Schreib mal wieder

Anlässlich des 160. Todestages des heiligen Pfarrers von Ars hat Franziskus einen Brief an die Priester geschrieben. Seine Erwartungen verpackt der Papst geschickt in seinen Dank. An diesem Ermutigungsschreiben ist auf der anderen Seite auch interessant, worüber der Papst nicht redet.

Unter Priestern hierzulande grassiert eine gewisse Verunsicherung. Schon länger wird ihnen durch den Mangel an Nachwuchs viel zugemutet. Pfarreien werden zusammengelegt und es sind mehr Gemeinden zu betreuen. Dadurch verdichtet sich die Arbeit. Für viele Priester kommt hinzu, dass sie ihren Weg eingeschlagen haben, um Seelsorger zu werden – und nicht Manager eines pastoralen Großbezirks mit der Dienstgeber-Verantwortung für Dutzende, wenn nicht gar mehr hauptamtliche Mitarbeiter.

Für Menschen in pastoralen Berufen wie Ehrenamtliche gilt gleichermaßen: Überall dort, wo aufgrund des Priestermangels aus der Not heraus – wenngleich oft genug auch aus theologischen Gründen höchst sinnvoll – andere die Arbeit machen, die früher Klerikern vorbehalten war, stellt sich für viele Geweihte zunehmend die Frage, was das Spezifikum ihres Auftrags heute ausmacht. Die Diskussion über die Notwendigkeit des Pflichtzölibats tut ihr Übriges. Und zuletzt kam dann noch der Missbrauch hinzu. Er hinterlässt einerseits gerade bei den vielen Unbescholtenen Fragen mit Blick auf den eigenen Stand – und führt andererseits dazu, dass die Arbeitsbedingungen noch schwieriger werden.

In diese Situation hinein, die sich in den verschiedenen Weltgegenden selbstredend höchst unterschiedlich darstellt, hat Papst Franziskus jetzt einen Brief an alle Priester geschrieben. Das Papier wurde am 160. Todestag des heiligen Jean-Marie Vianney, des Pfarrers von Ars, zeitgleich in acht Sprachen veröffentlicht und ist ein veritables Ermutigungsschreiben für die gut 400.000 Priester der Weltkirche. Ausdrücklich geht es nicht zuletzt darum, vor der „schlimmsten aller Versuchungen“ des Seelsorgers zu bewahren: nämlich sich in Resignation zu ergehen.

Interessant an dem Brief ist freilich auch, was der Papst darin nicht sagt. So verzichtet er darauf, den Pfarrer von Ars als Vorbild vorzustellen, wie dies in früheren Pontifikaten durchaus üblich war – um offenkundig nicht an der Realität des Priestertums heute vorbeizugehen. Auf der anderen Seite findet sich das Stichwort „Klerikalismus“ nicht in dem Schreiben.

Zum Thema Missbrauch schreibt der Papst: „In letzter Zeit konnten wir den oftmals stillen oder zum Schweigen gebrachten Schrei unserer Brüder und Schwestern deutlicher vernehmen, die Opfer von Macht-, Gewissens- oder sexuellem Missbrauchs durch geweihte Amtsträger wurden. Unzweifelhaft ist es eine Zeit des Leidens im Leben der Opfer (...) ebenso für ihre Familien und für das ganz Volk Gottes.“ Das Thema Missbrauch kommt dann allerdings vor allem mit Blick auf die Belastungen für das Selbstverständnis des Priesters vor.

Seine Vorstellung von dem, was einen guten Priester auszeichnet, verpackt Franziskus geschickt in seinen Dank. Differenziert lobt er seine Mitbrüder mit seiner für ihn typischen Diktion für Eigenschaften, bei denen er allem Anschein nach noch Luft nach oben sieht: ein Herz zeigen, „das im Lauf der Jahre gekämpft und gerungen hat, um nicht eng und bitter zu werden“; die Eucharistie ohne „Rigorismus und Laxismus“ feiern; einen bescheidenen und einfachen Lebensstil entwickeln, „ohne Privilegien anzunehmen, die nicht den Geschmack des Evangeliums haben“.

Ein besonderes Augenmerk legt Franziskus auf die Emotionen: Das gute Seelsorgerherz zeige sich auf der einen Seite daran, wie es mit dem Schmerz der anderen umgehe. Aber es soll auch die eigenen Verwundungen nicht ignorieren, um sich von der Neigung derer zu befreien, die sich „auf die eigenen Kräfte verlassen und sich den anderen überlegen fühlen, weil sie bestimmte Normen einhalten“. Auf der anderen Seite sei die „köstlichste von des Teufels Tränen“ (der Papst zitiert Georges Bernanos) jene süßlich-träge Traurigkeit, die in der Tradition christlichen Mönchtums acedia heißt, einem Priester aber nicht gut anstehe.

Insgesamt setzt der Papst wie in anderen Schreiben auch ganz auf das Thema Spiritualität, bittet um Gottvertrauen und warnt davor – hier darf sich der deutsche Katholizismus wieder einmal getroffen fühlen –, sich auf (pastorale) Rezepte zu verlassen. Gleichermaßen problematisch sei es allerdings, sich in „geschlossene und elitäre Gruppen“ zurückzuziehen und von den Menschen zu isolieren.

Zu den päpstlichen Wünschen an die Priester gehört auch, die Bande der Brüderlichkeit und Freundschaft mit den Mitbrüdern und dem Bischof zu pflegen. Letztlich allerdings kann sich auch der Papst nicht recht entscheiden, ob er dafür das Paradigma der Autorität oder der geschwisterlichen Solidarität wählen soll. Ganz am Anfang stellt er sich sowohl als „Vater“ als auch als „älterer Bruder“ vor, als der er den Priestern schreibt, um sie zu stärken.

Man mag dem Ermutigungsschreiben viel Erfolg wünschen. Denn nichts wäre problematischer als Seelsorger, die gegenüber den ihnen Anvertrauten in erster Linie als solche auftreten, die selbst der Seelsorge bedürfen. In nicht wenigen Predigten lässt sich hier gelegentlich ein Schuss Weinerlichkeit entdecken, der irritiert. Dass die Problemanzeigen, die im Hintergrund des Papstbriefes stehen und kaum benannt werden, erst noch ämtertheologisch bearbeitet werden müssen, steht auf einem anderen Blatt. orth@herder.de

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