Das Heilige kommt vor „Gott“

Die Kirchen haben die „Dimension des Heiligen“ zu sehr vernachlässigt. Damit haben sie nach Einschätzung des Heiligenkreuzer Zisterzienser-Paters Karl Wallner „sehr große Schuld“ auf sich geladen. In einem Interview mit der Wiener Wochenzeitung „Die Furche“ bedauerte der Nationaldirektor des österreichischen „Missio“-Hilfswerks: „Wir reden nicht über Gott, wir werden nicht mit Gott und der Botschaft, die Christus gebracht hat, identifiziert.“ Man gewinne Menschen jedoch nicht dadurch, „dass man ihnen manipulativ etwas aufs Aug’ drückt, sondern man gewinnt sie dadurch, dass man Zeugnis davon gibt, dass man in diesem Glauben an Jesus lebt und darin glücklich ist“.

Wallner erinnert an den Religionsphilosophen Rudolf Otto (1869–1973), der davon überzeugt war, dass die „Kategorie des Heiligen tiefer in uns verwurzelt ist als der Begriff Gott“. Das zeige sich auch bei Jesus. Die Menschen seien ihm „nicht nachgelaufen, weil sie dort eine sozialethische Lehre gehört haben, sondern weil er gesagt hat: ‚Steh auf, nimm deine Bahre und geh.‘ Weil er gesagt hat: ‚Deine Sünden sind dir vergeben‘ und weil das, was er gesagt hat, gedeckt war durch sein Leben“.

Wallner fragt, warum die Menschen wohl gerade zu Weihnachten in die Kirche gehen: „Nicht, damit sie mit irgendwelchen moralischen Forderungen konfrontiert werden, sondern weil sie eine Gänsehaut bekommen, wenn die Trompeten erklingen und ‚O du fröhliche‘ oder ‚Stille Nacht‘ erklingt.“ Es sei eine zutiefst menschliche Erfahrung, durch das Göttliche, Heilige berührt zu werden.

Diese Dimension müsse in der Verkündigung wie Glaubenspraxis wiedergewonnen werden. Wallner erwähnt Paulus, der gemäß dem ersten Thessalonicherbrief (2,8) sagt: „Wir … wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden.“ Es gehe im Christentum nicht um ein Dogmen- oder Moralsystem, sondern um Jesus Christus. Entsprechend habe der Engel im Lukasevangelium nicht gerufen: „Ich verkünde euch ein großes Problem“, sondern: „Ich verkünde euch eine große Freude.“ Das sei der Eröffnungsruf für das Christentum.

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