Freikirchen, Evangelikale und Pfingstler als Faktoren der ökumenischen BewegungGemeinsame Aufgabe

Zur Ökumenischen Bewegung gehören nicht nur die „klassischen“ christlichen Kirchen. Die weltweite Christenheit ist vielfältiger: In den letzten Jahrzehnten haben Pfingstler und Evangelikale vielfach an Einfluss gewonnen. Die evangelikale Bewegung betont vor allem das missionarische Anliegen, das von Anfang an zu den ökumenischen Grundpfeilern gehört. Missionarisches Zeugnis kann aber nicht im Alleingang geschehen.

Die Geschichte der ökumenischen Bewegung lässt sich ohne die freikirchliche und evangelikale Beteiligung an ihr nicht erzählen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickeln sich konfessionsüberschreitende Zusammenschlüsse, die aus missionarischen Aktivitäten, den Herausforderungen einer sich säkularisierenden Welt, internationalen Begegnungsmöglichkeiten und einem diakonischen Eingehen auf die Herausforderungen der Zeit erwachsen.

1846 wird in London die Evangelische Allianz als „Bruderbund des Gebetes“ gegründet. 1855 entsteht in Paris der Weltbund der Christlichen Vereine Junger Männer (CVJM), der die „Pariser Basis“ als Grundlage der Arbeit verabschiedet, die für die ökumenische Bewegung fast einhundert Jahre später zentrale Bedeutung gewinnen wird. 1894 wird der Weltbund Christlicher Vereine Junger Frauen, 1895 der Christliche Studentenweltbund gegründet. Ein für zwischenkirchliche Zusammenschlüsse wichtiges Modell stellen auch die Bibelgesellschaften dar, die als Frucht der Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts entstanden waren.

Bezeichnend für diese Anfangsphase ist, dass erste konfessionsübergreifende Impulse und Bemühungen nicht von offiziellen Kirchen ausgehen, sondern sich als Initiative verschiedener christlicher Gruppen und Bewegungen entwickeln. Gleichsam in einem zweiten Schritt schließen sich Konfessionsfamilien zusammen: Reformierte, Methodisten, Baptisten, Lutheraner. Als eigentliche Geburtsstunde der ökumenischen Bewegung ist die Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 anzusehen. Sie stand unter der Leitung des US-Amerikaners und methodistischen Laienpredigers John R. Mott (1865–1955) und erlangte wesentlichen Einfluss für die weitere Entwicklung der ökumenischen Bewegung. Das Nebeneinander verschiedener Missionsgesellschaften hatte für viele die Dringlichkeit der Aufgabe deutlich werden lassen, in der Mission zusammenzuarbeiten.

Anders ist das Verhältnis zwischen Pfingstbewegung und Ökumene zu betrachten. Beide Bewegungen entstanden unabhängig voneinander. Pfingstler spielten in ökumenischen Bestrebungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine maßgebliche Rolle. Rückblickend ist freilich zu konstatieren: Die Entstehung der Pfingstbewegung war für die Christentumsgeschichte im 20. Jahrhundert ein ähnlich folgenreiches Ereignis wie die der ökumenischen Bewegung.

Ob und wie beide Bewegungen in ein fruchtbares Verhältnis zueinander treten können, ist eine durchaus offene Frage und Zukunftsaufgabe, obgleich einzelne Pfingstkirchen seit 1961 Mitglieder des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) geworden sind, David J. du Plessis als „Mr. Pentecost“ die Anliegen der Bewegung in den ÖRK und die katholische Kirche getragen hat und zahlreiche ökumenische Dialoge mit Vertretern der Pfingstbewegung stattfanden.

Die Einzigartigkeit Jesu Christi wird pointiert hervorgehoben

Die Entstehung von Freikirchen gehört zu den Folgeerscheinungen der Reformation, wobei die Begrifflichkeit Freikirche auf dem Hintergrund der Existenz von „Volkskirchen“, beziehungsweise „Großkirchen“ zu verstehen ist, zu denen die Mehrheit der Bevölkerung gehören. Im Gegenüber zu den evangelischen Landeskirchen und zur römisch-katholischen Kirche betonen freikirchliche Gemeinschaftsbildungen die grundlegende Verschiedenheit von Christen- und Bürgergemeinde, die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und des persönlichen Bekenntnisses jedes Einzelnen, ebenso das Prinzip Freiheit der Kirche vom Staat, die Betonung des Laienengagements und der Verbindlichkeit christlichen Glaubens und Lebens, zu der auch Gemeindezucht gehört.

