Klärungen zum Regensburger KonfliktEin traditionsreiches System

Ende des Jahres 2005 schaffte der Regensburger Bischof den Diözesanrat in seinem Bistum ab. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken warf Bischof Gerhard Ludwig Müller daraufhin „Rechtsbruch“ vor. Es folgten weitere wechselseitige Vorwürfe ohne dass es bislang zu einem Gespräch zwischen dem ZdK und der Bistumsleitung von Regensburg kam. Im Folgenden erklärt der ZdK-Präsident noch einmal die Position des Laiengremiums und verbindet dies mit einem neuerlichen Gesprächsangebot.

Wenn sich Konflikte länger hinziehen, kann ihr Kern undeutlich werden. Das trifft auch auf den Streit zwischen dem Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken zu (ZdK). Verstärkt wird diese Unklarheit durch Schreiben römischer Dikasterien wie durch deren Interpretation in Stellungnahmen des Regensburger Ordinariats. Viele fragen sich, worin der sachliche Kern dieses Konflikts besteht. Um dies zu beantworten, muss man auf die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland zurückgehen, die von 1971 bis 1975 in Würzburg auf der Grundlage eines vom Heiligen Stuhl approbierten Statuts stattfand. Unter der Präsidentschaft des damaligen Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Julius Döpfner, führte sie Bischöfe, Vertreter des Klerus und Vertreter der Laien zu gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung zusammen. In Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht erlangten nur solche Synodenbeschlüsse Gültigkeit, die von den Bischöfen der beteiligten Ortskirchen mitbeschlossen und in Kraft gesetzt wurden. Zu den herausragenden Theologen dieser Synode gehörten die heutigen Kardinäle Karl Lehmann und Walter Kasper.Zum Abschluss der Synode schrieb Papst Paul VI., die Arbeit der Synode hätte zu „Beschlüssen und Dokumenten geführt, die in den vielfältigen Nöten und Schwierigkeiten unserer Zeit geeignete Wege aufzeigen, damit die Botschaft des Evangeliums von den Menschen neu gehört wird und das Glaubenszeugnis der Kirche für den Dienst in der Welt verstärkte Kraft gewinne.“

Die Gemeinsame Synode hatte die Aufgabe, die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils für die Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland umzusetzen. Wesentlich waren und sind hier die beiden Konstitutionen Lumen gentium und Gaudium et spes. Daneben wurden die Überlegungen und Ergebnisse der Synode von zwei weiteren Dokumenten bestimmt, die für den Dienst des Gottesvolkes bedeutsam sind. Erstens empfahl das Zweite Vatikanische Konzil in seinem Dekret über die Bischöfe „Christus Dominus“ im Artikel 27 in den Diözesen einen Pastoralrat einzurichten, „dem es zukommt, unter der Autorität des Bischofs das zu erforschen, was die pastoralen Werke in der Diözese angeht, es zu erwägen und dazu praktische Schlussfolgerungen vorzulegen.“ Die Pastoralräte erhalten also ihr Mandat – direkt oder indirekt – vom Bischof, und dieser ist auch der Adressat ihrer Beratung. Das Konzil hat, zweitens, das Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“ beschlossen. In diesem wird unter anderem im Artikel 26 empfohlen, auf pfarrlicher, zwischenpfarrlicher und interdiözesaner, aber auch auf nationaler und internationaler Ebene beratende Gremien einzurichten,„unbeschadet des je eigenen Charakters und der Autonomie der verschiedenen Vereinigungen und Werke der Laien.“ Der zweite Punkt erinnert an Artikel 31 der Kirchenkonstitution Lumen gentium, welcher lautet: „Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen (...) Sache der Laien ist es, Kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und in der Gott gemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen“.

