Expertenratschläge zum Familienessen8 Fragen & Antworten

8 Fragen und Antworten
Wichtig ist es, die Kinder zum Probieren zu ermuntern- ohne Zwang. © DEEPOL - plainpicture

Haben Kinder übergewichtiger Eltern später auch Gewichtsprobleme?

Kathrin Burger: Ja, die Gefahr besteht. Kinder und Jugendliche, deren Eltern übergewichtig sind, haben ein um bis zu 80 Prozent erhöhtes Risiko, selbst einmal dick zu werden. Sind die Eltern fettleibig, ist das Risiko um 300 Prozent erhöht. Das ist zum einen genetisch bedingt, zudem findet schon im Mutterleib eine Prägung statt. Oft haben übergewichtige Eltern auch selbst ein ungünstiges Ess- und Bewegungsverhalten und geben dieses an die Kinder weiter. Dennoch sollte deswegen kein Druck ausgeübt werden. Die Stigmatisierung von Übergewichtigen führt zu einem erhöhten Risiko für Stress, Depressionen, Angsterkrankungen und Herzkrankheiten.

Müssen Kinder immer probieren?

Helia Schneider: Diese Frage lässt sich nicht mit einem eindeutigen Ja oder Nein beantworten. Grundsätzlich ist es wichtig, Kinder zum Probieren zu ermuntern. Dies gelingt besser, wenn der Erwachsene als „Ess-Modell“ fungiert und mitisst, oder wenn die Kinder beim Zubereiten der Mahlzeiten mithelfen dürfen. Zum Probieren gezwungen werden sollten die Kinder jedoch nie, ebenso nicht bestraft (Nachtischverbot), wenn sie etwas nicht probiert haben. Würden Sie Ihren Partner dazu zwingen, etwas zu essen, vor dem er sich ekelt? Es gibt genügend Erwachsene, die von traumatischen Esszwängen aus ihrer Kindheit berichten. Solche Erlebnisse belasten die Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem. Hilfreich beim Probieren kann es sein, das neue Lebensmittel auf einen „Probierteller“ zu tun, sodass es die anderen Komponenten der Mahlzeit nicht berührt. (Oder es immer wieder in anderen Varianten zuzubereiten. „Heute schmecken die Karotten aber süß, magst du mal kosten?“)  

Müssen Kinder beim Essen warten, bis alle fertig sind?

Helia Schneider: Das kommt darauf an, wie alt die Kinder sind. Kindern unter drei Jahren fällt das Warten am Tisch sehr schwer, weshalb sie oft mit dem Essen oder dem Geschirr spielen, wenn sie fertig sind. Auch wenn Ihnen das gemeinsame Essen als Familie wichtig ist, empfiehlt es sich, ein kleines Kind nicht zu überfordern. Vielleicht kann es etwas in Ihrer Nähe spielen? Mit älteren Kindern finden am Tisch schon richtige Gespräche statt und das gemeinsame Beenden der Mahlzeit als Familienritual ist gut möglich. Ein sehr langes Sitzen am Tisch, zum Beispiel mit Gästen, kann jedoch auch für sie mühsam werden. In diesem Fall hat sich die Regel „Kinder warten auf Kinder“ bewährt. Das ist auch für die Erwachsenen entspannter.

Kann man Ernährungsgewohnheiten ändern?

Kathrin Burger: Je jünger Kinder sind, desto leichter geht das. Die Geschmacksprägung findet kontinuierlich statt; sie beginnt im Mutterleib und setzt sich in der Stillzeit, während der Beikostphase und später mit den Familienmahlzeiten fort. Je älter ein Kind ist, desto mehr Vorlieben und Abneigungen hat es entwickelt. Dennoch haben Eltern immer die Möglichkeit, bestimmte Lebensmittel nicht zu kaufen und stattdessen Alternativen anzubieten. Außerdem wirken Eltern natürlich immer als Vorbilder. Wenn die Kinder etwa zwölf Jahre alt sind, verlieren Eltern an Einfluss auf das Essverhalten, und der Einfluss von Gleichaltrigen wächst.

Wie viele Extrawürste sind okay?

Helia Schneider: Die meisten Kinder mögen bestimmte Lebensmittel nicht, was unter anderem mit einer evolutionsbedingten Abneigung gegen Bitterstoffe (Gemüse) zusammenhängt. Gestalten Sie Ihr Essensangebot so, dass auf jeden Fall etwas auf dem Tisch steht, das Ihr Kind mag. Dann kann es selbst entscheiden, was von den angebotenen Speisen es essen möchte. Sollte einmal gar nichts dabei sein, können Sie dem Kind eine Alternative anbieten. Halten Sie dabei den Aufwand in Grenzen und kochen Sie keine zusätzliche Mahlzeit, sondern greifen Sie auf schnell Verfügbares zurück (Brot, Zwieback, Banane).

Darf man Süßigkeiten als Belohnung einsetzen?

Kathrin Burger: Ein ganz klares Nein! Heute sind sich Kinderärzte darüber einig, dass dies schädlich ist. Wer sein Kind etwa mittels Gummibärchen dazu überredet, sein Zimmer aufzuräumen, oder ihm ein Eis verspricht, wenn es während des Besuchs bei Oma brav ist, der bringt ihm dadurch bei, dass unangenehme und stressige Dinge mit Süßkram kompensiert werden können. Genau das ist der schnellste Weg zum Übergewicht. Naschen ist erlaubt, aber es sollte nicht an Leistungen geknüpft sein. Und Kinder kann man auch anders belohnen, etwa mit einem Ausflug ins Schwimmbad oder einem Kinobesuch.

Bleiben Kinder gesund, wenn sie kein Gemüse essen?

Kathrin Burger: Solange ein Kind gesund ist und altersgemäß wächst, brauchen sich Eltern keine Sorgen zu machen. Isst ein Kind kein Gemüse, aber dafür Obst, nimmt es damit ausreichend Vitamine und Ballaststoffe zu sich. Trotzdem müssen Eltern das Gemüse nicht aufgeben, sondern können verschiedene Varianten ausprobieren: Vielleicht mag das Kind Tomatensaft, geschnittene Rohkost oder eine Brokkolicremesuppe? Auch Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen zählen zum Gemüse. Grundsätzlich sollte das Thema nicht zu wichtig genommen werden, es kommt immer auf die gesamte Ernährung an. Auch in Vollkorngetreide und Nüssen stecken viele Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe.

Sollen Kinder den Teller leer essen?

Helia Schneider: Mahlzeiten sollten nie in Machtkämpfe ausarten. Das geschieht aber, wenn Erwachsene darauf bestehen, dass ein Kind seinen Teller gegen seinen Willen leer essen muss. So entsteht eine Atmosphäre, in der das gemeinsame Essen kein Genuss und kein schönes Gemeinschaftserlebnis mehr ist. Vor allem jüngeren Kindern fällt es noch schwer abzuschätzen, welche Mengen sie essen können. Auch das Sättigungsgefühl muss der Körper erst wahrzunehmen lernen. Dabei hilft Ihre Begleitung: „Jetzt nimmst du dir eine kleine Portion. Und wenn du dann noch Hunger hast, nimmst du dir noch mal eine.“ Tipp: Lassen Sie Ihr Kind bald selbst schöpfen, das stärkt seine Selbstständigkeit und sein Selbstvertrauen.

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