Katholischer ReformdruckKirche – in Not

Christsein in der Krise. Die Lage ist dramatisch. Was muss sich ändern, damit der Glaube wieder Überzeugungskraft gewinnt? In kritischem Rückblick und hoffnungsvollem Ausblick deuten Leser die Lage und kommentieren CIG-Beiträge. Mit Bildern des Petrus: Fels der Kirche und Verleugner Jesu.

…und Petrus, der seinen Herrn verleugnet (italienische Buchmalerei, 15. Jhd.)
…und Petrus, der seinen Herrn verleugnet (italienische Buchmalerei, 15. Jhd.)© Foto: PHAS/UIG via Getty Images

Unter den Nachrichten (CIG Nr. 3, S. 30) brachten Sie eine Kritik an der in Kirchenkreisen beliebten Meinung, dass die Pfarrgemeinde angesichts des Priestermangels neu zu denken sei. Die an einen festen Ort gebundene Pfarrei sei überholt. Es sei daher nicht tragisch, wenn sie verschwindet, denn sie passe nicht mehr zur mobilen Lebenswelt der Menschen. Dagegen hat der Journalist Volker Resing Stellung bezogen mit der Frage, ob Kirchgänger etwa in Wohnmobilen wohnten. Nach wie vor brauche der Glaube „feste und beständige Orte des kirchlichen Lebens“.

Schon Ende der sechziger Jahre wurde die Problematik des dramatisch einsetzenden Mangels an Priesteramtskandidaten gesehen, leider ohne dass darauf reagiert wurde. Stattdessen werden massenhaft historisch gewachsene und lebendige Pfarrgemeinden abgeschafft, aufgelöst und zusammengelegt. Schon vor zwei Jahren brachte es die „Frankfurter Allgemeine“ auf den Punkt: „Kirche schafft sich ab“.

Eine Lösung der Problemlage ist möglich, wenn wir auf Jesus schauen: so auf den pfiffigen Verwalter im Lukasevangelium (16,1–8). Würden sich die Bistumsverwalter an seinem Beispiel orientieren, würden sie – bei aller Wertschätzung des Zölibats –, ähnlich wie der von Jesus gelobte Verwalter, alternative Möglichkeiten sehen.

Ottfried Wallau, Siegburg

Die vielen Überlegungen zu strukturellen Veränderungen in den Bistümern und zur vermehrten Beteiligung der Laien wurden aus der Not geboren. Es fehlt an Personal im geistlichen Amt. Trotzdem sind strukturelle Veränderungen unausweichlich, und es gab sie schon immer. So wurde das Pfarrprinzip erst 658 auf der Synode von Nantes begründet und 1517 von Papst Leo X. wieder aufgehoben. Spätestens in den Städten des 13. Jahrhunderts formierten sich um die neu entstandenen Bettelorden und ihre Kirchen Personalgemeinden mit ihren je eigenen Akzenten. Zaghafte Individualisierungs- und Pluralisierungsprozesse lassen sich schon damals erkennen, verursacht unter anderem durch allmählich zunehmende Bildung sowie Landflucht, die zu mancher Entwurzelung beitrug.

Spätestens seit den achtziger Jahren wird der Individualisierungs- und Pluralisierungsprozess mit dem Aufkommen digitaler Technologien beschleunigt. Das beeinflusst nicht nur Raum- und Zeit-, sondern auch Denk- und Wertestrukturen. Alles ist in Bewegung. Die Halbwertszeit von Bindungen – an Großkirchen, Gewerkschaften und Volksparteien – und „Wahrheiten“ nimmt ab. Kirche muss sich dieser Entwicklung stellen und kreative, mutige Antworten entwickeln. Das „Haus, aus ew’gem Stein erbauet“, wie es in einem Kirchenlied anklingt, dürfte kaum der Fels in der Brandung sein, der diese Entwicklung aufhält. Es ist eben so, dass vielleicht zwar nicht die klassischen Kirchgänger, wohl aber mehrheitlich die Menschen – bildlich gesprochen – in Wohnmobilen wohnen.

Simeon Reininger, Lingen

Der Mangel an regelmäßigen Gottesdiensten, der Mangel an Seelsorge-, Haus- und Krankenbesuchen, Glaubensgesprächen, Unterstützung kirchlicher Gruppen führt zum Rückzug, zur Entleerung der Kirchen.