Freie Initiativen unter Anerkennung des kirchlichen Amtes

In ihrem Beschluss „Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche“ konzipierte die Würzburger Synode zwei Arten von Gremien, um die Konzilsdekrete für die diözesane Ebene umzusetzen. Erstens ist das der Diözesanpastoralrat, der durch Beratung des Bischofs „an der Willensbildung und Entscheidungsfindung in den der gemeinsamen Verantwortung obliegenden Aufgaben der Diözese“ teilnimmt (III, 3.3). Dieser Rat steht unter dem Vorsitz des Bischofs und ist ein beratendes Gremium. Seine Beschlüsse erhalten erst durch die Zustimmung des Bischofs Rechtskraft. Zweitens entwickelte die Würzburger Synode unter Fortführung von Entwicklungen in Deutschland, die schon lange vor dem Zweiten Vatikanum begonnen hatten, das Modell des Katholikenrates der Diözese, inzwischen auch als Diözesanrat, Diözesantag, Diözesanversammlung oder Diözesankomitee der Katholiken bezeichnet. Dieses Gremium wurde von der Synode als „Zusammenschluss“ von Vertretern des Laienapostolat definiert, womit sie einen Ausdruck aufgriff, mit dem schon bald nach Kriegsende die Katholikenausschüsse in den westdeutschen Bistümer bezeichnet wurden. Ein Katholikenrat ist nach dem Verständnis der Synode kein verfassungsrechtliches Organ der Kirche, sondern eine kirchliche Struktur in der Gesellschaft. Der Katholikenrat hat insbesondere die Aufgabe, „die Entwicklungen im gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Leben zu beobachten und die Anliegen der Katholiken des Bistums in der Öffentlichkeit zu vertreten“, „Anregungen für das Wirken der Katholiken im Bistum und in der Gesellschaft zu geben und die in ihm zusammengeschlossenen Kräfte aufeinander abzustimmen und zu fördern“, „zu Fragen des öffentlichen und kirchlichen Lebens Stellung zu nehmen“, „gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen der Katholiken des Bistums vorzubereiten und durchzuführen“ sowie schließlich Mitglieder in den Diözesanpastoralrat und in das Zentralkomitee der deutschen Katholiken zu wählen (III, 3.4). Allgemein könnte man sagen: Das Aufgabenfeld des Katholikenrates einer Diözese umfasst den eigenverantwortlichen Dienst der Laien in der Welt auf der Grundlage des Glaubens und der Lehren der Kirche sowie die Mitverantwortung der Laien für das kirchliche Leben. Die Mitglieder dieses Gremiums erhalten ihr Mandat von jenen, die sie repräsentieren, also durch Wahl von den Laien. Ein solcher Rat fasst seine Beschlüsse deshalb auch unabhängig und in eigener Verantwortung.

Die Würzburger Synode hat die Tradition des deutschen Laienkatholizismus bewahrt

Beim Beschluss der Würzburger Synode über die Katholikenräte und bei ihren darauf fußenden Satzungen handelt es sich um (weiter geltendes) partikulares Recht in Deutschland. Der Codex Juris Canonici von 1983 enthält zwar in den cann. 511 bis 514 universalrechtliche Bestimmungen über die Pastoralräte, nicht aber zu den im Konzilsdekret über das Laienapostolat genannten Gremien. Allerdings enthält er zwei Bestimmungen, die im Zusammenhang mit dem Charakter der Katholikenräte als „Zusammenschluss“ von Laienrepräsentanten wichtig sind, nämlich das Recht der katholischen Laien zur Meinungsäußerung (CIC 212, §§ 2 und 3) und das Koalitionsrecht der katholischen Laien (CIC 215). Beide universalkirchlichen Normen sind für das Selbstverständnis der Laiengremien und für ihre Rolle in der Kirche von großer Bedeutung. Nach dem Inkrafttreten des CIC im Jahre 1983 hat die Gemeinsame Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in einem Protokoll vom 6. November 1987 „im Blick auf die Räte des Laienapostolats (...) gemeinsam festgestellt, dass sich hier zwei Bereiche berühren, das Vereinigungsrecht und das Verfassungsrecht. Dadurch, dass die Räte ihre Satzung selbst beschlössen und der Bischof diese in Kraft setze, sei bei den Räten zuerst das Vereinigungsrecht angesprochen. Diese seien freie Initiativen, die sich unter Anerkennung des kirchlichen Amtes zusammenschlössen. Gleichzeitig seien diese Räte in die Diözesen ,eingebaut‘ und ein Organ für die Gesamtgestalt der Diözese. So gehörten die Räte in diesem Sinn auch zum Verfassungsrecht. Sie seien von oben gesetzt und wegen müsse festgestellt werden, dass das vereinigungsrechtliche Element überwiege.“ In den gleichen Sitzungen bekräftigte die Gemeinsame Konferenz, dass „der Pfarrgemeinderat, der bekanntlich auch Aufgaben eines Pfarrpastoralrates hat, gegenüber dem im Codex aufgeführten Pfarrpastoralrat (...) ein aliud, wenn auch kein totaliter aliud sei“. Der Ständige Rat der DBK hat in seiner Sitzung am 24.4.2006 an seinen früheren Beurteilungen ausdrücklich festgehalten.

