Kirchenvandalismus und der öffentliche Friede

Tatort Kirche im Jahr 2020: Zum Beispiel in Sankt Joseph, Berlin-Wedding, während der Eucharistiefeier. Ein Mann verlässt seinen Sitzplatz, spuckt herum, geht zum Priester, schlägt ihn mit der Faust nieder. Der Bruder des Pfarrers will helfen und wird selbst attackiert – mit einem liturgischen Buch. Oder in Frankreich: Dort brannte im Juli die gotische Kathedrale von Nantes, das Feuer zerstörte die über dreihundert Jahre alte Orgel, mittelalterliche Fenster gingen verloren. Oder in Amerika, wo ein Mann mit einem Bus in eine Kirche raste. Und am selben Tag brannte aus ungeklärten Gründen eine Kirche in Los Angeles.

In Frankreich und in Amerika ist man alarmiert. Vor der europäischen Bischofskommission berichtete der in Frankreich lebende Theologe Stefan Lunte von mehr als tausend Taten jährlich gegen Kirchen und christliche Statuen. Die Bischofskonferenz in Amerika sorgt sich über eine „steigende Zahl von vandalistischen Vorfällen und Feuer gegen Kirchen“. Christian Stäblein, der evangelische Bischof von Berlin, beobachtet in Deutschland aber keineswegs zunehmenden Kirchenvandalismus. Kirche könne in einem gesellschaftlich aufgeheizten Klima allerdings rasch „zwischen die Fronten“ kommen, ihre Gebäude würden bis heute als „Symbole der Macht“ betrachtet, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Laut der Katholischen Nachrichten-Agentur gibt es jährlich mindestens 2000 Fälle von Diebstahl und Einbruch – also mehr als in Frankreich. Die Kirchen-Versicherung Ecclesia, hauptsächlich zuständig für evangelische Kirchen, sieht in Deutschland und Österreich zumindest keine Zunahme kirchlicher Schadensfälle.

Wenn Kirche zum Tatort wird, sollten staatliche Behörden kritischer ermitteln, fordert Jakob Johannes Koch von der Bischofskonferenz. Er hat im Februar in der „Herder Korrespondenz“ vorgeschlagen, in diesen Fällen auch eine „Beschimpfung von Bekenntnissen“ zu unterstellen: Im viel diskutierten Paragraphen 166 des Strafgesetzbuchs („Blasphemie-Paragraph“) gehe es „um nichts weniger als um den öffentlichen Frieden – und der Friede unter den Menschen, Gläubigen wie Nichtgläubigen, sollte uns doch jede Anstrengung wert sein“. Vandalismus in Kirchen habe auch in Deutschland „krass zugenommen“, ist Koch sicher, „nicht nur im Ausmaß, sondern auch in der Qualität.“ Schwierig sei es aber, die Motive der Täter zu ergründen. Er beobachte psychopathische, politische, antireligiöse und wahnhaft religiöse Gründe.

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