Gottesdienstübertragungen im InternetDarf der Pfarrer das?

Schon jetzt werden Gottesdienste nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Internet übertragen. Diese Art der Gottesdienstübertragung dürfte künftig eine wichtigere Rolle spielen, je mehr Fernsehen und Internet zusammenwachsen. Die Kirche wäre gut beraten, die Chancen dieser neuen Art der Präsenz in den Medien zu prüfen.

Darf ein katholischer Priester ohne weitere Rückfragen den von ihm selbst zelebrierten Gottesdienst mit einer Webcam vom Küster aufnehmen und live im Internet ausstrahlen lassen? Nein! Nach Kanon 772 § 2 des Codex Iuris Canonici, des kirchlichen Rechtsbuches, gilt: „Hinsichtlich der Verbreitung der Christlichen Lehre in Hörfunk oder Fernsehen sind die Vorschriften der Bischofskonferenzen zu beachten.“

Diese sind dann in den Leitlinien für die „Gottesdienst-Übertragungen im Hörfunk und Fernsehen“ geregelt, die bestimmen: „Die Letztverantwortung für die Ausstrahlung einer gottesdienstlichen Feier obliegt dem für die Übertragungsgemeinde zuständigen Ortsbischof, der diese Aufgabe einer Institution oder einer Person delegieren kann…“ (Gottesdienstübertragungen in Hörfunk und Fernsehen, Leitlinien und Empfehlungen, Hg. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit den Liturgischen Instituten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, 2007). Zwar berücksichtigen die Leitlinien das Internet mit keinem einzigen Wort, aber sie gelten analog.

Jeden Sonntag streamt (Audio- und Videodatenübertragung) das Kölner Domradio – Start Dezember 2003, zunächst mit simplen Webcams – das Hochamt aus dem Dom. Seit diesem Jahr sind auch Gottesdienstübertragungen im Internet aus den Kathedralen in Essen (jeden Sonntag) und München (nur an Hochfesten) zu sehen. Andere Bistümer, zum Beispiel Aachen und Hildesheim, unternahmen erste Versuche und planen ein kontinuierliches Angebot.

Qualitativ zeigen die Übertragungen sehr unterschiedliche technische Standards: Die Bandbreite beginnt in Köln. Mitarbeiter des Domradios (www.domradio.de) filmen live, ferngesteuert per Joystick aus dem Nachbargebäude, mit mehreren fest installierten, semiprofessionellen Kameras vor Ort die Eucharistiefeier aus verschiedenen Perspektiven. Das Kamerapersonal erhält Basisschulungen zur Bildregie, so dass, soweit technisch möglich, sinnvolle Bilder erzeugt werden. Die Kirchenbesucher vor Ort bekommen von der Technik kaum etwas mit, da die Kameras fest und dezent an den Kirchensäulen installiert sind.

Bemerkenswert: Das WEB-TV-Bild des Domradios wird vom lokalen Fernsehsender Center-TV optisch für eine minimale Fernsehqualität aufbereitet und „ganz normal“ im Fernsehen gesendet. Am anderen Ende des Qualitätsniveaus, in Essen (www.kirchenportal.eu), steht eine einzige Kamera auf der Empore der Münsterkirche, die aus starrem Blickwinkel, nur gelegentlichem Vor- oder Rückwärts-Zoom und großer Entfernung die Eucharistiefeier überträgt.

Gottesdienstübertragungen der ARD sind auch im Internet abrufbar

Theoretisch und praktisch ginge es sogar noch einfacher. Würde ein Pfarrer sein Laptop mit Kamera und Mikro, das schnurlos über W-Lan im Pfarrhaus mit dem Internet verbunden ist, in den Mittelgang der Kirche stellen, bräuchte er beim Einzug nur schnell auf die Recordtaste des PC-Filmprogramms zu drücken und das Geschehen im Altarraum würde live und kostenlos über Provider, wie etwa www.zapplive.com oder www.make.tv, im Internet zu sehen sein. Per „embedded code“ kann das Video zudem auf jeder beliebigen Website implementiert werden.

