Mystik im AlltagSolo dios basta

Erst wo es allein um Gott geht, geht es wirklich auch um Mensch und Welt.

Papa, wenn du stirbst, dann bete und faste ich nicht mehr“, sagt die 16-jährige Tochter am Bett des todkranken Vaters. Er darauf voller Leidenschaft: „Dann lass es gleich, denn wir beten und fasten nicht für uns, sondern für Allah, den Allbarmherzigen!“ Sichtlich bewegt erzählt mir die erfahrene Krankenhausseelsorgerin von dem noch nicht 50-jährigen Moslem, der sich ihr anvertraut. „Mit ihm kann ich ausdrücklich Glaubensgespräche führen wie sonst kaum“, sagt sie. Tief überzeugt ist er davon, dass das Datum seines nahenden Todes genau so von Gott bestimmt ist wie die Konstellation seiner Geburt. Das schenkt ihm tiefes Vertrauen, es macht ihn weich und offen – aber auch konfrontativ gegenüber seiner geliebten Tochter.

Könnte es sein, dass mit dieser Momentaufnahme ein Zentralproblem unseres Lebens und Denkens berührt wird? Alles dreht sich nur um Corona, um Klima, um unsere Krisen; auch in der spirituellen Szene geht es primär um höhere Lebensintensität. Und kirchlich drehen sich anscheinend alle Gedanken ebenfalls um innerbetriebliche Erneuerung und Selbstoptimierung. Nichts dagegen, gewiss nicht. Aber erst wenn es nicht um Welt und Mensch geht, geht es wirklich um sie. Gerade im anbetenden Gegen-Über zu dem, der in allem alles übersteigt und von Grund auf erst ermöglicht, entstünde jene barmherzige Freiheit, die der todkranke Vater seiner mit Recht aufbegehrenden Tochter doch zutraut und zumutet.

„Es ist Zeit, an Gott zu denken“ – das ist das pfingstliche Geschenk und Gebot der Weltstunde. Ohne „Fasten und Beten“, also ohne ausdrückliche Gottes- und Gebetsräume geht es nicht: Für wirkliche Transzendenz und entsprechende Anbetung muss Platz gelassen werden (vgl. Mk 9,14–29). Die ständige Vertröstung ins sogenannte Diesseits allein wäre demnach die wirklich lebens- und weltgefährdende Katastrophe. Erst wo es allein um Gott geht, geht es wirklich auch um Mensch und Welt – und dann auch umgekehrt! In dieser grundlegenden Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf offenbart sich jene göttliche Kraft, die allein es verdient, Heiliger Geist genannt zu werden. Nicht als Konkurrenz zum Geist des Menschen und seinen phantastischen Möglichkeiten, ganz im Gegenteil. Wohl aber als dessen Grund und Grenze. Denn unser eigener Geist ist viel zu egozentrisch verseucht, und selbst Teil des Problems. Er produziert mit großartigen Lösungen nachweislich immer auch fatale Risiken und Nebenwirkungen. „Solo dios basta“ – schrieb deshalb zum Beispiel Johannes vom Kreuz seiner verehrten Teresa ins Gebetbuch, und die bewahrte und realisierte es ihr faszinierendes Leben lang.

Ein anderer „Geistlicher“ war davon überzeugt, „dass der schöpferische und heilende Geist Gottes jeder Wirklichkeitsfaser des Menschen gegenwärtig ist und alles kreatürliche Leben des Berufenen und Willigen von innen heraus mitlebt. Auch das leidende und verwundete Leben…“ So schrieb Alfred Delp in seinem Geistlichen Testament. „Der Geist bricht nicht gewaltsam in fremden Raum ein. Der Heilswille Gottes vergewaltigt uns nicht, sondern harrt des Rufes und der offenen Willigkeit. Dann allerdings genügt die kleinste Regung des Herzens, um Ozeane des Herrgotts in Bewegung zu bringen.“ Gotthard Fuchs

Anzeige: Meine Hoffnung übersteigt alle Grenzen. Ein Gespräch über Leben und Glauben. Von Philippa Rath und Burkhard Hose

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