Seit der Gemeinsamen Synode in Würzburg, die im November 1975 zu Ende ging, bestehen also in Deutschland auf den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens Räte des Laienapostolats, die in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen erfolgreich ihre Aufgaben erfüllen. Ihre konkreten und im Detail auch unterschiedlichen Satzungen wurden jeweils von den Räten im Einvernehmen mit den Ortsbischöfen erarbeitet und nach dem Beschluss durch die Laiengremien von den Bischöfen auch amtlich in Kraft gesetzt. Da in der DDR durch die politischen Umstände im öffentlichen Raum keine eigenständige katholische Laienarbeit möglich war, konnte die etwa zeitgleich mit der Würzburger Synode in Dresden tagende Pastoralsynode der Jurisdiktionsbezirke in der DDR auch keine entsprechenden Beschlüsse fassen. Daher wurden nach 1990 auch in den östlichen Diözesen Katholikenräte nach dem Würzburger Modell errichtet. Die Würzburger Synode hat durch ihren Beschluss „Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche“ die Tradition des sich seit 1848 entwickelnden deutschen Laienkatholizismus bewahrt und im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils weiter entwickelt. Damit hat sie die Grundlage gelegt für eine in Europa in ihrer Breite wie in ihrer Intensität beispiellose Aktivität der Laien, die für die öffentliche Wirkung der Katholischen Kirche in Deutschland von herausragender Bedeutung ist. Davon zeugen nicht zuletzt die regelmäßigen Katholikentage, zu denen auch eine große Zahl von Kardinälen und Bischöfen aus dem In- und Ausland zu kommen pflegt.

Im Jahre 2005 feierten die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken das dreißigjährige Jubiläum des Abschlusses der Würzburger Synode. Im gleichen Jahr setzte sich der Bischof von Regensburg über die erst 2001 von seinem Amtsvorgänger Bischof Manfred Müller in Kraft gesetzte überarbeitete Satzung des Diözesanrates zunächst hinweg und hob sie dann auf. Begonnen hatte der Konflikt damit, dass der Bischof von Regensburg in die Satzung und in die Wahlordnung für die Pfarrgemeinderäte neben der Anforderung an die Kandidaten, ein Leben zu führen,„das dem Glauben und dem zu übernehmenden Dienst entspricht“ noch einfügte, deren Auffassungen müssten „im Einklang (...) mit der Lehre und den Grundsätzen der katholischen Kirche“ stehen. Diese Bestimmung hatte die Gemeinsame Synode ausdrücklich verworfen, weil sie für eine einseitige Deutung und Bewertung jeder kritischen oder auch nur eigenständigen Auffassung missbraucht werden könnte. Diese Rechtsänderungen nahm der Bischof von Regensburg einseitig vor, obwohl die damals geltende Satzung für die Pfarrgemeinderäte im Artikel XIV, Absatz (1) dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Diözesanrates der Katholiken erfordert hätte. Als der Vorsitzende des Diözesanrates in einer mündlichen Erklärung vor dem Hauptausschuss und in einem Schreiben an die Mitglieder des Diözesanrates zu dem einseitigen Vorgehen des Bischofs Stellung nahm und auch seine menschliche Enttäuschung darüber zum Ausdruck brachte, teilte ihm der bischöfliche Kaplan mit, er besitze nicht mehr das Vertrauen des Bischofs und sei seinem Auftrag nicht gerecht geworden. Am 15.11.2005 schaffte der Bischof dann den Diözesanrat ab, ohne dessen Vollversammlung auch nur anzuhören, obwohl sie jeder Änderung der Diözesanratssatzung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit hätte zustimmen müssen.

