EditorialEigentor!

Die Gefahr, ein Eigentor zu produzieren, scheint vor allem dann groß, wenn man sich zu sehr mit anderem beschäftigt. Mit dem, was neben dem Platz passiert, was nicht zum Kerngeschäft gehört.

Nach dem Aus für Österreich ist diese Fußball-Europameisterschaft nun auch für die deutsche Mannschaft bereits Geschichte. War es nur Pech? Oder lag es auch daran, dass das Team versucht hat, mit dem zweifellos erfolgreichen Fußball von gestern die Zukunft zu gewinnen? Damit wäre in erster Linie der Trainer angefragt. Hat es Joachim Löw verpasst, sich rechtzeitig und würdevoll zurückzuziehen – und es so seinem Nachfolger und einem wirklichen Projekt „Neuaufbau“ unnötig schwer gemacht?

All diese Fragen werden in ein paar Monaten vergessen sein. Denn schon nächstes Jahr, bei dem in vielerlei Hinsicht zweifelhaften Turnier in Katar, können alle Teams einen neuen Anlauf nehmen. Was wohl längerfristig in den Fußball-Geschichtsbüchern vermerkt wird: Dies ist die EM der Eigentore! Mit dem Achtelfinale hat es neun Eigentore gegeben. Das ist eine unglaubliche Zahl. Bei der letzten EM gab es am Ende nur drei Eigentore. Und selbst wenn man die letzten fünf (!) Turniere von 2000 bis 2016 betrachtet, kommt man auf nur sieben Own Goals insgesamt.

Nun sind wir kein Fußballmagazin. Von daher soll es hier nicht um die sportliche Analyse gehen, sondern darum, ob es das „Phänomen Eigentor“ auch in anderen Zusammenhängen gibt, ob es womöglich in einem umfassenden Sinn für unsere Zeit steht. Und tatsächlich: Wer einmal auf die Suche nach „Eigentoren“ geht, findet sie vielerorts: Da ist eine Kanzlerkandidatin, die ihren Lebenslauf frisiert, um besser dazustehen. Aber zack, fängt sie sich damit einen klassischen Konter ein. Plötzlich bekommt der politische Gegner die „zweite Luft“. Eigentor! Oder, uns hier näherliegend, natürlich die Außendarstellung der Kirchen: Da wird in Hochglanzbroschüren und Beratungsagenturen investiert, da werden neuerlich sogar Rücktritte angeboten – geballte Offensive, möchte man meinen. Aber am Ende zählt, was Adi Preißler unnachahmlich formulierte: „Entscheidend is’ auf’m Platz.“ Auf’m Platz aber, in allen Umfragen und Statistiken, belegen die Kirchen die letzten Plätze, etwa was das Vertrauen der Gesellschaft angeht. Die Menschen treten in Scharen aus oder wenden sich innerlich ab.

Wenn man es so betrachtet, liegt das Fazit auf der Hand. Die Gefahr, ein Eigentor zu produzieren, scheint vor allem dann groß, wenn man sich zu sehr mit anderem beschäftigt. Mit dem, was neben dem Platz passiert, was nicht zum Kerngeschäft gehört. Was das im jeweiligen Lebensbereich bedeutet, muss jeder selbst herausfinden. Ansonsten ist zu beherzigen, was ein ehemals Großer des Fußballs so formuliert hat: Geht’s raus und spielt’s Fußball.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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