Auf dem Weg zu einer EU-Verordnung zu KonfliktrohstoffenEuropas blutige Handys

Die Flüchtlingskrise rückt auch Afrika neu in das Blickfeld Europa. Als billiger Rohstofflieferant ist der Nachbarkontinent willkommen, aber nur wenn faire Wettbewerbsbedingungen herrschen, wird auch die junge Generation in Afrika bleiben. Das Beispiel Kongo zeigt dies auf dramatische Weise.

Rohstoffausbeutung im Kongo: von Europa mitfinanziert
Neue Flüchtlingsströme aus Afrika: Wie Europa die Ausbeutung von Rohstoffen im Kongo mitfinanziert.© KNA-Bild

Seit der finstersten Zeiten des sogenannten Kongo-Freistaats (1885-1908) bis zur postkolonialen Demokratischen Republik Kongo der Gegenwart lag und liegt der Fluch des Rohstoffreichtums über dem Land. Die Gewinne gehen immer noch zum größten Teil in den Norden der Welt, während die meisten Menschen vor Ort immer tiefer ins Elend gerissen werden. Was auch immer für diesen Mechanismus verantwortlich ist: Dieses Unrecht schreit zum Himmel. Über Jahre und Jahrzehnte verbessert sich die Situation vor Ort im Kivu, einer Region im Osten des Kongo, nicht – für langjährige Beobachter ist es schwer, zusehen zu müssen, wie eine ganze Gesellschaft in der Agonie verharrt, wie die Armen in ihrem Unheil festgenagelt bleiben und ganze Generationen ihrer Lebenschancen beraubt werden.

Selbst ein UN-Bericht sprach schon im April 2001 von der „illegalen Ausbeutung von Rohstoffen in der DR Kongo“. Damals war freilich der „Erste Weltkrieg in Afrika“ im Kongo noch nicht ganz zu Ende. Ruanda und Uganda hielten große Teile des Ostens der DR Kongo unter militärischer Besetzung. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass auch heute noch ein erheblicher Teil des Exports aus den rohstoffreichen Ostprovinzen des Kongo über Kigali läuft, die Hauptstadt Ruandas. In einer völlig unübersichtlichen Anzahl von Orten werden im Tagebau und teilweise auch in improvisierten Minen mit einem Minimum von Investitionen und unter lebensgefährlichen Bedingungen mit minimalem Arbeitsschutz Rohstoffe abgebaut, von denen viele als „seltene Erden“ und in den Industrieländern als strategisch wichtige Rohstoffe gelten. Nur im Ausnahmefall kann der Staat die Exporte besteuern. Milizen dagegen, die an den Orten das Sagen haben, treiben gnadenlos ihren Anteil ein.

Seit Jahren wird um Handlungsansätze gerungen, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen, in der Milizen und auch Teile der Armee von den Rohstoffen den Profit absahnen und teilweise wieder in Waffen investieren. Eines ist klar: Die Überführung der mafiösen Rohstoffbewirtschaftung in der DR Kongo in eine wohlfahrsorientierte Extraktions- und Exportwirtschaft ist der Schlüssel für Entwicklung und Frieden. Ohne die Transformation der Konflikt- in eine Friedensökonomie kommt der Kongo nicht vom Fleck. Das wissen die kongolesischen Nichtregierungsorganisationen, die großen Kirchen im Lande und die internationalen Akteure. Selbst die Regierung in Kinshasa weiß es.

Engagement von Nichtregierungsorganisationen in Deutschland

Die im UN-Bericht von 2001 angesprochene Illegalität der Rohstoffexporte, so zeigte sich im Nachhinein, ist rechtlich leider nur schwer greifbar zu machen. Wohl gibt es OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen, Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), völker- und menschenrechtliche Normen, mit denen sich das Unheil anprangern lässt. Wer jedoch konkrete Schuld und Täter benennen und die Verantwortungspflicht der Industriestaaten mit diesen Instrumenten geltend machen will, muss nicht nur professionell vor Ort recherchieren, sondern auch fundierte Verfahrens- und Rechtskompetenzen mitbringen. In Deutschland ist etwa die Clearing-Stelle für Klagen im Rahmen der OECD-Leitlinien im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt. Wie sich gezeigt hat, ist eine Klage an diesem Ort gegen eine deutsche Firma, die im Rohstoffgeschäft mit dem Kongo mitgespielt hat, selbst im Verbund von Nichtregierungsorganisationen zu kompliziert.

2001 ahnte jedoch der Coltan-Weltmarktführer H.C. Starck, eine Bayer-Tochterfirma, die Gefahren durch Imageschaden und versprach auf Anfrage, keinen Rohstoff mehr aus dem Kivu beziehen zu wollen. Coltan enthält Tantal, das unter anderem in den Kondensatoren von Handys verarbeitet ist. Die Lage blieb aber unübersichtlich. Selbst einige kongolesische Partner wandten sich gegen Boykottforderungen und wiesen auf die lebenswichtigen Interessen der zahllosen Kleinschürfer hin.