Die Weimarer Reichsverfassung beendete das Staatskirchentum und formulierte neue Rahmenbedingungen für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. 1926 entstand die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Gründungsmitglieder waren die Evangelische Gemeinschaft und die Bischöfliche Methodistenkirche (seit 1968 Evangelisch-methodistische Kirche), der Bund Freier evangelischer Gemeinden und der Bund der Baptistengemeinden (Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden).

Heute gehören zur VEF außer den genannten weitere Mitglieder: die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden, die Heilsarmee, die Nazarenerkirche und drei Gemeinschaften pentekostaler Prägung. Obgleich die Freikirchen sich in ihren Grundforderungen immer wieder als Alternative zu den Großkirchen anboten und nicht selten durch ein intensives missionarisches Engagement in Erscheinung traten, fanden sie nur eine begrenzte Resonanz.

Als Freikirchen bezeichnen sich heute nicht nur Gemeindeverbände, die in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) zusammengeschlossen sind. Vielmehr kann beobachtet werden, dass sich mehr und mehr neue Gruppen unter der Selbstbezeichnung „evangelische Freikirche“ etablieren, die eine organisatorische Beziehung zu den klassischen Freikirchen nicht kennen und in ihrem Selbstverständnis teilweise hervorheben, dass sie konfessionsunabhängig (nondenominational) sind. Die „neuen Freikirchen“ verstehen sich dabei nicht nur im Gegenüber zu evangelischen Landeskirchen und zur römisch-katholischen Kirche, sondern auch als Alternative zu den „alten Freikirchen“.

Auch wenn einzelne der genannten Gemeindebildungen ihre Zukunftsfähigkeit noch unter Beweis stellen müssen, zeichnet sich ab, dass das freikirchliche Spektrum des Protestantismus an Gewicht gewonnen hat und weiter gewinnen wird. Zugleich wird man sagen können: In der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und den Mitgliedskirchen der VEF ist nur ein Teil derjenigen Gruppen vertreten, die sich als Freikirchen verstehen. Eine Nähe und Verwandtschaft der neu entstandenen Gemeinschaftsbildungen ist am ehesten zur VEF und zur Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) gegeben.

Neben etwa 280000, die zu den Mitgliedskirchen der VEF gehören, ist die Zahl der freikirchlich geprägten Christen in Deutschland offensichtlich größer als bisherige Statistiken es nahelegten. Präzise Daten liegen nicht vor, es wird jedoch deutlich, dass sich in neuen Freikirchen vor allem ein evangelikaler und pfingstlich-charismatischer Frömmigkeitstyp ausbreitet, dessen weltweite Erfolgsstory auch im deutschsprachigen Kontext Westeuropas zunehmend erkennbar wird.

Die Wurzeln evangelikaler Bewegungen liegen im Pietismus, im Methodismus und in der Erweckungsbewegung. Bereits die geschichtliche Herkunft belegt, dass der Evangelikalismus an „vorfundamentalistische Strömungen“ anknüpft und innerhalb der Bewegung ein breites Spektrum an Ausprägungen der Frömmigkeit vorliegt. Auf der einen Seite steht die Heiligungsbewegung, aus der die Pfingstbewegung erwuchs, auf der anderen Seite steht ein sozial aktiver Typus evangelikaler Frömmigkeit, der Beziehungen zum Social Gospel aufweist.

Ähnlich weit wird das Spektrum, wenn die gegenwärtige evangelikale Bewegung in ihrer globalen Verbreitung und Verzweigung ins Blickfeld kommt. Sie hat in unterschiedlichen Kontinenten verschiedene Profile. Im deutschsprachigen Kontext geht es neben konfessionsübergreifenden missionarischen und evangelistischen Aktivitäten unter anderem darum, überschaubare Ergänzungen und Alternativen zu landes- beziehungsweise volkskirchlichen Einrichtungen zu entwickeln. In Südafrika und Südamerika setzen sich evangelikale Kreise kritisch mit ihrer eigenen Tradition auseinander und sind darum bemüht, Evangelisation und soziale Verantwortung in einen engen Zusammenhang zu bringen.