Dieses Vorgehen des Bischofs von Regensburg habe ich in meiner Eigenschaft als Präsident des ZdK als „Rechtsbruch“ bezeichnet. Der Vorsitzende der Bayerischen Bischofskonferenz, Kardinal Friedrich Wetter, der bekanntlich mit dem Katholikenrat der Erzdiözese München-Freising, wie bereits sein Amtsvorgänger, stets vertrauensvoll zusammen arbeitet, hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Begriff, der im juristischen Sinne neutral ist, „einseitig in einem moralischen Sinne interpretiert“ werden kann. Daher will ich den Vorgang inhaltlich bewerten: Der Bischof von Regensburg hat durch seinen Umgang mit dem Regensburger Diözesanrat und dessen Satzung die durch die Würzburger Synode geschaffene rechtliche Gemeinsamkeit verlassen, die bis dahin – trotz gewisser Differenzen im Detail – in allen deutschen Bistümern für die Beziehung zwischen dem Bischof und der gewählten Repräsentation des Laienapostolats bestand. Überdies unterscheidet sich das inzwischen vom Regensburger Bischof neukonstituierte Diözesankomitee von allen anderen diözesanen Laienräten in seiner Zusammensetzung wie in seiner Rechtsstellung. Ganz generell führt das Vorgehen des Bischofs von Regensburg zu der Frage, welche Stellung die Laien im Volke Gottes nach seiner Meinung haben und wie mit ihnen als mündigen Christen und erwachsenen Menschen umzugehen ist. Der Bischof bestand nämlich auf folgendem Satz in den Satzungen der Laienräte: „Die Anwendung dieser Satzung steht unter dem Vorbehalt, dass die freie Ausübung der dem Diözesanbischof nach göttlichem Recht (jure divino) zukommenden ordentlichen, eigenberechtigten und unmittelbaren geistlichen Gewalt gewahrt bleibt.“ Man könnte dies für die Betonung einer Selbstverständlichkeit halten. Denn göttliches Recht kann durch kein menschliches Recht geändert oder eingegrenzt werden. Dennoch wäre es hilfreich zu wissen, welchen Stellenwert Bischof Gerhard Ludwig Müller der Verlässlichkeit rechtlicher Regelungen für das partnerschaftliche Zusammenwirken von Bischöfen, Priestern und Laien zumisst oder ob er meint, grundsätzlich über diesen Normen zu stehen.

Die römischen Schreiben und Dekrete lassen die Art der Regensburger Argumentation erkennen