Sollte man nicht besser überlegen, ob wir so viele Bistümer brauchen? Durch eine Zusammenlegung könnten finanzielle und personelle Ressourcen freigesetzt und in die seelsorgliche Arbeit investiert werden.

Christa Herrmann, Konstanz

„Du Kleingläubiger!“ Im Sturm auf dem See Gennesaret zweifelt Petrus erst.
„Du Kleingläubiger!“ Im Sturm auf dem See Gennesaret zweifelt Petrus erst.© Foto: Godong/Universal Images Group via Getty Images

Aus beruflichen Gründen bin ich viel in Europa unterwegs. Je nach Möglichkeit versuche ich, an einer Eucharistiefeier teilzunehmen. Das ist nicht leicht, weil es dazu örtliches Insiderwissen braucht. Dazu einige positive Beispiele: Im Flughafen von Rom gibt es täglich zur selben Zeit und mit fixer Dauer eine kurze Eucharistie, bei der wegen des internationalen Publikums und der Zeitknappheit nicht gesungen wird. Auf meinen häufigen Zugfahrten zwischen Rom und Österreich schätze ich es, wenn ich irgendwo eine Stunde lang auf den Anschlusszug warten muss und wenn es genau zu dieser Zeit einen Gottesdienst in Bahnhofsnähe gibt. In Paris kam ich mit einer Handy-App in Verbindung, die mir standortbezogen bekanntgab, wo und wann Gottesdienst gefeiert wird. Seit einem Jahr gibt es eine solche App auch in Österreich, doch spielen nicht alle Diözesen ihre Daten ein.

Doch dann bekennt er: „Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du“ (Mt 14,33).
Doch dann bekennt er: „Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du“ (Mt 14,33).© Foto: DeAgostini/Getty Images

Allerdings habe ich auch Ärgerliches erlebt. Als ich als Ingenieur ein Jahr lang eine Baustelle betreute, in deren Nachbarschaft es wochentags früh regelmäßig eine kurze Eucharistiefeier gab, wurde diese plötzlich durch eine Bußandacht ersetzt. In Salzburg kam ich vergeblich zu einem vermeintlichen Gottesdienst und konnte erst nach einigem Suchen entdecken, dass es an diesem Tag eine „Hofmesse“ in einem entfernten Gehöft mit Blasmusik gab. Die Feier dort erreichte ich rechtzeitig nur, weil sie wegen technischer Probleme im Bierzelt erst mit einer halben Stunde Verspätung begann.

Es stimmt, dass die Menschen mobil sind. Gerade deshalb sollte die Kirche stabil und verlässlich sein und sorgfältig, leicht zugänglich über Gottesdienstzeiten informieren.

Franz Kronreif, Augsburg

Männer- und Frauenfrage

Nach der Lektüre des Beitrags „Die Männerfrage“ (CIG Nr. 4, S. 39) kam in mir der ganze Frust und Ärger über die Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche wieder hoch. Immer nur von der Würde der Frau zu reden und ihnen die gleichen Rechte wie den Männern zu verweigern, kann ich als Frau nicht mehr ertragen.

Ich frage mich, warum ich trotzdem in der Kirche bleibe. Die Antwort: Wäre die Kirche ein Verein wie ein Kegelclub, wäre ich längst ausgetreten. Denn an der Kirche stört mich vieles: neben der Benachteiligung der Frauen die hierarchische Struktur, der Klerikalismus, die Unfähigkeit oder der Unwille, notwendige Reformen anzugehen, und natürlich der Skandal des sexuellen Missbrauchs und dessen Vertuschung bis in die höchsten Ebenen hinein. Aber auch wir als einfache Kirchenmitglieder geben nicht immer ein glaubwürdiges Zeugnis.

Ein Firmling fragte mich, warum ich nicht einfach alles hinschmeißen würde. Ich antwortete spontan: „Um Gottes willen.“ Kirche ist eine Weise, wie Gott in unserer Welt handeln will, auch in unserer menschlichen Unzulänglichkeit und unserer Schuld. Dem Wirken Gottes Raum geben, dafür sind wir alle Kirche.