Weder die Frömmigkeitsformen noch die theologischen Akzente im Schriftverständnis, in den Zukunftserwartungen und im Verständnis von Kirche und Welt weisen ein einheitliches Bild auf. Gleichwohl lassen sich gemeinsame Anliegen in Theologie und Frömmigkeit benennen: Charakteristisch für evangelikale Theologie und Frömmigkeit ist die Betonung der Notwendigkeit persönlicher Glaubenserfahrung in Buße, Bekehrung/Wiedergeburt und Heiligung. In Absetzung von der Bibelkritik liberaler Theologie wird die Geltung der Heiligen Schrift als höchster Autorität in Glaubens- und Lebensfragen unterstrichen.

Der zweite Glaubensartikel, das Heilswerk Gottes in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, wird im theologischen Verständnis und in der Frömmigkeit akzentuiert. Die Einzigartigkeit Jesu Christ wird pointiert hervorgehoben. Evangelikale Religionstheologie ist exklusivistisch geprägt.

Gebet und Zeugendienst stehen im Mittelpunkt der Frömmigkeitspraxis. Gemeinde beziehungsweise Kirche werden vor allem von ihrem Evangelisations- und Missionsauftrag her verstanden. Die Ethik wird vor allem aus den Ordnungen Gottes und der Erwartung der Wiederkunft Jesu Christi und des Reiches Gottes heraus entwickelt.

Dialog zwischen katholischer Kirche und evangelikaler Bewegung

Mit diesen Akzenten in Theologie und Frömmigkeit ist der personale Aspekt des Glaubens betont, während die Sakramente in ihrer Bedeutung zurücktreten. Das Verhältnis zwischen evangelikaler Bewegung und katholischer Kirche war über lange Zeit distanziert. Inzwischen ist die römisch-katholische Kirche in einen Dialog mit evangelikalen Bewegungen eingetreten, etwa mit der World Evangelical Alliance. Von beiden Seiten wurden gemeinsame Anliegen entdeckt, unter anderem in den Themen Ehe und Familie, Homosexualität, Lebensschutz am Anfang und Ende des Lebens. In seiner Modernitäts- und Relativismuskritik spricht Benedikt XVI. vielen Evangelikalen aus dem Herzen, ebenso in seinen religionstheologischen Überlegungen, seinen hermeneutischen Anliegen (Vgl. sein Buch „Jesus von Nazareth“, Freiburg 2007) und der Christuszentriertheit vieler seiner Predigten.

Kristallisationspunkt der Sammlung der Evangelikalen im deutschsprachigen Raum ist die Deutsche Evangelische Allianz, die sich zunehmend in Richtung einer evangelikalen Allianz entwickelt hat. Zentrale Dokumente der Bewegung sind die „Allianz-Basis“ (in Deutschland/Österreich und der Schweiz in unterschiedlichen Fassungen), die „Lausanner Verpflichtung“ von 1974, die durch das „Manila-Manifest“ (LausanneII, 1989) bekräftigt und weitergeführt wurde.

Vor allem mit der „Lausanner Verpflichtung“ bekamen die weit verzweigten evangelikalen Bewegungen ein wichtiges theologisches Konsensdokument, welches zeigt, dass sie sich nicht allein aus einer antiökumenischen und antimodernistischen Perspektive bestimmen lassen, sondern in ihnen die großen ökumenischen Themen der letzten Jahrzehnte aufgegriffen werden (etwa die Verbindung von Evangelisation und sozialer Verantwortung, das Engagement der Laien, Mission und Kultur, Religionsfreiheit und Menschenrechte).

