Neue Wege zum Priesteramt?Zu kurz gedacht

Helmut Hoping und Philipp Müller haben im März-Heft die Zulassung von bewährten verheirateten Diakonen zu Priestern vorgeschlagen. Die Vorschläge müssen weitergedacht werden. Auch die Rolle der Frau in der Kirche braucht eine Neubewertung.

Viri probati“ zur Priesterweihe zulassen, so titelte die „Herder Korrespondenz“ zu einem Beitrag der Kollegen Helmut Hoping (Freiburg), selber Diakon, und Philipp Müller (Mainz, ehemals Regens im Erzbistum Freiburg), der jedoch – genau gelesen – nur die Zulassung von bewährten verheirateten Diakonen zu Priestern eröffnet (vgl. HK, März 2017, 13–16). Einige Problemfelder sind in diesem Vorschlag angedeutet, etliche Vorentscheidungen bleiben jedoch verdeckt.

Warum sollen gerade die verheirateten Diakone zu Priestern geweiht werden? Die Gestalt des Diakonats ist in den vergangenen Jahrzehnten immer deutlicher mit einem diakonischen Profil gezeichnet worden und viele Diakone haben dies auch zu ihrer spirituellen Identität werden lassen. Sie sind eben nicht „nur Diakone“, sondern verstärken eine zentrale wichtige Dimension des Kirche-Seins. Wenn ihr Dienst letztlich wieder vorrangig als Vorstufe zum „eigentlichen“ Priesteramt verstanden wird, verwischt sich dieses eigene Profil. Nicht, dass wir nicht „diakonische“ Priester brauchen. Alle Priester und Bischöfe bleiben auch Diakone. Aber die Akzente werden verschoben. Wie ist auszuschließen, dass etliche Männer nur noch Diakone werden, um später Priester sein zu können?

Was bedeutet es, dass die – im Altersschnitt sowieso schon über dem Durchschnitt der Bevölkerung stehende – Gruppe der Priester durch noch mehr Menschen im höheren Alter verstärkt wird, wenn die Kandidaten wie vorgeschlagen mindestens 50 Jahre alt sein sollen? Wird dies nicht zum sichtbaren Ausdruck einer überalterten Kirche? Bringt dies nicht zum Ausdruck, dass den Jüngeren nicht zugetraut wird, dass sie die entsprechende Treue aufbringen?

Papst Franziskus antwortete übrigens auf die Frage von Giovanni di Lorenzo im Interview der „Zeit“ vom 9. März 2017 nach der Weihe der verheirateten Diakone auch nur, dass es um die Weihe von „Viri probati“ gehen könne. Der Papst greift die Bedeutung der verheirateten Diakone als hervorzuhebende Zielgruppe nicht auf. Merkwürdig ist jedoch, dass auch Papst Franziskus hier besonders an den Einsatz in weit entlegenen Gemeinden denkt. Gibt es dann unterschiedliche Klassen von Diakonen?

Warum sollen daneben nicht auch andere Menschen, in Pastoral und Familie besonders erfahrene Gemeinde- und Pastoralreferenten, zu Priestern geweiht werden? Für mich gibt es keinen Grund gegen solche Erweiterung der Zulassungsbedingungen. Und wenn der Weg nur über eine Zeit als verheirateter Diakon gehen sollte, wird der Diakonat erst recht zum Zwischenstatus für zu anderen Tätigkeiten berufene Seelsorger.

Was sind eigentlich die Aufgaben des Priesters?

Müssen überhaupt alle Priester Volltheologen sein? Nicht nur, dass diese Qualifikation in der Praxis für zivilberuflich arbeitende Menschen, auch Diakone, kaum zu erlangen wäre, selbst mithilfe eines „blended learning“. So wäre zu fragen, ob die zentralen Aufgaben, nämlich der Dienst der Einheit mit Welt- und Ortskirche, die Verantwortung für die Feier der Sakramente, das Glaubenszeugnis und die individuelle Seelsorge auch ohne Magister Theologiae zu leisten sind. Die Rolle der akademisch geprägten Theologie ist damit nicht hinfällig. Qualifizierte Theologinnen und Theologen werden gebraucht in Reflexion und Vertiefung, in Konzeption und in verantworteter Impulssetzung. Doch diese Aufgaben müssen nicht von jedem Priester in der Gemeinde erfüllt werden, wenn er eingebettet ist in ein profiliertes und qualifiziertes Netz mit verschiedenen Kompetenzen.

Was sind eigentlich die Aufgaben des Priesters? Dies wird im Beitrag von Hoping und Müller nicht deutlich. Zuerst sprechen sie von Gemeindeleitung, ohne zu verdeutlichen, was sie damit meinen. Wird nicht in den jüngeren Dokumenten auch der deutschen Bischöfe (Gemeinsam Kirche sein, 2015) wesentlich differenzierter gedacht, wenn von gemeinsamen Leitungsaufgaben gesprochen wird, von pastoralen Orten, die keine priesterliche Leitung brauchen, wenn zwischen Gemeinde, Pfarrei und Bistum unterschieden wird?

Welche Leitungsfunktionen – über den Dienst der Einheit hinaus – sind genuin priesterlich? Die Verkündigung des Wortes Gottes wird von den geweihten Männern verantwortet, zumindest in einer bischöflichen Aufsichtsfunktion (Supervision), ist aber nicht allein priesterlicher Dienst. Und ich unterstreiche, dass die Erfahrung der Gegenwart Gottes im Wort auch in anderen Kirchen der Ökumene kraftvoll und heilsam wirken kann. Richtig ist, dass die Feier der Sakramente verantwortlich dem Priester zukommt. Dass – so im weiteren Verlauf des Artikels von Hoping und Müller – die Seelsorge als priesterliche Leidenschaft bezeichnet wird, spricht für die Träger des Amtes. Zumal weder die rechte Feier der Eucharistie und anderer Sakramente noch die Verkündigung ohne eine gelebte Nähe zu den Menschen gelingen kann (Stichwort: „Geruch der Schafe“). Damit ist implizit zu fragen, ob die Autoren nicht doch wieder den Seelsorgebegriff dem ordinierten Priester vorbehalten. Die Erfahrung aber zeigt: Seelsorge wird in ganz unterschiedlicher Weise von ganz verschiedenen Menschen wahrgenommen.