Helena Kassel, Siegen

Wir sprechen zwar von der „Mutter Kirche“. Mit welchem Recht und mit welcher biblischen Begründung aber ist sie hierarchisch eine reine Männerinstitution? Was geht der Kirche nicht alles verloren, wenn sie die Liebe, das Wissen und die Ideen von Frauen unberücksichtigt lässt! Die politische Welt hat es bereits begriffen und fordert, wenn auch noch zögerlich, die umfassende Teilhabe der Frauen. Jesus war nahe bei den Frauen, und Maria Magdalena war mit die Erste am Grab des Auferstandenen.

Traurig stimmt mich allerdings auch, dass alle monotheistischen Religionen noch immer stark „frauenfeindlich“ sind.

Christoph Jäckel, Sangerhausen

Leiden an der Kirche

Der Beitrag „Leiden an der Kirche 1989/2019“ (CIG Nr. 3, S. 33) erinnert an einen Text, den der Theologe Heinrich Fries seinerzeit in dieser Zeitschrift veröffentlicht hat. Ablehnung, Zurückweisung, kein Gehör finden … Das sind Kränkungen, die nicht wenige Kirchenmitglieder erlebt haben. Immer wieder erzählen engagierte und treue Getaufte, Männer und noch mehr Frauen, insbesondere auch der älteren Generation, von kirchlich erzeugten Verletzungen. Lähmung, Resignation in der gegenwärtigen Situation – wen wundert’s? Und dass in der Folge die jungen Leute aus den Gemeinden ausgezogen sind. Aufarbeitung, Versöhnungsarbeit ist vonnöten, damit Heilung geschehen kann.

Monika Urban, Michelsneukirchen

Papst Johannes XXIII. habe ich im Jahr der Konzilseröffnung erlebt. Aus dieser Unmittelbarkeit kann ich die Aufbruchstimmung damals bestätigen. Ich hoffte nicht nur, nein, ich war mir sicher, dass sich unsere Kirche im Geist des Konzils gründlich erneuern würde. Seit Jahrzehnten verfolge ich mit wachsendem Leidensdruck, was tatsächlich geworden ist. Der Artikel von Heinrich Fries und die jetzige Erinnerung daran beschreiben es zutreffend. Mein Leiden ist auch Mitleid mit den vielen, die sich redlich bemühen, unsere Gemeinden trotzdem attraktiv und glaubhaft zu erhalten, Laien wie Priester, Ehrenamt wie Hauptamt.

Die Enttäuschung wird aber zusehends zur Hoffnungslosigkeit. Für mich stellt sich die Frage, ob es noch verantwortbar ist, dieser Kirche formell anzugehören, oder ob es nicht sinnvoller wäre, die Kirchensteuer anderweitig einzusetzen. Ich sehe die vielen aus meinem Umkreis, die sich resigniert verabschiedet haben. Viele engagieren sich, wie in Ihrem Artikel beschrieben, außerkirchlich und erfahren dort mehr als in der Kirche, was Leben glücken lässt.

Dr. Georg Zimmerer, Schenefeld

Das Leiden gehört sicherlich dazu, wenn man Mitglied in der Kirche Jesu sein will. Denn wir alle verletzen mit unseren Schwächen andere und lösen so Leiden aus. Aber es könnte geringer sein, wenn man an manches denkt, was zum Beispiel in der altkatholischen Kirche üblich ist, wo aufgrund der synodalen Struktur Laien in der Gemeinde als auch im Bistum mitbestimmen. Bischöfe und Pfarrer werden vom Kirchenvolk gewählt. Frauen werden zu allen Ämtern zugelassen. PriesterInnen können ihre Lebensform – ob zölibatär oder verheiratet – frei wählen. Bei der Eucharistiefeier ist die „Gastfreundschaft“ selbstverständlich.

Jürgen Grewe, Aachen

Im Kommentar „Aussichten“ (CIG Nr. 4) stellen Sie die Frage nach der Zukunft der Kirche und weisen neben der Problemanzeige auf eine alte Fußball-Weisheit hin: „Entscheidend is‘ auf’m Platz“. Viele der bekannten geforderten Reformen sind in den evangelischen Landeskirchen verwirklicht. Frauen sind Pfarrerinnen, Superintendentinnen, Regional- oder Landesbischöfinnen. Die Sexualmoral ist liberalisiert. Gleichgeschlechtliche Paare werden gesegnet, und in homosexueller Gemeinschaft lebende Partner sind Pfarrer. Demokratische Selbstbestimmung gibt es in den Gemeinden, in den Kreis- und Landessynoden. In Gottesdiensten wird frei experimentiert. Hält dies mehr Menschen in den evangelischen Kirchen?