Das Engagement von Nichtregierungsorganisationen in Deutschland, unter anderem über das Ökumenische Netzwerk Zentralafrika (ÖNY), trug jedoch dazu bei, dass sich die Bundesregierung hier unter Druck fühlte. Über die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ließ sie eine Fingerprint-Methode zum Herkunftsnachweis von Coltan entwickeln und exemplarische zertifizierte Abbau- und Handelsketten für einzelne Minen in der Region der Großen Seen aufbauen. Dies zog sich über beinahe zehn Jahre hin, doch heute lassen sich einige Minen im Osten des Kongo zertifizieren. Es gibt erste, hoffnungsvolle Anzeichen, dass ein ganz neuer Markt für internationale Akteure mit „sauberen“ Rohstoffen entstehen könnte.

Das kongolesische Parlament hatte übrigens selbst eine Kommission zu einer Neuordnung des Rohstoffsektors im eigenen Land eingesetzt, die 2005 einen sehr kritischen Bericht zu den skandalösen Besitzverhältnissen im Rohstoffsektor veröffentlicht hat. Leider verschwand der sogenannte Lutundula-Bericht im Konflikt zwischen der unfähigen Regierung und dem kongolesischen Parlament in der Schublade. Auch die katholische Bischofskonferenz nahm sich des Problems an und schuf auf nationaler und diözesaner Ebene Kommissionen, die sich mit dem Zusammenhang von Rohstoff­ökonomie, Entwicklung und Frieden beschäftigen. Die „Bischöfliche Kommission für die natürlichen Ressourcen“ (Commission Episcopale pour les Ressources naturelles, http://cern-cenco.cd) meldet sich durchaus auch kritisch zu Wort.

Wichtig ist vor allem, dass die Handelswege transparent gestaltet werden. Ausgerechnet die USA haben 2010 mit dem Dodd-Frank-Act Bewegung in die Debatte gebracht. Nach diesem Gesetz müssen Kunden mit einer Information auf den Endprodukten auf die Herkunft der verwendeten Rohstoffe aus dem Kongo (conflict minerals) aufmerksam gemacht werden.

Während die kongolesische Regierung darin eine diskriminierende Einmischung in innere Angelegenheiten sieht, haben EU-Institutionen angefangen, ihre Mühlen in Gang zu setzen um eine effektive Rohstoffzertifizierung auf die Beine zu stellen. Sie reagieren damit nicht zuletzt auf die jahrelange Lobby-Arbeit, unter anderem über die Brüsseler Büros von afrikaengagierten Nichtregierungsorganisationen sowie der Europäischen Bischofskonferenz (CIDSE).

Nach einer relativ defensiven Vorlage aus der EU-Kommission hat sich eine Gruppe von EU-Abgeordneten von der amerikanischen Vorlage inspirieren lassen und tatsächlich 2015 einen überarbeiteten und weitreichenden Textentwurf Verordnung zur Eindämmung des Handels mit Konfliktrohstoffen durch das EU-Parlament gebracht. Seit dem 1. Februar 2016 wird der genaue Text der Verordnung im sogenannten Trilog zwischen europäischem Parlament, der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten ausgehandelt. Als Konfliktmineralien gelten laut dem Entwurf Gold, Tantal, Wolfram und Zinn, die unter anderem in Staaten Afrikas wie der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Burundi abgebaut werden. Deutschland und Schweden gehören, so heißt es, zu den wenigen Staaten, die sich für eine weitreichende Regulierung im Sinne des vorliegenden Textentwurfs einsetzen. Der Afrikabeauftragte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Günter Nooke, bezeichnete ihn als einen „guten, tragfähigen Kompromiss“.

Kontrovers ist vor allem die Frage der Rechtsverbindlichkeit und das Ausmaß der Zertifizierung. Das den Grünen nahestehende „Öko-Institut“ hat in einer kuriosen Kooperation mit dem Bund der deutschen Industrie (BDI) eine Studie herausgebracht, die sich für nachhaltige Kontrollmechanismen im Bereich zwischen Abbau und Schmelze (upstream due diligence) ausspricht, die Kontrolle über den Weg von der Schmelze bis zu den Endverbrauchern (downstream due diligence) allerdings für kontra­produktiv hält. Der Arbeitskreis Rohstoffe in Berlin, ein informeller Zusammenschluss von Vertretern von Nichtregierungsorganisationen (unter anderem das Ökumenische Netz Zentralafrika), hält dagegen die Zertifizierung entlang der gesamten Handelskette für entscheidend.

Geht es nur um Gewissensberuhigung, weil es dem Endverbraucher unangenehm ist, wenn sie oder er mit dem Kauf seines Mobiltelefons die Waffenkäufe einer Miliz im Kongo mitfinanziert? Natürlich nicht – vielmehr geht es um gelebte Verantwortung. So wie man sich bei einem „Rugmark“-zertifizierten Teppich darauf verlassen darf, dass er nicht durch Kinderarbeit hergestellt wurde, so werden damit hoffentlich eines Tages die großen Anbieter Handys in ihrem Sortiment führen, deren Kauf Krieg und Konflikt im Kongo nicht befeuert. Das Zeitfenster für eine EU-weite Verordnung in diesem Sinn darf nicht ungenutzt verstreichen!

Deswegen muss jetzt Druck gemacht werden. Eine freiwillige Übereinkunft der Industrie reicht nicht aus. Technisch ist es im Zeitalter von Strichcodes und GPS kein Problem, den Handelsweg einer Marge etwa mit dem Übergangsmetall Tantal für die Handy-Produktion von der Mine bis zur Schmelze, von den lokalen Märkten zum Weltmarkt zu kontrollieren. Keiner soll Tantal aus dubiosen Quellen verhökern können!

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