Vegane ErnährungFür Kinder ein Risiko?

Eine vegane Ernährung im Kindesalter ist möglich, aber kompliziert. Eltern sollten sich darum Beratung holen. Da das Thema teils ideologisch diskutiert wird, ist Gelassenheit gefragt

Für Kinder ein Risiko?
Bei einer veganen Ernährung sollten Eltern auf die Versorgung ihrer Kinder mit Nährstoffen achten © heatherwalker - Getty Images

Es gibt viele Argumente für eine vegane Ernährung, sei es das Tierwohl, der Umweltschutz oder auch die Gesundheit. Eigentlich sind dies alles Themen, die in unserer Gesellschaft Hochkonjunktur haben. Dennoch gelten Veganer oft als missionarisch und verbohrt. Und wenn diese Zeitgenossen dann auch noch ihre Kinder auf eine Kost ohne tierische Lebensmittel setzen, sind die Verurteilungen schnell ausgesprochen. Diese reichen von „Bevormundung“ bis hin zu „Kindeswohlgefährdung“. Leider verschärfen manche Veganer diesen Schlagabtausch durch die Verunglimpfung von Fleischessern oder auch Vegetariern, die ja nur auf Fleisch verzichten und damit scheinheilig seien. Veganer, die das Thema ohne Ideologie angehen, haben oft das Nachsehen.

Klar ist, dass ein Verzicht auf Fleisch, Milch und Eier dem Tierwohl und der Umwelt zugutekommt. In Sachen vegane Ernährung für Kinder scheiden sich jedoch die Geister, da reine Pflanzenkost weniger essenzielle Nährstoffe liefert als die normale Mischkost. Einige WissenschaftlerInnen halten die Versorgung mit Vitamin B 12, Zink, Eisen und Jod bei Kindern für nicht ausreichend. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) etwa empfiehlt die vegane Ernährung für Kinder nicht, „da sich mit dem Verzicht auf jegliche tierische Lebensmittel das Risiko für Nährstoffdefizite und damit das Risiko für Gesundheitsstörungen erhöht“. Das US-amerikanische Pendant zur DGE hält hingegen die vegane Ernährung auch bei Kindern für möglich. Alle Experten sind sich jedoch darin einig, dass vier Punkte beachtet werden müssen:

  • Vitamin-B12-Nahrungsergänzung etwa durch Tabletten oder Vitamin-B12-haltige Zahnpasta
  • regelmäßige ärztliche (Blut-)Kontrollen
  • eine nährstoffreiche und abwechslungsreiche Ernährung
  • fachgerechte Beratung

Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) hält zu diesem Zweck etwa Beikostempfehlungen für Säuglinge bereit. Denn eine vegane Kinderernährung ist kompliziert und damit zeitaufwendig. Zudem müssen Kinder angehalten werden, reichlich zu essen, da in pflanzlichen Lebensmitteln Nährstoffe oft in geringeren Mengen oder in weniger gut verfügbaren Formen vorkommen. Säuglinge und Kleinkinder brauchen jedoch sehr große Mengen bestimmter Substanzen. Tatsächlich gibt es einzelne Fälle von vegan ernährten Kindern mit schweren Wachstumsund Entwicklungsstörungen, teilweise endeten sie tödlich. Dennoch warnen Experten vor Panikmache und Vorverurteilung: „Leider meiden gerade viele Eltern mit alternativen Überzeugungen die üblichen kinderärztlichen Untersuchungen, oft aus Angst, auf Unverständnis und Ablehnung zu stoßen“, sagt Berthold Koletzko von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Das sei wenig hilfreich, da man so das Risiko einer Mangelversorgung der Kinder nicht gut im Blick habe.

