KirchendebatteSelbstbespiegelung

„Jesus hat das Reich Gottes verkündet, gekommen aber ist die Kirche“, sagte einst der französische Theologe Alfred Loisy (1857–1940). Auch der „synodale Weg“ hat nicht zuerst das Reich Gottes im Blick, wohl aber die Kirche. Pure Selbstbespiegelung wäre jedoch zuwenig.

Während der Mensch sich mit seiner Erde noch im Mittelalter in der Mitte des Universums sah und die gesamte Schöpfung unter dem Blick Gottes wähnte, trat er mit der Neuzeit zusehends an den Rand des beobachtbaren Kosmos. Spätestens mit Tycho Brahe, Kepler, Galileo, Kopernikus brach das „bewährte“ Weltbild auseinander, wozu dann auch Newtons Fallgesetze beitrugen. Mit der Entdeckung der Evolution der Arten und der Tatsache, dass der Mensch aus dem Tierischen hervorging, in der Vielfalt des Lebens nur ein Segment darstellt, dessen Entwicklung selber keineswegs abgeschlossen ist, hat die „narzisstische Kränkung“ den Homo sapiens endgültig überwältigt. Darauf weist der Historiker Volker Reinhardt in der „Neuen Zürcher Zeitung“ hin. Seit jener Zeit versuche der Mensch verzweifelt, sich wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Der jüngste Ausdruck dieser Bemühungen ist das Selfie, in dem der Mensch dank des Smartphones endlich sein könne, „was er immer sein wollte: ein Wesen, das sich in einem nach menschlichen Größenbegriffen unendlichen Raum und in einer nach menschlichem Zeitverständnis unendlichen Zeit … pausenlos selbst bespiegelt, selbst verewigt und dadurch seiner selbst vergewissert“.

Ähnliche Prozesse sind im religiösen Leben zu beobachten. Seit die Kirche mehr und mehr aus der Mitte der Gesellschaft verschwindet und mit ihr das Christliche, meinen ihre geistlichen wie laienverbandlichen Repräsentanten, sich zu allen möglichen Anlässen oder auch Nicht-Anlässen öffentlich äußern zu müssen in der Hoffnung, so wieder an Relevanz zu gewinnen. Gleichzeitig sind in Bistümern wie kirchlichen Organisationen Referentenstellen und die Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit – früher sprach man von Propaganda – aufgebläht worden. PR-Blättchen in erheblicher Auflage werden an die Haushalte verteilt in der Hoffnung, so „verlorengegangene Schafe“ heimzuholen. Die Selbstbespiegelung wurde und wird durch hausgemachte Krisen noch verschärft. Die internen Institutionen und Instanzen fühlen sich entsprechend verpflichtet, eine gewissenhafte Prüfung vorzunehmen, um verlorenes Ansehen zurückzugewinnen. Das ist nicht verwerflich, sondern notwendig, wird aber begleitet vom Schatten der Fixierung auf das Eigene.

„Jesus hat das Reich Gottes verkündet, gekommen aber ist die Kirche.“ Was bei dem französischen Theologen und Historiker Alfred Firmin Loisy (1857–1940) eine rein beschreibende sachliche Feststellung der Fakten war, ist zugleich eine Dauerversuchung, ein ewiges Problem der Kirche, wenn sie sich vorwiegend selbst bespiegelt und immer weniger das widerspiegelt, wofür sie da ist: Sinn und Geschmack fürs Unendliche wecken, für das Reich Gottes.

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