GolanhöhenWo Israel auf den Dschihadismus stößt

Der Golan an der Grenze Israels zu Syrien ist nach seiner Annektierung durch Israel in eine blühende Landschaft verwandelt worden. Doch in Sicht- und Hörweite herrscht auf syrischer Seite Krieg.

Wir sind an der Frontlinie mit al-Qaida und Isis. Die einzige Stelle auf der Welt, wo die extremistischen Dschihadisten terrainmäßig auf einen demokratischen Staat treffen“, sagt Ron Shatzberg, Oberst der Reserve der israelischen Armee und Projektleiter bei der ECF (Economic Cooperation Foundation / Stiftung wirtschaftlicher Zusammenarbeit). Diese von Yair Hirschfeld, dem Initiator des Osloer Friedensprozesses, 1990 gegründete Denkfabrik hat sich der Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern verschrieben. Shatzberg, mit Strohhut und großer schwarzer Brille gegen die Sonne geschützt, steht auf einem kleinen Hügel im Südteil des Golan, dort, wo die israelische Grenze die jordanische zu Syrien hin ablöst. Der Oberst führt eine Studiengruppe der Bundeszentrale für politische Bildung gen Norden über den 60 Kilometer langen und 25 Kilometer breiten Höhenzug.

Der sogenannte Islamische Staat und al-Qaida haben sich auf der syrischen Seite des Golan festgesetzt. Den Großteil der Grenze nördlich von hier kontrolliert die Freie Syrische Armee, mit der Israel heimlich kooperiert. Nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen werden syrische Rebellen im Wochentakt von israelischen Militärposten empfangen. Dabei sollen nicht näher genannte Lieferungen und Personen die Seiten wechseln. Israel unterstützt die Rebellen schon seit Jahren mit Nahrung und Treibstoff und nimmt auch Verletzte auf. Das „Wall Street Journal“ berichtete vor einigen Wochen, Israels Armee habe eine eigene kleine Truppe gebildet als Kontakteinheit für syrische Rebellen. Deren Kommandeure lasse man Geld zukommen, damit sie Waffen kaufen und Kämpfer anheuern können. Ein Sprecher der Rebellengruppe „Ritter des Golan“ gab unumwunden zu: „Ohne die israelische Unterstützung hätten wir nicht überlebt.“

Panzerwrack und Kirschplantagen

Der Golan war für die Siedler und Kibbuzniks wie ein Monster, als er noch nicht von Israel erobert war. Unten in der Gegend um den See Gennesaret herum und in der Hula-Ebene wurden sie immer wieder von Stellungen der hoch oben gelegenen Syrer beschossen. Am vierten Tag des Sechstagekrieges 1967 nahm Israel den Golan ein, um die Bedrohung zu beenden. Die Moschaw- und Kibbuzführer hatten Premier Levi Eschkol aufgefordert, nach den Erfolgen in der Westbank und auf dem Sinai nun auch die Golanhöhen zu erobern.

Nach eineinhalb Tagen kontrollierte die israelische Armee das komplette Hochland, das es vierzehn Jahre später, 1981, gegen Resolutionen der Vereinten Nationen annektierte. Heute erscheint der Golan im Vergleich zur angrenzenden syrischen Ödnis wie ein Garten Eden. 40000 Israelis leben auf dem Plateau in gut dreißig landwirtschaftlichen Siedlungen und in der Stadt Katzrin. Kuhherden grasen auf weitläufigem Land, das zum Teil noch vermint ist. Kirschplantagen, Dattelpalmen und Weinberge begrünen weite Flächen. Ein hier und da liegen gebliebenes Panzerwrack erinnert an den 67er Krieg und an den drei Wochen dauernden Jom-Kippur-Krieg 1973.

Ein Posten der UNTSO (United Nation Truce Supervision Organization / Organisation der Vereinten Nationen zur Überwachung des Waffenstillstands) hat auf dem Mount Bental, einem erloschenen Vulkan, 1171 Meter über dem Meer Stellung bezogen. Im Nordwesten ist der schneebedeckte Hermon (2814 Meter hoch) an der israelisch-libanesischen Grenze zu sehen. Ein Holländer und ein Däne schieben Dienst. Sie sind unbewaffnet, schlecken Eis. In ihrem Beobachtungsposten unterhalten sie sich freundlich mit Touristen, posieren für Fotos und schauen ab und zu durch ihr Fernrohr in die Ebene, wo der Grenzzaun zwischen Israel und Syrien verläuft. Sie überwachen die nach dem Jom-Kippur-Krieg eingerichtete Pufferzone zwischen Syrien und Israel. Damaskus ist rund sechzig Kilometer entfernt, durch die flirrende Hitze in der tiefer gelegenen Ebene hindurch jedoch nicht zu sehen.

Trügerische Ruhe auf dem Golan

So ganz können sich die Blauhelme der Vereinten Nationen nicht dem Müßiggang überlassen. Denn die Herrschaftszonen im gegenüberliegenden Bürgerkriegsland verschieben sich ständig. Im Süden dominiert der IS. Dann kommt die Nusra-Front, ein al-Qaida-Ableger. Dann das Gebiet der Freien syrischen Armee, in dem das Städtchen Neu-Kuneitra liegt, das als Enklave von der Assad-Regierung gehalten wird. Explosionen sind zu hören. Zwei Rauchsäulen stehen gegenüber in der syrischen Ebene. Die Ruinen von Alt-Kuneitra liegen vor den Beobachtern knapp hinter dem Grenzzaun. Die Stadt wurde 1973 vollständig von der israelischen Armee zerstört, nachdem die Syrer Israel angegriffen hatten und zunächst relativ weit vorgestoßen waren. Etwas weiter entfernt sind drei Vulkankegel zu sehen, auf denen zu Zeiten des Kalten Krieges die Russen saßen. Sie betrieben dort Aufklärungsstationen, um ihrem Verbündeten Assad Truppenbewegungen in Israel zu melden.

Lange Zeit war es ruhig auf dem Golan. Von Syrien ging kaum eine Gefahr aus. Die Blauhelme spöttelten untereinander, die einzige Verletzung, die man sich hier zuziehen könne, sei eine Leberzirrhose. Auch im Rest des Landes herrscht relative Ruhe. Seither ist Israel etwas aus dem internationalen Blickfeld gerückt. Doch die Ruhe könnte trügerisch sein. Ringsherum herrscht Krieg: Syrien, Irak, Jemen. In Jordanien und im Libanon leben hunderttausende Menschen in riesigen Flüchtlingslagern. Die Langzeitwirkung der dort aufgestauten Frustration für die Sicherheit Israels ist noch nicht klar. Im Inneren schwelt der alte Konflikt mit den Palästinensern, der gerade einigermaßen stabil scheint. Doch die Angst vor einer dritten Intifada ist da. Seit etwa eineinhalb Jahren kommt es immer wieder zu Angriffen mit Dolchen und Äxten palästinensischer Extremisten auf Israelis, die sogenannte Messer-Intifada. Jeder dieser Angriffe gemahnt: Israel muss auf der Hut sein, der Konflikt ist noch lange nicht gelöst. asc

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