Mission und Ökumene nicht trennen

Im Unterschied zur ökumenischen Bewegung, in der Kirchen miteinander Gemeinschaft suchen und gestalten, steht hinter den evangelikalen Bewegungen das Konzept einer evangelistisch-missionarisch orientierten Gesinnungsökumene, in der ekklesiologische Eigenarten und Themen zurückgestellt werden und im evangelistisch-missionarischen Engagement und Zeugnis der entscheidende Ansatzpunkt gegenwärtiger ökumenischer Verpflichtung gesehen wird. Evangelikalen und pfingstlich-charismatischen Gruppen geht es weniger um die offizielle Kooperation und Gemeinschaft von Kirchen, wie dies in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) geschieht, sondern um eine transkonfessionell orientierte Gemeinschaft auf der Basis gleichartiger Glaubenserfahrungen und -überzeugungen.

Lange Zeit haben die historischen Kirchen pentekostale Bewegungen als sektiererische Abspaltungen wahrgenommen. Demgegenüber hat die Pfingstbewegung in den großen Kirchen antichristliche Systeme gesehen. Wie keine andere Erweckungsbewegung hat die Pfingstbewegung zur Fragmentierung vor allem der protestantischen Christenheit beigetragen. Segregation scheint ein fundamentales Prinzip ihrer Ausbreitung zu sein. In ökumenischer Hinsicht werfen Missionspraxis und Gemeindegründungsprogrammatik zahlreiche ungeklärte Fragen auf.

Manche Pfingstgemeinschaften arbeiten in der lokalen Ökumene mit. Die größte Pfingstgemeinschaft in Deutschland, der Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP, etwa 40000 Mitglieder) bekundet zunehmend Offenheit gegenüber anderen Kirchen und wandelte 2001 seinen Status als Gastmitglied der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) in eine Vollmitgliedschaft um und sucht die Verbindung zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen.

Nach Jahrzehnten großer Distanz hat sich in Deutschland zugleich eine deutliche Annäherung zwischen Pfingstlern und Evangelikalen vollzogen, wozu internationale Entwicklungen mit beigetragen haben (unter anderem die Präsenz von Pfingstlern und Charismatikern in nahezu allen Gremien der internationalen Lausanner Bewegung und der Weltweiten Evangelischen Allianz). Konfliktreich breitet sich pentekostale Frömmigkeit heute vor allem in zahlreichen „konfessiosunabhängigen“ (nondenominational) charismatischen Gemeinden und Zentren aus, die ihrem Selbstverständnis nach „überkonfessionell“ sind, in Lehre und Praxis der Pfingstbewegung jedoch nahestehen.

Freikirchen, Evangelikale und Pfingstler akzentuieren in ihrem Selbstverständnis die missionarische Aufgabe. Die Frage ihres Verhältnisses zur ökumenischen Bewegung lässt sich nicht pauschal beantworten. Das Selbstverständnis zahlreicher Gruppen als „überkonfessionell“ oder „interkonfessionell“ kann falsche Assoziationen wecken. Es suggeriert ökumenische Weite, dabei geht es eher um die Deutlichkeit christlichen Profils und weniger um die Anerkennung von Vielfalt. Vor allem dann, wenn ein evangelikaler oder pfingstlich-charismatischer Frömmigkeitstypus dazu neigt, sich selbst absolut zu setzen und nur evangelikal orientierte Gläubige als Christinnen und Christen anerkennt, muss ihm widersprochen werden.

Die Antwort auf die Frage „Wer ist ein Christ?“ lässt sich angemessen nicht allein durch Bezugnahme auf eine besondere Frömmigkeitsform beantworten. Der Vorstand der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) hat erst kürzlich mit Recht darauf hingewiesen, dass Freikirchen nicht pauschal mit der evangelikalen Bewegung gleichgesetzt werden dürfen. Dabei ging es auch darum, ökumenische Offenheit und die Anerkennung von legitimer Vielfalt als Merkmale christlichen Lebens zu unterstreichen.

Angesichts fortschreitender Säkularisierungsprozesse und eines Kontextes, der sich zunehmend in Richtung eines religiösen Pluralismus entwickelt, kann ein überzeugendes missionarisches Zeugnis nur gemeinsam erfolgen. In der Begegnung zwischen Christinnen und Christen unterschiedlicher Frömmigkeitsprägungen müssen alle lernen, Vielfalt auszuhalten und die Kirche Jesu Christi als „versöhnte Verschiedenheit“ zu begreifen. Es gibt eine Haftungsgemeinschaft aller christlichen Gemeinschaften im Blick auf das, was ein christliches Zeugnis in der Gesellschaft bedeutet und was als solches wahrgenommen werden kann.