Sie haben recht: „Entscheidend ist, was die Leute in die Kirche und in der Kirche glaubend bewegt!“ Oder anders ausgedrückt: Entscheidend ist die Sehnsucht nach Gott. Wie kann man sie wecken oder stärken? Wohl kaum durch die Anpassung der Kirche an die gesellschaftlichen Zustände, wie die vergeblichen Bemühungen der evangelischen Landeskirchen zeigen.

Dr. Ulf Weber, Tanna

„Komm her, mir nach!“ Die Berufung des Petrus (Saint-Pierre de Montmartre)
„Komm her, mir nach!“ Die Berufung des Petrus (Saint-Pierre de Montmartre)© Foto: Godong/Universal Images Group via Getty Images

Die Kirche lieben?

Zur Zeit lese ich mal wieder die Briefe des Apostels Paulus an seine Gemeinden. Sie enthalten eine Antwort auf Ihre Fragestellung „Die Kirche lieben?“ (CIG Nr. 7, S. 75). Die Liebe schließt Konflikte nicht aus. Obwohl speziell die Gemeinde in Korinth es Paulus nicht leicht gemacht hat, hat er sie nie aus seiner Liebe entlassen. Was im ersten Korintherbrief (Kapitel 13) über die Liebe steht, galt auch für Paulus selbst: Die Liebe hört niemals auf.

Unsere Kirche muss lernen, die Spannung von römischem Einheitsgedanken und Freimut auszuhalten. Die Hierarchie muss flacher werden. Statt des Amtstons müsste der Ton der Brüderlichkeit einziehen. Ich höre nicht gern von Machtkämpfen im Vatikan. Wenn die Kirche das, was sie andere lehrt, das Subsidiaritätsprinzip, innerkirchlich selbst umsetzen würde, wäre sie wahrhaftiger und damit liebenswerter.

Durch unser Leiden an der Kirche wird sie reformiert. Es gibt keine Rose ohne Dornen! Der Klerus aber sollte sich Matthäus 24,45ff zu Herzen nehmen, das Gleichnis vom klugen und vom bösen Knecht.

Eckart Böhnisch, Augsburg

Ja, ich versuche, die Kirche zu lieben. Derzeit fällt es mir schwer, weil auch im neuen „Gotteslob“ der Text der zweiten Strophe von „Es ist ein Ros’ entsprungen“ weitergeht: „… hat sie (Maria) ein Kind geboren und blieb doch reine Magd.“ Diese in der grauen Vorzeit vielleicht übliche Meinung, dass eine Mutter – alle Mütter, auch meine Mutter – dadurch, dass sie ein Kind gebärt, „unrein“ ist … Ich bin laut protestierend, die Mitbeter erschreckend, aus der Kirche gegangen.

Ich bete trotzdem jeden Tag und gehe in die Kirche. In meiner wird diese Strophe wohl nicht mehr gesungen.

Hubertus Plenk, München

Ihr Mut machendes „Die Kirche lieben?“ bringt vieles auf den Punkt. Bei uns wird eine baulich noch intakte Kirche abgerissen. Ich vermute, Gott kann sich oft nur wundern über unsere Kleingläubigkeit.

Heinz-W. Wehrmann, Detmold

Sie schreiben, dass „Mutter und Vater als erste Priesterin und erster Priester“ dafür sorgen, dass die Kinder in die geistige und sichtbare Gemeinschaft der Kirche hineinwachsen. Aber auch durch die Taufe und die Firmung sind die Eltern keine PriesterInnen, sondern Laien. Es ist allerdings an der Zeit, dass die katholische Kirche die Rechte und Pflichten der Laien klar formuliert. Dies hat schon Karl Rahner angemahnt. Hat unsere Kirche vielleicht doch vergessen, „die Laien“ ernst zu nehmen? Es muss ja nicht gleich „Liebe“ sein.