Schließlich stellt sich die Frage, ob es in unseren Breiten wirklich schon Priestermangel gibt. Wer sich die weltkirchlichen Verhältnisse anschaut, wird hier ganz schnell still und stumm. Da – so müsste man sagen – geht es uns noch sehr gut. Allerdings: Die Verteilung der Priester in unserem Land ist sehr unterschiedlich, um nicht zu sagen sehr ungerecht. Und die absehbaren Veränderungen sind so, dass Rolle und Einsatz der Priester und die Bedeutung der sonntäglichen Eucharistie in fußläufiger Reichweite neu justiert werden sollten. Die „Versorgung“ wird nicht mehr so sein wie noch in den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Doch bleibt nicht auch die Frage, ob die derzeitige Entwicklung Zeichen des Heiligen Geistes ist dafür, dass Kirche nicht mehr allein durch Priester als verbeamtete, hauptberufliche Monopolisten organisiert wird, dass es ganz neue Aufgaben und Rollenzuweisungen braucht (inklusive der Priester im Nebenberuf) und dass die Sakramentalität der Kirche geschützt wird durch die nicht steigerbare Taufberufung und die Firmung?

Müsste nicht an anderer Stelle gefragt werden, warum sich etliche in unserer Kirche nicht mehr so sehr nach der Eucharistie sehnen? Das liegt möglicherweise nicht an der Glaubensschwäche der Menschen, sondern an der Ferne der Liturgie in Ritus und Verkündigung. Hier braucht es eine neue Dichte und Tiefe. Die Feier der Liturgie darf nicht im reinen Ritusvollzug stecken bleiben. Sie wird die Menschen dann in ihren Tiefen erfassen, wenn sie erleben, wie ihr Leben, ihre Fragen und Hoffnungen, ihre Ängste und Sehnsüchte darin Resonanz finden. Wo solche Erfahrungen möglich sind, wird die Sehnsucht nach und die Bereitschaft zur Mitfeier groß. Im Übrigen zeigt sich hier auch, wie schlimm es ist, wenn gültig zelebrierende Priester nicht ausreichend sprachlich mit der feiernden Gemeinde kommunizieren können. Das gilt sowohl für die „Priester der Weltkirche“, die nicht ausreichend deutsch sprechen, als auch für all diejenigen, die sich nicht auf die Kultur der Gegenwart einlassen und in längst vergangenen Denkmustern stecken geblieben sind.

Die priesterliche Ehelosigkeit, deren Wertschätzung durch das Lehramt die Autoren belegen, ist nicht einfach ein „Enthaltsamkeitszölibat“, sondern eine spezifische Form der Hingabe an Christus und das Gottesvolk. Darum kann es nicht einfach abgeschafft und gestrichen werden. Doch diese Hingabe kann in unserer Tradition wie in den Kirchen byzantinischer Tradition auch auf andere Weise glaubwürdig gelebt werden. Solche prophetischen Zeichen braucht es in unserer Kirche dauerhaft. Es sind Zeichen dafür, dass nicht alles der Machbarkeit untergeordnet werden darf. Es sind Hinweise, dass nicht in der schnellen Befriedigung von Bedürfnissen Leben zur Erfüllung kommen wird.

Ist es aber wirklich unumstößlich, dass die Zulassung zur Weihe nur für Männer denkbar ist? Wir sind inzwischen so weit, dass die Weihe von Diakoninnen als historisches Faktum betrachtet wird. Wir haben in Maria Magdalena eine Apostola apostolorum. Und im Römerbrief (16,7) ist die Apostolin Junia in der revidierten Einheitsübersetzung endlich richtig übersetzt und nicht wie vorher maskulinisiert. Das sind Akzente, die in eine geschlechtergerechtere Zukunft führen, wenn auch erst in kleinen Schritten. Überraschenderweise ist es inzwischen die Orthodoxie, die hier vorauseilt. Patriarch Theodoros II. von Alexandrien hat sechs Frauen zu Diakoninnen geweiht, was vom Athener Theologen Evangelos Theodorou als frischer und wichtiger Schritt gewertet wird (Publik-Forum Nr. 5/2017, 41). Recht hat er. Die Zulassung von Frauen zum Weihesakrament kann nicht in einer Weihestufe stehen bleiben.

Die Vorschläge von Helmut Hoping und Philipp Müller sind zu kurz gegriffen und müssen weitergedacht werden. Wenn hier eine Veränderung kommen sollte, dann insgesamt für in Familie und Glauben erfahrene Männer. Wenn hier weitergearbeitet werden soll, dann muss das Verhältnis zwischen Menschen, die ihre Taufberufung leben und denen, die als geweihte Priester wirken in Funktion, Rolle und Würde genauer bestimmt werden. Wenn die Erweiterung der Weihebedingungen vorgenommen werden soll, dann sollten die Initiativen aus anderen Regionen der Erde, in denen die Not größer ist, kommen, auch wenn sie von der akademischen Theologie her mit inspiriert werden könnten. Wenn über Veränderungen nachgedacht wird, muss endlich die Rolle der Frauen neu bestimmt werden.

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