Neben diesen Gottesdienstübertragungen sind im Internet noch weitere, vor allem auch professionell produzierte zu finden. Das ZDF streamt jeden Sonntag einen Gottesdienst auf den eigenen Websites – denselben, der auch „im Zweiten“ selbst live ausgestrahlt wird. Die ARD ist noch zurückhaltender, was die Übertragung auf Websites betrifft. Aber über die Internetseiten von www.zattoo.tv sind alle öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme jederzeit online zu verfolgen. Damit sind ausnahmslos alle Gottesdienstübertragungen der ARD-Sender auch im Internet abzurufen. Selbst der Papst-Gottesdienst aus Tschechien (Oktober 2009), den der Bayrische Rundfunk nur auf BR-Alpha zeigte, war so im Internet präsent.

Und noch mehr Angebote: die Spartensender K-TV, EWTN und Bibel-TV streamen ihr Programm ebenfalls. Regelmäßig, nicht nur sonntags, sondern auch an Werktagen sind hier Gottesdienste in deutscher Sprache zu sehen.

Bei allen Niveauunterschieden der „Internetgottesdienste“ gilt die Faustregel: Immer, wenn professionelle TV-Kameras beteiligt sind und die Gottesdienste von Fernsehsendern übertragen und zeitgleich ins Internet gestellt werden, liegen Bild- und Tonqualität im Premiumbereich. Do it yourself WEB-TV zeigt hingegen in der Regel von der mangelhaften Ausleuchtung bis hin zu fehlender, professioneller Kameraführungskompetenz durchweg Schwächen. Das gilt auch für die „Auflösung“. Evident ist, dass jahrzehntelange Reflexionen mystagogischer Bildregie und die permanente Begleitung durch das Liturgische Institut den ZDF-Gottesdienstübertragungen fast normativen Charakter zukommen lassen, während Webcam-Angebote derzeit grundsätzlich zu optimieren sind.

Die Bilanz bei den Einschaltquoten: Im Fernsehen erreicht das Flaggschiff „Gottesdienstübertragungen im ZDF“ annähernd eine Million Zuschauer. Bei WEB-TV-Übertragungen hingegen gibt es keine Quoten. Hinweise liefert lediglich Google mit Extrapolationen verschiedener Daten, die auch zum Beispiel Aussagen über die „visits“ (Besucher pro Tag) einzelner Webseiten liefern. Aus Erfahrung der Katholischen Fernseharbeit in Kooperation mit verschiedenen Webservern dürften es in der Regel nur wenige hundert Menschen sein, die einen Sonntagsgottesdienst im Internet verfolgen oder sogar mitfeiern.

Der Chefredakteur des Domradios, Ingo Brüggenjürgen, spricht von 500 bis 600 Menschen, die sich sonntags zeitweilig in die Übertragung aus dem Kölner Dom einschalten beziehungsweise die Internetseite aufrufen. Auch die Übernahme des Webgottesdienstes bei dem lokalen TV-Sender erreicht kein Massenpublikum. Einschaltquoten werden dort nicht ausgewiesen. Stephan Born, Chefredakteur der Center-TV-Holding: „Auf die Übernahme der Gottesdienste in Köln erhalten wir viel positive Resonanz durch die Zuschauer. Deshalb werden wir in Kürze auch den WEB-Gottesdienst aus dem Dom in Essen in unser Programm von center.tv Ruhr aufnehmen“.

In den USA formieren sich Online-Kirchen

Eucharistiefeiern im Internet sind also inzwischen in großer Zahl abrufbar, sicher auch mit deutlich rascher Tendenz nach oben. Im Vergleich zu den Gottesdienstübertragungen im Fernsehen sind die Einschaltquoten der WEB-TV-Gottesdienste aber völlig unbedeutend. Ursächlich dafür ist die Tatsache, dass die meisten Gottesdienste im Internet Übernahmen aus dem TV-Programm (bundesweit, lokal oder Spartensender per Satellit/Kabel) sind, die eindeutig zuerst im Fernsehen verfolgt werden.