Tatsächlich sind die Sorgen, dass vegan ernährte Kinder reihenweise Mangelerscheinungen aufweisen, unbegründet. So hat die deutsche VeChi-Studie von 2019 (Vegetarian and Vegan Children Study) aufgedeckt, dass 94 Prozent der untersuchten vegan lebenden Kinder regelmäßig Vitamin-B12-Tabletten erhielten und darum auch keinen Mangel hatten. Das Vitamin kommt nur in tierischen Lebensmitteln vor und ist relevant für die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems. Auch zeigte sich, dass 90 Prozent der Kinder hinsichtlich Körpergewicht und Größe normal entwickelt waren. Allerdings waren 10 Prozent zu klein für ihr Alter, ein Hinweis darauf, dass die Ernährung hier möglicherweise nicht bedarfsdeckend war. Laut Studienautor Marcus Keller vom Institut für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE) zeige dies, dass ein Teil der Familien eine qualifizierte Ernährungsberatung brauche. Die Aufnahme von Eiweiß, Fetten und Kohlenhydraten war bei den in der Studie untersuchten Kindern insgesamt gut, nur Kalzium, Jod und Vitamin B2 kamen zu kurz.

Soziale Aspekte spielen auch eine Rolle

Bei all dem darf man nicht vergessen, dass Eltern zwar in ihren eigenen vier Wänden bestimmen können, was ihr Kind isst, es bei Freunden, Großeltern oder in der Kita aber zwangsläufig mit tierischen Lebensmitteln in Berührung kommt. Hier sollten Eltern nicht zu kategorisch sein. „Sie sollten mit den Kindern Kompromisse aushandeln“, sagt Cordula Lasner-Tietze, Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes. Dabei gehe es auch darum, den Kindern zu erklären, warum man sich dazu entschieden habe, auf Tierisches zu verzichten. Schließlich vermittelten die Eltern dem Kind mit ihrer Haltung ja auch Werte. Trotzdem sollten die Wünsche der Kinder ernst genommen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt: Kinder wollen nicht auffallen, sondern dazugehören. Vor allem in der Schule bekommen vegan lebende Kinder leider oft vermittelt, dass sie Sonderlinge sind. Neben einer guten Nährstoffversorgung sollten vegan lebende Eltern auch das mitbedenken und trotz aller Prinzipien möglichst gelassen bleiben.

Worin sind welche Nährstoffe enthalten?

Bei einer veganen Ernährung sollten Eltern auf die Versorgung mit Kalzium, Zink, Eisen, B-Vitaminen und Vitamin D achten.

  • Kalzium findet sich in Grüngemüse, Nüssen und Samen. Milchersatzprodukte wie Hafer- oder Reismilch sind keine Alternative für Kuhmilch. Man kann jedoch auf Pflanzendrinks zurückgreifen, die mit Kalzium angereichert sind. Auch kalziumreiche Mineralwässer sind eine Quelle für den Mineralstoff.
  • Zink und B-Vitamine mit Ausnahme von B12 stecken in Vollkorngetreide.
  • Eisen findet sich in Hafer, Hülsenfrüchten, Grüngemüsen oder auch Nüssen. Diese Lebensmittel möglichst zusammen mit etwas Vitamin-C-Haltigem (zum Beispiel Orangensaft) zu verzehren, damit der Körper das pflanzliche Eisen besser aufnehmen kann.
  • Jod sollte vor allem als jodiertes Speisesalz aufgenommen werden. In Algen sind neben Jod auch langkettige Omega-3-Fettsäuren wie die Docosahexaensäure (DHA) enthalten. Es gibt auch Leinöl, das mit DHA angereichert ist.
  • Oft fehlt vegan ernährten Kindern Vitamin D. In den Wintermonaten wird deshalb manchmal eine Aufnahme in Tablettenform empfohlen. Den Großteil des Vitamins bildet der Körper mithilfe des Sonnenlichts selbst.
  • Insgesamt sollten vegan lebende Kinder mehr Protein zu sich nehmen. Das steckt in Soja und anderen Hülsenfrüchten, aber auch in Kartoffeln oder Nüssen. Vegan ernährte Zwei- bis Sechsjährige sollten laut IFANE etwa ein Viertel mehr Eiweiß erhalten als mit Mischkost ernährte Kinder.
  • Bestimmte Lebensmittel sind sehr reich an Nährstoffen, dazu zählen einige Getreidesorten, Hirse, Quinoa, Amaranth, Sesam, getrocknete Aprikosen und Feigen, aber auch Pilze. Ersatzprodukte für Fleisch oder Käse braucht es nicht, da diese teilweise viel Salz und schlechte Fette enthalten. Angereicherte Milchersatzprodukte aus Soja oder Lupinen können den kindlichen Speiseplan hingegen ergänzen.

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