Deshalb sind Bemühungen zu unterstützen, die dazu beitragen, dass neue Gemeinschaftsbildungen, evangelistische Initiativen und charismatische Frömmigkeitsformen sich nicht von den Lernerfahrungen der Gesamtkirche abkoppeln. Missionarische Initiativen und neue christliche Gemeinschaftsbildungen müssen sich nach ihrer Ökumenefähigkeit fragen lassen; etablierte Gemeinden und Kirchen dürfen der Frage nach ihrer eigenen Erneuerungsfähigkeit nicht ausweichen. Neu aufbrechende Glaubenserfahrungen sind an geschichtlicher Kontinuität zu überprüfen.

Zugleich gilt, dass die Kirche Christi immer eine Werdegestalt hat. Sie darf ihren heutigen Auftrag nicht mit der Festschreibung ihrer Lebensform von gestern verwechseln. Wo entdeckt wird, dass der eigene Frömmigkeitsstil nicht der einzige ist, geschieht Öffnung für die Weite und Vielfalt des Leibes Christi und ergibt sich die Möglichkeit für gegenseitige Bereicherung und Korrektur.

Das Missionsverständnis wurde seit Mitte der sechziger Jahre zu einem Kristallisationspunkt der ökumenisch-evangelikalen Polarisierung. Zentrale Themenbereiche waren dabei Mission und Dialog, das Verhältnis zwischen christlichem Glauben und anderen Religionen beziehungsweise die Frage nach der Einzigartigkeit und Universalität Jesu Christi, die Konkretionen der politischen Verantwortung der Christen. Bereits die Ergebnisse des Zweiten Kongresses für Weltevangelisation (LausanneII), der 1989 in Manila stattfand, zeigten jedoch, dass sich „evangelikale“ und „ökumenische“ Aktivitäten wechselseitig beeinflussen und überschneiden. Die Lausanner Bewegung greift Fragestellungen und Themen der ökumenischen Bewegung auf und entwickelt ein ganzheitliches Missionsverständnis, während die ökumenische Bewegung ihrerseits das Anliegen von Mission und Evangelisation weiter entfaltet.

Von daher zeichnen sich zwischen ökumenischem und evangelikalem Missionsverständnis Verständigungsmöglichkeiten ab. Es wird sich zeigen, inwiefern und ob im Herbst dieses Jahres beim Dritten Kongress für Weltevangelisation (LausanneIII) in Kapstadt Perspektiven zur Verständigung weiter entfaltet werden. Beziehungslosigkeit und Polarisierung zwischen historischen Kirchen und neuen Frömmigkeitsbewegungen können von beiden Seiten nicht wünschenswert sein.

Aus der Geschichte der ökumenischen Bewegung treten drei Perspektiven hervor, die allesamt darauf abzielen, Einheit und Gemeinschaft der Christen und Kirchen zu stärken: die Akzentuierung der Einheit in der missionarisch evangelistischen Sendung (missionarisches Motiv), die Akzentuierung der Einheit im verantwortlichen Dienst in der Welt (sozialethisches Motiv), die Akzentuierung der Einheit im apostolischen Glauben (theologisch-ekklesiologisches Motiv). Freilich darf und kann es unterschiedliche Betonungen der drei genannten Akzente geben. Grundlegend wichtig ist jedoch, das Miteinander dieser durchaus spannungsvollen Perspektiven zu wahren.

In der gegenwärtigen Situation dürfte es wichtig sein, sich über die Zusammengehörigkeit von ökumenischem und missionarischem Auftrag Rechenschaft abzulegen. Das missionarische Zeugnis gegenüber der Welt kann glaubwürdig nicht im Alleingang geschehen und erst recht nicht in Konkurrenz verschiedener Kirchen, Gruppen und Bewegungen. Im Kontext zunehmender kultureller und religiöser Pluralisierung hat die Aufgabe, Zusammenarbeit in Zeugnis, Gemeinschaft und Dienst zu suchen, nichts an Dringlichkeit verloren.

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