"Rechte Esoterik"Braune Gedanken

Es beginnt mit harmlosen Spinnereien und endet mit Mordaufrufen. Der Theologe Matthias Pöhlmann hat untersucht, wie rechte Esoteriker zu geistigen Brandstiftern werden.

Laut sind die Stimmen der rechtsalternativen Szene. Polizisten, Journalistinnen, Politiker oder Wissenschaftlerinnen werden in sozialen Netzwerken verunglimpft, bei Veranstaltungen und Kundgebungen verbal angegriffen oder sogar körperlich attackiert. Zu den Demonstranten gehören bürgerliche Familien mit Kindern, Corona-Leugner, Impfgegner, aber auch Reichsbürger und Rechtsextreme. Peacefahnen werden neben Reichskriegsfahnen geschwenkt.

Als „heterogene Misstrauensgemeinschaft“ bezeichnet der Münchner Theologe Matthias Pöhlmann die Teilnehmenden. Er ist Beauftrager für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, gilt als ausgewiesener Experte für die „Querdenken“-Bewegung. Jetzt legt er eine fundierte Dokumentation über eine radikaler und dynamischer werdende Szene vor. Inzwischen dringt sie in die Mitte der Gesellschaft vor. Intensiv hat der Autor recherchiert und analysiert. Er verfolgte in Live-Streams Corona-Proteste und Querdenker-Demonstrationen oder besuchte sie als teilnehmender Beobachter. Dabei musste er selbst erfahren, wie es ist, als Maskenträger angepöbelt und angefeindet zu werden. Pöhlmann ordnet aktuelle Phänomene ein und blickt auf historische Entwicklungen und Motive.

Stofflappen unter Verdacht

Lange wurden Einfluss und Gefahrenpotenziale rechter Esoterik von Politik und Medien unterschätzt. „Was auf den ersten Blick als harmlose Spinnerei erscheint, birgt immensen gesellschaftlichen Sprengstoff“, erklärt Pöhlmann. Gleichzeitig betont er, dass nicht jede Esoterik gleich rechts sein müsse. Doch seit den 1990ern gibt es vermehrt Überschneidungen zu verfassungsfeindlichem und rechtsextremem Denken. Viele hoffen, in der Esoterik einfache Antworten auf komplexe Fragen zu finden. Nichts passiere durch Zufall, alles hänge mit allem zusammen, so die Grundannahme der Anhänger. So sind sie besonders empfänglich für Verschwörungserzählungen. Schwarz-Weiß-Denken dominiert, einfache Feindbilder haben in unsicheren Zeiten Hochkonjunktur.

Esoterik sei ein „Trojanisches Pferd für rechtsextremes Denken“, schreibt der Autor: „Rechte Esoteriker erweisen sich damit als geistige Brandstifter für antipluralistisches und antidemokratisches Denken.“ Das manifestiert sich in Falschnachrichten, Wissenschaftsfeindlichkeit oder Hassbotschaften. Bei Corona-Protesten werden Masken zu „faschistischen Stofflappen“ erklärt und es kommt zu konkreten Angriffen auf die Demokratie wie beim „Sturm auf den Reichstag“ im August 2020.

Mit Kopf und Herz

Vor allem in Online-Medien werden rechtsalternative Ideen verbreitet. Man prophezeit die Abschaffung des Bargelds, warnt vor einer neuen Weltordnung oder erklärt Bill Gates zum eigentlichen Drahtzieher und finanziellen Profiteur der Corona-Pandemie. Das erschreckende Gedankengut wird in sozialen Netzwerken oder durch eigene rechtsalternative Verlage verbreitet. Einige werden inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet.

Christen und Kirchen sieht Matthias Pöhlmann in der Pflicht, gegen solchen Verschwörungsglauben deutlich Widerspruch einzulegen. Wachsenden Aggressionen und Misstrauen gilt es sich mit Vertrauen, Einfühlungsvermögen und Solidarität entgegenzustellen. Der Autor verweist auf das „ideologiekritische Potenzial“ des christlichen Glaubens. Sein theologisches Plädoyer für eine „Kultur der gegenseitigen Rücksichtnahme“ und eine „Ethik des Mitgefühls“ im Schlusskapitel ist ein Gedankenanstoß. Doch es sollte von uns allen als Handlungsauftrag für eine demokratisch-freiheitliche und vom respektvollen Umgang geprägte Gesellschaft verstanden werden. Dafür brauche es laut Pöhlmann aus christlicher Perspektive eine ausgewogene Balance aus Herz und Verstand: „Mit dem Kopf zu fühlen und dem Herzen zu denken.“

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