Das hängt mit den Interessensgruppen zusammen. Plakativ formuliert: Ältere Leute, die Gottesdienste über die Medien mitfeiern möchten, schalten dafür ihr Fernseh- oder Radiogerät ein. Jüngere Menschen hingegen, die das Internet in zunehmenden Maß der Konvergenz mit dem Fernsehen nutzen, klicken die TV-Liturgie selten an; sie sind auch gar nicht die Zielgruppe. Die Kirchen selbst woll(t)en mit Gottesdienstfeiern in den Medien primär die erreichen, die aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht mehr an der Versammlung der Ortsgemeinde teilnehmen können.

Eine ganz andere Frage ist, ob – unabhängig von der sonntäglichen Eucharistiefeier – speziell kreierte Gottesdienste für das Internet neue Zielgruppen erreichen könnten und somit zur Stabilisierung der christlichen Gemeinden und Gemeinschaften beitragen. Dafür gibt es erste Anzeichen. In der virtuellen Welt des Second Life (www.kirche-in-virtuellen-Welten.de) etwa wird gebetet und auch bei www.funcity.de findet sich ein offenes Gotteshaus. Wer will, kann auch das gesamte Stundengebet live (Audiofile) aus St. Ottilien (www.erzabtei.de) verfolgen, einzelne, konservierte Horen (zum Beispiel www.Abendlob.de) mitbeten und viele andere Möglichkeiten nutzen.

Primär aber spielt sich alles im Audiobereich ab. In der Kombination mit TV-Livebildern oder sogar Kommunikationsmöglichkeiten (Beten per Chat, Tweets oder zugeschaltete Gläubige sogar im Livebild via Skype) herrscht noch weitestgehend Tabula rasa, obwohl die technischen Möglichkeiten längst vorhanden und absolut simpel in vorhandene Websites einzubinden sind. Der Blick auf den amerikanischen Kontinent zeigt, was auf uns zukommt. In den USA formieren sich Online-Kirchen, deren Mitglieder sich in Webcommunities versammeln und dort ihr geistliches Leben pflegen, Beichten inklusive (zum Beispiel www.gccwired.com).

Das bringt die Ausgangsfrage „Darf der Pfarrer (oder sonst jemand) das?“ wieder in den Blick. Gottesdienst im umfassenden Sinn, als Zusammenkunft von Menschen, die mit Gott Gemeinschaft suchen, verbietet niemand, egal ob diese Treffen real oder virtuell stattfinden. Im Gegenteil. Die Katholische Kirche selbst fördert das geistliche Leben im Internet, wie die Engagements der Diözesen zeigen. Für die Eucharistiefeier aber gelten Regeln, deren einfache Übertragung auf das Internet hinterfragt werden müssen. Dazu zunächst ein Blick in die Geschichte der Rundfunkübertragungen. Während Hörfunkgottesdienste bereits kurz nach Kriegsende starteten, folgten unregelmäßige „Fernsehgottesdienste“ erst in den fünfziger und sechziger Jahren.

Dabei wurde Für und Wider heftig diskutiert. Die Arkandisziplin (interner, schützenswerter Kultus) und die „disciplina sacra“ (Sonntagsgebot, Pflicht zum Kirchgang) spielten dabei eine entscheidende Rolle und führten zunächst zu einer eher ablehnenden Haltung unter den Theologen. Prominentester Bedenkenträger war Karl Rahner, der eine „Profanierung des Heiligen“ fürchtete.

Die Liturgiewissenschaftlerin Birgit Jeggle-Merz referierte im Oktober 2009 bei einem Treffen der Mitglieder des Abt-Herwegen-Institutes, dass eine offizielle Entscheidung der Deutschen Bischöfe bis heute auch nicht gefallen sei. Darf man Eucharistiefeiern im Fernsehen übertragen? „Wir haben eine Praxis der Gottesdienstübertragungen, doch die theologischen Fragen sind nicht geklärt“ (Jeggle-Merz). Irgendwann hatten die Realität der Medien und die pastorale Nachfrage der Gläubigen alle theologischen Bedenken überrollt und die Bischofskonferenz reagierte auf die Praxis mit Leitlinien.