Waldemar Wolf, Bruchköbel

Sexueller Missbrauch

Ihre Skizzen „Vier Tage Klartext“ (CIG Nr. 9, S. 91) über die vatikanische Bischofsversammlung und die dortigen Beratungen über den sexuellen Kindesmissbrauch treffen genau zu. Auch das, was Sie über die nachfolgenden verheerenden Reaktionen in den Medien und sonstige Meinungsäußerungen schreiben. Diese oft von krankhaftem Kirchenfrust und Kirchenhass geleiteten Äußerungen machen in ihrer wie gleichgeschaltet wirkenden Meinungsmache sprachlos. Ein bisschen mehr Demut innerhalb wie außerhalb der Kirche stünde uns allen gut an – und ein bisschen mehr nachdenkliches Schweigen im Schwall der großen Worte. Sie legen in verworrener Zeit den Finger exakt in die Wunde.

Claudius Stoffel, Gailingen

Zu Recht führen Sie die positiven Ansätze zum Umgang mit Kindesmissbrauch beziehungsweise zu dessen Verhütung an: „Sünde ist Sünde“. Und dazu gab es ein Schuldbekenntnis. Zu Recht beklagen Sie auch, dass in der Öffentlichkeit hauptsächlich die Kirche zum Sündenbock gemacht wird und andere Institutionen weitgehend verschont werden.

Enttäuscht bin ich aber von der vatikanischen Versammlung darüber, dass zwar das „Feuer“ des Missbrauchs „gelöscht“ und auch die noch vorhandenen „Glutnester“ weitgehend ausgetreten werden sollen, dass aber nicht über eine Erneuerung der Kirche gesprochen wurde. Dazu gehört, die Begünstigung des Missbrauchs zu beseitigen. Laut Autoren der Studie der deutschen Bischofskonferenz sind das unter anderem der Zölibat und der Klerikalismus mit seiner Machtfülle.

Zu Recht betonen Sie, dass ebenso eine „neue Theologie“ erforderlich ist, um die Frohe Botschaft heutigen Menschen mit ihrer Welterfahrung nahezubringen. Dazu müsste die Glaubens- und Sittenlehre vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Forschung auf den Prüfstand gestellt werden. Das kann aber vielleicht nur, wie schon zuvor im CIG gefordert, auf einem neuen Glaubenskonzil verhandelt werden.

Alfred Bergrath, Düren

„Simon, liebst du mich? Weide meine Schafe.“ Der Auftrag des Auferstandenen an Petrus vom See Tiberias (Codex de Predis aus dem 15. Jahrhundert)
„Simon, liebst du mich? Weide meine Schafe.“ Der Auftrag des Auferstandenen an Petrus vom See Tiberias (Codex de Predis aus dem 15. Jahrhundert)© Alinari/Alinari Archives, Florence/Alinari via Getty Images

Alles klar? Wirklich? Die Enttäuschung über das Ergebnis der weltkirchlichen Bischofsversammlung ist in unserem Umfeld sehr groß. Vielleicht liegt es daran, dass Papst Franziskus in seiner Antrittsrede von konkreten Beschlüssen gesprochen hat, und in der Schlussrede wurde er nicht konkret.

Es ist sicher ein großes Verdienst, dass die Probleme auf den Tisch kamen. Die Betroffenheit der Bischöfe war in den Gesichtern deutlich zu lesen. Doch es ist nicht gut, dabei auf die anderen Fälle außerhalb der Kirche hinzuweisen. Ja, es hat das auch in Familien und sonstigen Gemeinschaften gegeben und gibt es noch. Der Unterschied ist jedoch der, dass die katholische Kirche ihre moralischen Forderungen zur Sexualität hoch ansetzt, manche ihrer Vertreter sich aber nicht daran halten.

Die auf „Arte“ ausgestrahlte Dokumentation „Gottes missbrauchte Dienerinnen“ über den Missbrauch an Ordensfrauen hat bei mir schieres Entsetzen ausgelöst. Es hilft auch nicht der Hinweis auf die verschiedenen kulturellen und rechtlichen Traditionen der Länder. Sexueller Missbrauch ist eine schwere Sünde, überall.

