Kinder beteiligenIch bin dafür!

Wer hat das Wort? Wie geht wählen? Im Kinderparlament üben sich Kinder in demokratischen Ritualen und treffen Entscheidungen, die sie betreffen. Über Redekarten, Schatzkisten und geheime Abstimmungen.

Ich bin dafür
© vgajic - iStock

Jedes Kind hat das Recht auf Partizipation und Teilhabe an gesellschaftlichen Kommunikations- und Entscheidungsprozessen – innerhalb wie auch außerhalb der Kita. Um jedoch den Kindern Partizipation in der Kita ermöglichen und gleichsam professionelles Handeln in der Alltagspraxis gestalten und reflektieren zu können, bedarf es eines Repertoires an verschiedenen Methoden bzw. Beteiligungsformen der Demokratiebildung1. Dabei unterscheidet man zwischen den projektbezogenen und offenen (wie z. B. dem Morgenkreis) sowie den repräsentativen Beteiligungsformen, wie die des Kinderrates oder des Kinderparlaments.2

Strukturiert und demokratisch: das Kinderparlament

Das Kinderparlament als repräsentative Beteiligungsform kann hier als ein zentraler Orientierungspunkt auf dem Weg zur Demokratiebildung angesehen werden, welches versucht, „die bildungsbezogene Eigenaktivität der Kinder zu fördern und zugleich demokratische Eigenrechte der Kinder im Alltag zu realisieren“3. Dabei soll es von allen Beteiligten – den Kindern, den pädagogischen Fachkräften und nicht zuletzt den Erziehungsberechtigten – über seine Repräsentativität (z. B. als eine feste Verankerung im jeweiligen Kita- Konzept) hinaus als ein demokratisch-strukturierter und sich stets im Wandel befindender Prozess verstanden und gelebt werden.

Wie setzt es sich zusammen? Was passiert, wenn es tagt?

Es existiert kein Prototyp des Kinderparlaments. Die Zusammensetzung sowie die Regelmäßigkeit, in welcher es tagen kann, variiert je nach den institutionellen Rahmenbedingungen und letztlich je nach Vertrautheit der Kinder und des pädagogischen Personals mit dieser Beteiligungsform. So kann es innerhalb einer Kita-Gruppe täglich stattfinden und alle Kinder sowie die pädagogischen Fachkräfte involvieren. Daneben existieren aber auch Variationen, welche ein- bis zweimal im Monat und über mehrere Gruppen hinweg mit delegierten Kindern und pädagogischen Fachkräften tagen (u. a. auch Kinderrat genannt). Bei all den Verschiedenheiten, die Zusammensetzung und den Ablauf betreffend, können folgende charakteristische „Grundpfeiler“ festgehalten werden: Das Kinderparlament findet regelmäßig statt und schafft einen Raum für Anliegen, Meinungen und Ideen.

Welche Themen werden ausgewählt?

Alltagsgeschichten, in denen nicht nur subjektive, sondern auch gesellschaftliche Ereignisse thematisiert werden, finden im Kinderparlament ihren Platz. Ebenso werden Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse, die den Sozialraum Kita betreffen, im Kinderparlament behandelt.

Wo und wie wird abgestimmt?

Damit jedem Kind die Artikulation von Bedürfnissen und das Hineinwachsen in partizipative Strukturen ermöglicht werden kann, sind neben der Vorbereitung auch die Dokumentation sowie die Präsentation dieser Strukturen notwendig.

Vorbereitung und Durchführung:

Redekärtchen sind eine Möglichkeit, sich während des Parlaments zu bestimmten Themen äußern zu können. Die Kärtchen, die mit einem Foto und dem Namen eines jeden Kindes versehen werden, können vor Beginn des Parlaments einen Überblick über mögliche Redner*innen geben, indem sie von den Kindern selbst an einer Magnettafel befestigt werden. Sie können aber auch erst während einer Parlamentssitzung ausgehangen werden. Unmittelbar vor Redebeginn erhalten die Redner*innen durch andere Kinder oder eine pädagogische Fachkraft ihr Kärtchen zurück. Neben den Redekärtchen können Symbol- oder Signalkarten die pädagogischen Fachkräfte bei der Kommunikation von aktuellen bzw. anstehenden Abstimmungsprozessen nonverbal und illustrativ unterstützen. Diese wurden von den Kindern zeichnerisch oder fotografisch angefertigt und werden ebenfalls an einer Magnettafel befestigt. Auf einer Signalkarte kann so z. B. eine Zeichnung oder ein Foto von einem Büfett abgebildet sein, wenn beispielsweise über das Essen beim nächsten Kita-Fest abgestimmt werden soll.