Der gleiche Prozess scheint jetzt bezogen auf Gottesdienstübertragungen im Internet abzulaufen. Die Konvergenz der Medien Fernsehen und Internet führt zur Präsenz zahlreicher, live gestreamter Gottesdienste. Die technischen Möglichkeiten der fast kostenlosen Bewegtbildübertragung erlauben dasselbe Ziel von jedermann zu erreichen. Und die Chancen werden genutzt. Diözesane Einrichtungen, zumeist Medienarbeitsstellen setzen sich an die Spitze der Bewegung und übernehmen eine Art Vorbildfunktion. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Priester wirklich sein Laptop in den Mittelgang der Pfarrkirche stellt. Klar ist allerdings: Er wird – zur Zeit schon allein aufgrund der Serverkapazitäten – nur wenige Zuschauer/innen per WEB-TV erreichen. Ähnliches gilt auch für die WEB-Streamings der TV-Sender. Wichtig sind die Fragen: Werden die Zuschauerzahlen mit optimierter Technik zunehmen? Und mit welcher Intention folgen die Menschen der Eucharistiefeier im Internet?

Wenn Fernsehen und Internet verschmelzen

Schon in wenigen Jahren wird der Flatscreen an der Wohnzimmerwand das alles beherrschende Medium sein. Darauf sehen wir konventionell fern, sei es die Tagesschau oder „Wer wird Millionär?“. Mit derselben Fernbedienung lässt sich auf dem Flat in die Online-Mediatheken der TV-Sender zum „Abruffernsehen“ schalten. Den Tatort oder die Lieblingsdaily zeitversetzt zu schauen ist schon heute bei jungen Leuten an der Tagesordnung. Meist allerdings müssen sie zum PC und damit von der Couch zum Tisch wechseln. Diese Unbequemlichkeit entfällt. Mit den Programmiertasten auf der Fernbedienung wählt man zukünftig konventionelle Fernsehprogramme oder WEB-TV auf Knopfdruck. Schon deshalb werden Zuschauerzahlen für das Internetfernsehen rasant ansteigen.

Zweiter wichtiger Faktor: Ältere Menschen nutzen die Angebote zunehmend, wenn die Bedienung leichter fällt. Dafür sorgt der technische Fortschritt. Es lässt sich leicht prognostizieren, dass Zuschauer, die bereits heute Interesse an einer täglichen Eucharistiefeier haben und deren Nachfragen bei den konventionellen Fernsehsendern kein Gehör finden, in Zukunft auf die Angebote im WEB-TV zurückgreifen, sofern sie einfach auffindbar sind.

Bei der theologischen Diskussion um Gottesdienstübertragungen im Fernsehen stellten die Wissenschaftler in den sechziger Jahren vor allem die Intention, mit der Zuschauer einschalteten, in den Mittelpunkt. Das Horrorszenario war der Biertrinker vor dem Bildschirm während der Eucharistiefeier. Erwünscht hingegen sind bis heute primär die „Mitfeiernden“. Tatsächlich erreicht das Fernsehen überwiegend diese Zielgruppe: Ältere, kranke Menschen, die sonntags keine Messe mehr besuchen können. Das Durchschnittsalter der ZDF-Gottesdienstzuschauer liegt über 70 Jahre, die Verweildauer ist vor allem bei älteren Menschen sehr hoch. Manch älterer Christ zündet sonntags neben dem Fernseher eine Kerze an, betet mit und singt die Gottesloblieder.

