Eltern erfinden GeschichtenEs war einmal ein kleiner Ritter

Kinder lieben selbst erfundene Abenteuer. Geschichten erzählen ist keine schwierige Kunst, sondern leicht zu lernen

Es war einmal ein kleiner Ritter…
Kinder lieben Geschichten aus fremden Welten © Imgorthand - gettyimages

Findet der kleine Kater wieder nach Hause? Papa, bitte erzähl doch …“ Eigentlich hat sich der Vater von Lia und Tim schon mit dem Gutenachtkuss verabschiedet, doch die beiden brennen auf ein neues Abenteuer von Kater Mautz. Den haben sich Eltern und Kinder gemeinsam ausgedacht und schicken ihn jeden Abend in die Welt hinaus. Denn das Schöne am Geschichtenerzählen ist, dass es allen Beteiligten Freude bereitet und dabei viel Nähe schafft. Und das ohne großen Aufwand.

Damit Ihr Kind möglichst entspannt und ohne Ablenkung Ihrer Geschichte lauschen kann, empfiehlt sich eine ruhige Umgebung und genügend Zeit. Ideal ist die halbe Stunde vor dem Einschlafen. So kommt der Nachwuchs nach einem ereignisreichen Tag zur Ruhe und erlebt eine intensive Phase mit Ihnen, bevor es ins Reich der Träume geht. Aber auch am Wochenende oder während langer Auto- und Zugfahrten finden sich Zeitfenster für erfundene Abenteuer.

Die Hürde für Selbsterdachtes ist gar nicht so hoch. Für den Anfang reicht es oftmals, sich im Kinderzimmer umzusehen. Da liegt der Lieblingsplüschlöwe mitten auf dem Teppich? Prima, dann gibt es ja schon eine Hauptfigur: Löwe Leo. Und der will endlich seine Großeltern in Afrika besuchen, Ihr Kind fährt mit. Schon packen die beiden ihren Koffer und machen sich auf den Weg zum Hafen, als auf einmal …

Ins Erzählen kommen

Stoff für Geschichten bieten auch aktuelle Ereignisse aus dem Familien- oder Kita-Alltag. Das Feuerwehrauto, das heute laut hupend vorbeifuhr, der Besuch beim Kinderarzt oder der Ausflug in den Wald können Auftakt oder Hauptbegebenheit Ihrer Erzählung werden.

Im Dialog macht es sogar noch mehr Spaß, beziehen Sie Ihr Kind beim Ausdenken mit ein. Will es vielleicht die Hauptfigur sein? Womit setzt es sich gerade auseinander? Oder Sie bitten es darum, drei Gegenstände zu nennen, die in der Geschichte vorkommen müssen. Schon haben Sie Stichworte für einen Plot, der sich etwa um Hundehütte, Badehose und Luftballon dreht. Bitten Sie Ihr Kind immer wieder auch um stimmliche Mithilfe: Der Zauberspruch gegen Monster wirkt nur, wenn man ihn zu zweit vorträgt, und die Fee kommt erst ins Zimmer geflogen, wenn sie ein bestimmtes Lied hört. Die volle Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer sichern Sie sich außerdem, wenn Sie sie hin und wieder über den Fortgang der Geschichte entscheiden lassen: Kehren die beiden Ausreißer schon nach Hause zurück oder reiten sie noch auf einem Kamel durch die Wüste? Wenn Ihnen gerade einmal die Einfälle ausgegangen sind, liefert Ihr Kind sicher schnell den nächsten Satz. Dann sind Sie wieder dran und schon geht es weiter. So kann ein ziemlich lustiger Mix zustande kommen!

Bemühen Sie sich um altersgerechtes Erzählen. Bei kleineren Kindern sollten die Geschichten eher kurz und kaum aufregend sein, keine Zeitsprünge und nur wenige Figuren enthalten. Ältere Kinder freuen sich über vielschichtige Erzählungen mit einigen spannenden und traurigen Elementen – die am Ende aber unbedingt aufgelöst werden. Vielleicht hat sogar Ihr Kind die zündende Idee für ein Happy End? Fragen Sie nach und bauen Sie den Vorschlag in die Erzählung ein. Ein gutes Ende sorgt bei Ihrem Kind für die Erkenntnis, dass Probleme bewältigt werden können. Es wird beruhigt einschlafen und sich bestimmt schon auf die nächste Erzählzeit freuen.

kizz sprach mit Cordula Carla Gerndt, Geschichtenerzählerin aus München, www.geschichtenpraxis.de

„Kinder haben immer Ideen“

Gibt es eine Sorte von Geschichten, die bei allen Kindern gut ankommt?

Kinder lieben alle Arten von Tiergeschichten, egal ob mit Känguru, Affe, Regenwurm oder dem eigenen Haustier. Unterschiedliche Tiere bieten hervorragende Charaktertypen mit viel Identifikationsspielraum. Außerdem haben Kinder sehr viel Spaß an Quatschgeschichten. Wenn immer wieder dasselbe Missgeschick passiert oder wenn eine Figur ständig Blödsinn macht, darüber lachen sie sich kringelig.

Sind abgeschlossene Geschichten oder Fortsetzungen geeigneter?

Die jeweilige Geschichte sollte ein Ende finden, aber natürlich darf der Erzähler/ die Erzählerin noch einen „Cliffhanger“ setzen und verraten, dass hinter der nächsten Ecke schon wieder ein Abenteuer wartet. Eine Gutenachtgeschichte würde ich in jedem Fall abrunden, damit sowohl die Figuren als auch das Kind am Ende zur Ruhe kommen.

Was sind die wichtigsten Tipps für erzählende Eltern?

Erzählen Sie immer etwas, das Ihnen selbst Freude macht. Ihre Begeisterung, Ihr Humor, Ihre inneren Bilder übertragen sich auf die zuhörenden Kinder. Und befreien Sie sich von dem Anspruch, eine perfekte Geschichte erzählen zu müssen. Wenn Sie an einer Stelle nicht weiterwissen, fragen Sie die Kinder nach der Fortsetzung – die haben immer Ideen! Am allerwichtigsten sind sowieso der Kontakt und das gemeinsame Erleben während des Erzählens.

  • kizz Elterntipp

    Die magische Kraft der Stimme

    Ihr allerwichtigstes Hilfsmittel beim Geschichtenerzählen haben Sie immer dabei: Ihre Stimme. Wenn Sie diese gezielt einsetzen, müssen Sie sich um Spannung und Spaß keine Sorgen machen.

    • Der Charakter jeder Figur lässt sich schon an der Stimmlage ablesen. Der Drache brummt tief, die Elfe wispert, der Zwerg ruft frech. So wird Ihr Personal im Handumdrehen lebendig.
    • Langsames oder schnelles Sprechen je nach Situation erhöht die Spannung. Gekonnt eingesetzte Pausen und Betonungen, Mimik und Gestik unterstreichen diesen Effekt: „Ganz, ganz laaangsam schlich Julchen durch das Schloss. Tapp, tapp, tapp. Da, plötzlich! Ein lautes Plumpsen ... Was war das?“
    • Bleiben Sie beim Erzählen im Blickkontakt mit Ihrem Kind. So merken Sie, ob etwas zu aufregend dargeboten wird, und können Ihre Stimme etwas senken. Oder Sie bringen umgekehrt stimmlich etwas mehr Leben in Ihre Erzählung, sollte die Aufmerksamkeit nachlassen.
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