Der Geistliche Gesang des Johannes vom KreuzAuf die Schönheit der Welt

Lyrik vermag, durch poetische Sprache das Unsagbare mitzuteilen: eine gelungene neue Übersetzung des „Geistlichen Gesangs“ von Johannes vom Kreuz.

Der „Cántico espiritual“ gehört zu den großen spanischen Dichtungen der Weltliteratur und zu den Klassikern christlicher Mystik. Fast neun Monate – zwischen dem 3. Dezember 1577 und dem 16. August 1578 – hatte Johannes vom Kreuz in der Folterhaft seiner reformunwilligen Mitbrüder in Toledo aushalten müssen. In dieser Dunkelkammer des Glaubens entstanden beim Schüler und Lehrer Teresas von Avila besondere Liebesgedichte – ganz im Sprach- und Bildraum des biblischen Hoheliedes, voller Schönheit und Diskretion.

Ohne auch nur ein einziges Mal das Wort „Gott“ zu bemühen, sprechen die canciones nur von ihm. Alles erzählt poetisch vom intimen Zwiegespräch zwischen Gott und Mensch, zwischen Bräutigam und Braut. Diese 31 Strophen, die den Grundstock des „Cántico espiritual“ bilden, werden von Juan de la Cruz nach seiner Befreiung auf 39 erweitert und für die Schwestern des Karmel kommentiert. So entsteht die sogenannte „Fassung A“ dieses geistlichen Klassikers – abgeschlossen 1584, vor zwanzig Jahren vollständig neu ins Deutsche übertragen und als Taschenbuch gut zugänglich. Johannes arbeitete weiter an Gedicht und Kommentar, und so entstand bis Mitte 1586 die „Fassung B“ mit vierzig Strophen und (erneut unvollendetem!) Kommentar. Diese Zweitfassung liegt hier von zwei bewährten Mitgliedern des Karmeliterordens neu übersetzt vor, ebenfalls trefflich mit Glossar und Kommentar erschlossen und mit einer melkitisch-orientalischen Johannes-Ikone einladend illustriert.

Schon die Textgeschichte zeigt beispielhaft das ständige Ringen des Mystikers, das Unsagbare doch sprachlich zu vermitteln. Die poetische Rede und der Gesang kommen dem Unglaublichen noch am nächsten; die Kommentare in Prosa müssen Fragment bleiben. Denn nicht zu fassen ist das Geheimnis des Glaubens und seiner Mystik. Die Erstfassung ist lyrischer, frischer, spontaner, die zweite, längere geordneter, vollständiger, inhaltsreicher – beide unschätzbar in ihrer spirituellen wie sprachlichen Originalität, unerschöpflich als geistliche Anregung und Begleitung. Nicht zufällig zitiert Papst Franziskus gerade in seiner Sozialenzyklika „Laudato si’“ aus diesem wunderbaren Sonnengesang auf die Schönheit der Welt im Lichte der göttlichen und menschlichen Liebe. Der Gesang wurde mitten aus Gefängnis und Unrecht heraus verfasst.

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