Inzwischen werfen römische Schreiben und Dekrete ein eigenes Licht auf die Regensburger Vorgänge. Diese wurden einerseits durch Initiativen des Bischofs, andererseits durch Beschwerden einzelner katholischer Laien ausgelöst, wobei diese nicht vom ZdK veranlasst worden waren. In beiden Fällen lassen die römischen Schreiben und Dekrete die Art der bischöflichen Argumentation erkennen. Schon am 29. April 2005 hatte der damalige Generalvikar Wilhelm Gegenfurtner die Behauptung aufgestellt, es handele sich „bei unseren Räten in der Diözese Regensburg um eine Kombination von Pastoralrat und einem Diözesankomitee der Verbände.“ In der Tat hatten die Amtsvorgänger des gegenwärtigen Bischofs von Regensburg keinen Diözesanpastoralrat eingerichtet. Das Dekret der Kleruskongregation vom 10. März 2006 geht nun unter c) davon aus, dass „ein neues Statut für den Diözesanpastoralrat nach Maßgabe der cann. 511 – 514 CIC“ erlassen und „zum gleichen Zeitpunkt (...) der Diözesanrat der Katholiken in der Diözese Regensburg aufgelöst“ wurde. Dem liegt ganz offensichtlich die Regensburger Behauptung zugrunde, der Katholikenrat sei ein Pastoralrat gewesen. Durch diese Fiktion kann das CIC zur Geltung kommen, während die Grundlage des Katholikenrates im Würzburger Synodenbeschluss ignoriert wird. Anders gesagt: Das Dekret zielt voll daneben, denn die Errichtung des Regensburger Diözesanpastoralrates ist ja nicht strittig. Zwar erklärt das Dekret generell: „Da die Beschlüsse der Gemeinsamen Synode der Promulgation des Codex des kanonischen Rechts von 1983 zeitlich vorausgehen, sind diese aufgehoben (can. 5 §1 CIC)“. Das CIC gibt jedoch in den cann. 511 – 514 nur einen Gestaltungsrahmen für die diözesanen Pastoralräte vor. Es enthält aber keine Normen über Räte des Laienapostolats, wie sie im Würzburger Synodenbeschluss grundgelegt sind. Eine universale Norm kann aber eine partikulare Norm nur aufheben, wenn beide das gleiche Gebiet regeln. Schließlich verweist das Dekret auf Art. 5, § 5 der Instruktion Ecclesia de mysterio“ (die so genannte Laieninstruktion). Diese hat aber mit der zu entscheidenden Sache überhaupt nichts zu tun. Denn in der Instruktion geht es nicht um Laienräte, sondern um von Ordinariaten eingesetzte „Studien- oder Expertengruppen für besondere Fragen“, die keine „Parallelorgane“ zu Priester- oder Pastoralräten sein sollen. Damit können wir zusammenfassend feststellen: Das Dekret der Kleruskongregation sagt nichts darüber aus, ob die Auflösung des Regensburger Diözesanrates rechtmäßig war. Es hält sich vielmehr an die Regensburger Selbstdarstellung, geht also von der Annahme einer rechtlichen tabula rasa aus und bescheinigt dem Bischof von Regensburg, dass sein Diözesanpastoralrat und sein Diözesankomitee dem CIC entsprechen. Das ist aber gar nicht der Streitpunkt. In vielen Bistümern der Welt wäre ein solches Diözesankomitee wahrscheinlich ein Fortschritt. In Deutschland negiert seine Errichtung nicht nur die Gemeinsame Synode, sondern auch eine mehr als 150-jährige Geschichte des deutschen Laienkatholizismus.

Noch weniger kann sich der Bischof von Regensburg bei seinem Vorgehen gegen den Diözesanrat der Katholiken auf das Dekret der Apostolischen Signatur vom 9.2.2007 berufen. Denn dieses wiederholt zwar Argumente aus dem Dekret der Kleruskongregation, stellt aber vorab klar, dass „es nicht Aufgabe dieses Obersten Gerichtes ist, über die neuen vom Hochwürdigsten Herrn Bischof von Regensburg erlassenen Statuten oder über deren Promulgation zu entscheiden“. Was bei beiden Dekreten überrascht, ist die Art der Entscheidungsfindung. Auch wenn das kanonische Recht nicht mit den Maßstäben des weltlichen Rechts gemessen werden kann, so sollte es doch im eigenen Interesse rechtsfindender Instanzen liegen, das alte Prinzip „Audiatur et altera pars“ nicht so eklatant zu ignorieren. Welcher Art die Regensburger Informationen sind, lässt sich aus dem Antwortschreiben des früheren Präfekten der Kleruskongregation, Kardinal Castrillón Hoyos, vom 30. 8. 2005 ersehen, in dem er dem Regensburger Bischof für dessen Initiative dankt, dass die „Freisinger Bischofskonferenz (...) die Satzungen für die kirchlichen Räte in ihrer Handlungsweise und Struktur gemäß den Normen des im Jahre 1983 veröffentlichten Codex des kanonischen Rechts auf den heutigen Stand zu bringen“ beabsichtige. Bekanntlich ist Bischof Müller mit seiner Initiative in der Bayerischen wie in der Deutschen Bischofskonferenz bisher allein geblieben. Allerdings meinte Dirk Hermann Voß in der Katholischen SonntagsZeitung vom 18./19.11.2006 ein Ende der „Protestantisierung seit der unseligen Würzburger Synode“ ausrufen zu sollen. Und im deutschen Feuilletonkatholizismus findet sich mehr als eine Feder, welche die Abneigung gegen die Würzburger Synode ziemlich offen auch gleich auf das Zweite Vatikanische Konzil erweitert.