Die Aufmerksamkeit gilt den Mitfeiernden

Langfristig wird sich die Lebenssituation der Älteren ändern. Wer heute 50 oder 60 Jahre alt und sehr wahrscheinlich längst im Internet zu Haus ist, wird später im Seniorenheim nicht auf den „Netzanschluss“ verzichten. Es dauert nur kurze Zeit, bis die Technik den Rezipienten eine für das Internet kreierte Gottesdienstübertragung komfortabel einzuschalten bietet und das Ereignis selbst angemessen würdig übertragen wird. Die Quote der Älteren, die aktuell den Internetanschluss suchen, steigt permanent an. 75 Prozent der Gesamtbevölkerung sind bereits online.

Die professionelle Gottesdienstübertragung im WEB-TV ist in Deutschland noch fern, in den USA aber schon längst Alltag: die mit vielen ferngesteuerten Kameras und Scheinwerfern eingerichteten Kapellen von Mother Angelica oder www.Catholic.TV in Boston (Medienbischof Gebhard Fürst zelebrierte darin schon online ...) weisen den Weg. Mother Angelicas Sender EWTN offeriert unter www.ewtn.de mittlerweile auch ein deutschsprachiges Programm. Von hier noch einmal zu St. Ottilien: Von der Übertragung sämtlicher Stundengebete per Audiostream heute bis zum Videostream morgen wäre es nur ein ganzer kleiner Schritt.

Neben den Mitfeiernden gilt die Aufmerksamkeit den religiös Interessierten, die auch bei Gottesdienstübertragungen im Fernsehen reinzappen. Im Internet surfen sie derzeit bei Live-Gottesdiensten vorbei, sie informieren sich oder sind auf der Suche nach Gott. Vermutlich stabilisiert das – auch nur zeitweilige – Gottesdiensterlebnis online die religiöse Identität und fördert die globale Gemeindebildung.

Diese Zielgruppenerweiterung erscheint bedenkenswert; ein profiliertes, kontinuierliches Gottesdienstangebot optimiert letztlich den gemeinschaftsbildenden Charakter und führt auf Dauer zur Intention, wirklich Mitfeiernde beziehungsweise Anteilhabende bei einer zeitlich realen Eucharistiefeier zu sein.

Der religiösen Vertiefung dienen vielleicht auch die dokumentierten Gottesdienstübertragungen. In dem Maß, in dem Fernsehen und Internet verschmelzen und die Film- und Videodaten auf Hochleistungsrechnern nicht nur transportiert, sondern auch gespeichert werden, sind Gottesdienste jederzeit verfügbar. Den Blick in die Zukunft eröffnet wieder die Perspektive zurück auf das Fernsehen dieser Tage. Schon heute befindet sich im ZDF der jeweils letzte Sonntagsgottesdienst in der Mediathek, was den Leitlinien nach „zur Dokumentation“ erlaubt ist.

Unter den Rundfunkbeauftragten wurde zeitweilig diskutiert, ob die Kennzeichnung „Wiederholung“ oder „Dokumentation“ hinzugefügt werden müsste. Andererseits kann sich kein User der Logik verschließen, dass „Abruffernsehen“ im Internet nicht live sein kann. In jedem Moment, in dem Bewegtbild im Internet gestreamt wird, bedarf es nur eines Tastendrucks um den Datenstrom zu speichern, sei es beim Sender oder auch beim Empfänger, der die Videobilder seinerseits wieder ins Netz stellen kann. Auf Youtube finden sich inzwischen zahllose Beispiele für komplette Eucharistiefeiern oder Ausschnitte daraus. Selbst die Sympathisanten der Piusbrüder respektieren die Heilige Messe nicht mehr ausschließlich im Augenblick der Feier, wie Videos auf zum Beispiel www.gloria.tv beweisen.

Was ist mit der Wiederholung von Gottesdiensten?

Im Internet wird somit eine liturgietheologische Frage einfach konsequent als nicht existierend angesehen, die für das Fernsehen aber immer noch mit einem gültigen Nein der Leitlinien beantwortet wird. Darf man eine komplette Messfeier oder auch nur Ausschnitte – von den Predigten einmal abgesehen – im Fernsehen wiederholen? Die Leitlinien verneinen dies eindeutig, um den Anteilnahmecharakter an der Eucharistie zu wahren. Aus diesem Grund werden selbst historische Gottesdienste im Fernsehen nicht zweimal gezeigt, obwohl vor allem die Nachrichten- und Dokumentationskanäle diese Bilder ihren Zuschauern sehr gern noch mehrmals zeigen würden.