Es darf nicht beim Reden und guten Vorsätzen bleiben. Wir brauchen Aufklärung und Taten der Verantwortung, besonders im Hinblick auf die vielen Opfer.

Anneliese Ising, Essen

Die Missbrauchsvorfälle sind die größtmögliche Erschütterung des überkommenen Systems Kirche, und eigentlich müsste alles hinterfragt werden. Eine Ordnung des „Herrschens und Dienens“ ist im 21. Jahrhundert nicht mehr tragbar.

Matthias Betz, Freiburg

Ein solcher Klartext wie Ihr fundierter und ausgewogener Artikel ist wirklich bitter nötig. Was sich ein großer Teil des deutschen Journalismus zum Thema Missbrauch leistet, ist beschämend, weil oberflächlich und von Feindseligkeit gegenüber der katholischen Kirche strotzend.

Theo Kellerer, Nürnberg

Über den „Antimissbrauchsgipfel“ habe ich in den Medien meist Kritisches gelesen. Dagegen ist Ihr Beitrag detailliert und spricht die verschiedensten Gesichtspunkte exakt an. Da ist die Stellung der Kirche in der Welt zu beachten, aber auch die moralische Autorität. Lange hat man nur auf den guten Ruf des Priestertums geachtet, kaum an die Opfer gedacht, die oft jahrelang leiden. Endlich setzt man jetzt klare Zeichen.

Günther Beeh, Hockenheim

Wieder haben mich Ihre Ausführungen sehr beeindruckt und getröstet. Ich bin ein Konzilspriester, und mit mir sind es viele, die über Jahrzehnte gut gearbeitet haben. Woher kommt nur dieser Kirchenhass, den ich in vielen Gesprächen miterlebt habe, gerade auch bei Menschen, die ausgetreten sind? Wir haben Fehler gemacht, und das wird auch in Zukunft so sein, aber solch ein negatives Image, einen solchen Hass haben wir, objektiv gesehen, nicht verdient.

Wilhelm Terboven, Düsseldorf

Die Sexualmoral

Mich stört Ihre Stellungnahme zum Thema Sexualität und Familie wie aktuell im Beitrag zur Missbrauchskonferenz in Rom. Sie beklagen das Zerbrechen von Familien und die Folgen für Scheidungskinder. Ich stelle nicht das Leid von Kindern in Abrede, aber es ist keine Lösung, auf der Familienmoral von früher zu bestehen. Vieles blieb nur verborgen. Wie viel Gewalt – meist gegen Frauen und Kinder – Alltag war, scheinen Sie nicht zu registrieren. Die Missbrauchszahlen in den Familien sprechen da eine klare Sprache. Dreißig Jahre Berufserfahrung als Ärztin gaben mir Einblick.

Die „Hypersexualisierung“ unserer Zeit zu beklagen, wird nichts bewirken, wenn wir Katholikinnen und Katholiken nicht genauso ernst nehmen, was die kirchlichen Regelungen zur Sexualität an Elend bewirkt haben. Regenbogenfamilien und Patchworkfamilien kommen im Horizont des CIG nicht vor. Wir brauchen genau diese Modelle, um mehr Kindern echte Geborgenheit zu geben, auch um mehr Eltern gesunde Sexualität zu ermöglichen, unbedingt neben der traditionellen Form. Wenn unsere Kirche die Sexualmoral nicht ganz neu entwickelt, werden verpflichtender Zölibat und vermeintlich „heile“ Familien oft weiterhin seelisch krank machen.

Dr. Mathilde Schaab-Hench, Aschaffenburg

Ihre ausführliche Auseinandersetzung mit dem sexuellen Missbrauch hat mich sehr bewegt. Ich hatte vorher immer gedacht: Jetzt steht einzig unsere Kirche als Schuldige da – und die anderen haben einen Sündenbock für ihre eigenen Laster. Aber die Kirche steht vor aller Welt zur Wahrheit, und sie bekennt sich zu ihrer Schuld – egal, ob die anderen es sich leichter machen oder lästern. Für mein Empfinden hat das kirchliche Bekennen eine Größe, die mein christliches Selbstbewusstsein stärkt. Diese Vertiefung meines Glaubens ist mir wichtiger als äußerliche Erneuerungen.

Lucia Tentrop, Berlin

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