwarz nicht nach St. Pölten ‚befördert‘, sondern, wie mir der Vorgänger des Nuntius persönlich versicherte, an ihm vorbei von ‚Rom‘ dorthin versetzt – und das erklärtermaßen gegen seinen eigenen Willen, so Bischof Schwarz selbst.“

Danach ging es Schlag auf Schlag: Am 28. Juni wurde Guggenberger als Diözesanadministrator abgelöst, an seiner Stelle amtiert nun Militärbischof Werner Freistetter als vom Papst ernannter Apostolischer Administrator. In seiner ersten Pressekonferenz am 2. Juli erklärte Freistetter, Brücken bauen und schon gar nichts zudecken zu wollen. Die Brüskierung Guggenbergers durch die Ablöse stößt den Kritikern der Ära Schwarz aber sauer auf. Am 3. Juli fand im Klagenfurter Dom eine von rund 600 Personen besuchte Solidaritäsveranstaltung für Guggenberger und das Domkapitel statt.

Guggenberger, nun nur mehr Dompropst, erklärte in der lokalen Kirchenzeitung: „Kärnten braucht keinen neuen Bischof, solange die ‚Causa Schwarz‘ nicht gelöst ist.“ Mit so einer Altlast würde ein neuer Bischof nicht in Ruhe arbeiten können. Zuletzt wurde auch eine Online-Petition für Guggenberger als Bischof von Gurk-Klagenfurt gestartet. An welches Ende die Kärntner Turbulenzen auch kommen werden: Dieser Wunsch der Petenten dürfte kaum in Erfüllung gehen.

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