Wenngleich sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten aufgrund ihrer engen Kooperationen grundsätzlich an diese Regelung halten, setzen sie sich in Ausnahmefällen über das Wiederholungsverbot hinweg. Die Einschaltquote der Mehrfachsendung einer königlichen Hochzeit ist zu verlockend, um in der Nacht nicht noch einmal einen ordentlichen Marktanteil einzufahren, vor allem kostenlos! Auch der Zuschauer hat vielleicht ein durchaus ernst zu nehmendes Bedürfnis, sich von den Bildern noch einmal einnehmen zu lassen.

Die Wiederholung des Requiems für Johannes Paul II. 2005 in der Nacht bei Phönix bot in diesem Sinne vielen Christen die Chance, vom Papst Abschied nehmen zu können, weil sie morgens bei der Live-Übertragung arbeiten mussten. Der frühere Zeremonienmeister des Papstes, Piero Marini, konstatierte bei einer Tagung der Katholischen Fernseharbeit zur „Liturgie im Fernsehen“ (Frankfurt, St. Georgen, 2006) „ein pastorales Interesse“ der Kirche, wenn Gottesdienstwiederholungen im Fernsehen dem Zuschauer zur religiösen Erbauung dienen.

Der Vatikan selbst vertreibt DVD’s mit Papstgottesdiensten, die beliebig oft abzuspielen sind. In diesem Zusammenhang ist wichtig: Die zeitversetzte und damit nicht-live-Ausstrahlung von Gottesdiensten ist in allen anderen Ländern der Erde kein Thema. Auch in Deutschland gab es bereits einmalig eine Abweichung von der Vorschrift: Ein Gottesdienst aus Brasilien (2008 zum 50. Misereor-Jubiläum) wurde um eine Stunde zeitversetzt in der ARD ausgestrahlt.

Das deutsche Gebot der ausschließlichen Liveübertragung eines kompletten Gottesdienstes im Fernsehen und das Verbot der Wiederholung wird vom Verhalten der Nutzer des globalen Internets kaum mehr beachtet. Auch im Fernsehen zeigen sich Sollbruchstellen: Während ARD, ZDF und auch Phoenix ihr Programm mit den Kirchenbeauftragten in der Regel abstimmen und sich an die Vorschriften halten, geht es bei den privaten Nachrichtensendern n-tv oder N24 sehr viel rücksichtsloser zu. Dort steht das Sakrileg fast auf der Tagesordnung: Bei Papstgottesdiensten wird einfach für eine halbe Stunde in die Übertragung des Vatikanfernsehens reingeschaltet, wenn der Redaktionsleiter es gerade angesagt findet.

Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die bundesweiten privaten Fernsehsender, Dietmar Heeg, sieht sich schon lange zwischen den Stühlen und fordert deshalb die Leitlinien für Gottesdienstübertragungen den neuen medialen Gegebenheiten anzupassen. „Jesus würde sicher alle modernen digitalen Möglichkeiten der Verkündigung seiner frohen Botschaft nutzen. Die Leitlinien sollten deshalb aktualisiert und angepasst werden.“ Die theologische Diskussion darüber wird nicht mehr allein unter dem Aspekt „Fernsehen“ zu führen sein.

Der Upload von Gottesdiensten im Internet durch User und Gläubige geschieht nicht nur aus Gründen der Dokumentation. Die Botschaft soll weitergesagt werden – ein klassisches Motiv der Verkündigung. Es geht also am Ende gar nicht mehr allein um die Ge- oder Verbotsfrage „Darf der Pfarrer das?“, sondern um Leitlinien und Empfehlungen zu Gottesdienstübertragungen in allen Medien für Menschen (guten Willens) die sowieso die Aufnahmetasten drücken.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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