Dokumentation und Präsentation:

Ein Ergebnisprotokoll, das durch eine pädagogische Fachkraft angefertigt wird, sollte jede Sitzung dokumentieren. Zusätzlich können Schaubilder, ein Protokoll am „Schwarzen Brett“ oder eine Kita-Zeitung genutzt werden, um allen Kindern, Erziehungsberechtigten und pädagogischen Fachkräften eine Übersicht über die Entscheidungen des Parlaments zu geben. Somit wird das kommunikative Handeln aller Beteiligten während, aber auch nach einer jeden Sitzungen abgebildet; es stellt zudem nach Entscheidungsprozessen, wie z. B. bei öffentlichen oder geheimen Wahlen, eine Kommunikationsplattform dar.

Wann kommt es zu einer öffentlichen, wann zu einer geheimen Abstimmung?

Der Auf- bzw. Ausbau partizipativer Strukturen innerhalb einer Kindertageseinrichtung benötigt Zeit und das Einüben unterschiedlicher Kommunikationsformen. Die Kinder wie auch die pädagogischen Fachkräfte können mit den unterschiedlichen demokratischen Ritualen und Beteiligungsformen wachsen und sie je nach ihren Bedürfnissen modifizieren.
Wann es also zu einer öffentlichen, wann zu einer geheimen Abstimmung kommen kann, hängt von den institutionellen und vor allem den subjektiven „Ist-Zuständen“ aller Beteiligten ab.
Grundsätzlich gilt: Eine geheime Abstimmung, z. B. mittels verschiedenfarbig funkelnder Glassteine oder Murmeln und einer Schatzkiste, welche als Wahlurne fungiert, birgt immer ein hohes Potenzial an Motivation und Spannung – gerade für jüngere Kinder.
Eine öffentliche Abstimmung hingegen bietet sich für ältere bzw. selbstsicherere Kinder an, die mit den partizipativen Beteiligungsformen bereits besser vertraut sind. Mithilfe eines eigenen Redekärtchens, das offen hochgehalten wird, können diese öffentlich über einen bestimmten Sachverhalt, wie z. B. über die Anschaffung bestimmter Möbelstücke für den gemeinsamen Aufenthaltsraum, abstimmen.
Um Partizipation und Demokratiebildung in einer Kindertageseinrichtung leben zu können, müssen die pädagogischen Fachkräfte als Beobachtende sowie Moderierende zugleich agieren. Kinder können Demokratie, sie können mitbestimmen.4 Allerdings benötigen sie, genauso wie pädagogische Fachkräfte und Erziehungsberechtigte, Zeit und Orientierung innerhalb der unterschiedlichen partizipativen Strukturen.
So zeigt sich z. B. das Erlernen einer konstruktiven Streitkultur5, die in der Förderung sozial-emotionaler Entwicklung6 münden kann, als ein fortwährender Prozess. Das Kinderparlament kann hier als Orientierungspunkt auf dem Weg zu (mehr) Demokratie fungieren und in diesem Zusammenhang allen Akteur*innen die Möglichkeit eines Kommunikationsforums bieten.

Erfahrungsbericht aus der Praxis

 „Partizipation bedeutet in unserer Kita, dass die Kinder entsprechend ihrem Entwicklungsstand an der Gestaltung ihres Alltags beteiligt werden. Das beginnt bei der Auswahl der Spielbereiche, des Materials und der Frage, ob sie an den angebotenen Aktivitäten teilnehmen möchten. Die Kinder entscheiden z. B. auch, ob und was sie essen möchten und wer sie bei pflegerischen Tätigkeiten begleiten darf. Schließlich werden die Kinder auch in Entscheidungen einbezogen, die z. B. räumliche Veränderungen betreffen, oder bei der Gestaltung eines Festes. Hier bringen die Kinder ihre Vorstellungen ein und stimmen im Anschluss darüber ab.
Wir legen besonderen Wert darauf, dass sich tatsächlich alle Kinder beteiligen können. Für Kinder, die sich sprachlich noch nicht äußern können oder möchten, suchen die pädagogischen Fachkräfte gezielt nach anderen Beteiligungsformen, z. B. Bildkarten, Piktogramme oder Gegenstände. Pädagogische Fachkräfte müssen sensibel für die Signale der Kinder sein, um eine echte Beteiligung zu ermöglichen und ihnen nicht alle Entscheidungen abzunehmen.“
Daniela Bähner und Nicole Weyand, Kita des Studierendenwerks Siegen

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