Was ist der Ausweg aus diesem Dilemma, das die Katholische Kirche in Deutschland unnötig belastet? Vor dem ZdK stehen eine Fülle von wichtigen Aufgaben, nicht zuletzt der 97. Deutsche Katholikentag und der 2. Ökumenische Kirchentag. Im Übrigen sind die Delegierten des neuen Regensburger Diözesankomitees Mitglieder des ZdK, obwohl ihr Bischof nun schon im zweiten Jahr seinen Anteil an dessen Finanzierung zurückhält. Das ZdK hält sich aber aus Prinzip strikt an die Bestimmungen seines von der Bischofskonferenz bestätigten Statuts. Ein Gesprächsangebot des Präsidiums des ZdK an Bischof Müller liegt seit längerer Zeit auf dem Tisch. Da könnte ein neuer Brief aus Rom, diesmal vom Sekretär der Glaubenskongregation, Erzbischof Angelo Amato, eine Tür öffnen. Zwar hält der Regensburger Generalvikar auch dieses Schreiben für eine Bestätigung seiner Position und einige Medien haben ihm das abgenommen, doch kann dieser Eindruck nur auf einem sehr flüchtigen Lesen beruhen. Eingangs bestätigt Erzbischof Amato dem Regensburger Bischof, er habe „selbst von der Reform“ berichtet, „die Sie im Bistum Regensburg durchgeführt haben, um die diözesanen Regelungen voll und ganz mit den Anforderungen der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils und den Bestimmungen des Codex Juris Canonici von 1983 in Einklang zu bringen“. Was Regensburg als Zustimmung feiert, ist nichts anderes als eine Wiederholung der Ausführungen von Bischof Müller.

Darauf folgt die unverbindliche Formel, die Glaubenskongregation sei dem Bischof „für seinen Einsatz in dieser Sache (...) sehr dankbar.“ Eine Zustimmung sieht anders aus. Aber dann wird Erzbischof Amato konkret. Er bittet Müller nämlich „zugleich“, seine Erfahrungen „auf Ebene der bischöflichen Gremien in einer Weise in die Diskussion einzubringen, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Sakramentalität der Kirche und den sich daraus ergebenen pastoralen Konsequenzen fördert, gerade auch im Blick auf das traditionsreiche System des deutschen Laienkatholizismus.“

In der Tat: Was Bischof Gerhard Ludwig Müller gemacht hat, ist, erstens, ein Alleingang in der Katholischen Kirche Deutschlands. Und es steht, zweitens, nicht im Einklang mit dem traditionsreichen System des deutschen Laienkatholizismus. Denn dieser hat seine weiterhin gültige Ausformung durch die Würzburger Synode erfahren. Bischof Müller sollte dem Rat Erzbischof Amatos folgen und das Gesprächsangebot des ZdK annehmen. Nur wenn wir uns ohne Vorbedingungen an einen Tisch setzen, können wir Wege finden, die aus dem Konflikt herausführen. Die „bischöflichen Gremien“ würden dies gewiss unterstützen. 

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