Lernen in der KitaZusammen macht's mehr Spaß

Gemeinsam lernen und neue Erfahrungen machen, das passiert in der Kita Tag für Tag

Ich und du! Kinder lernen im Spiel von- und miteinander
Ich und du! Kinder lernen im Spiel von- und miteinander© santypan - iStock

Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Das wussten schon die alten Römer. Und es gilt auch für die frühkindliche Bildung, also die Zeit vor der Schule. Das Wissen, das Kinder in dieser Zeit erlangen, hat wenig zu tun mit unserer erwachsenen Vorstellung von Wissen. Bildung baut immer auf den Erfahrungen auf, die das Kind in den ersten Lebensjahren in der Familie macht. Hier werden die Grundlagen in den verschiedenen Entwicklungsbereichen wie Sprache, Motorik oder Kognition gelegt. Daneben geht es vor allem um das Erlernen von Schlüsselkompetenzen, also Fähigkeiten, die man für das Zusammenleben in der Familie, einer Gruppe oder der Gesellschaft braucht. Die Basis dafür sind Beziehungen zu anderen Menschen und daraus entstehendes Vertrauen. Dieses ist auch für den Eintritt in die Kita entscheidend: Das Kind kann da rauf vertrauen, dass Mama oder Papa es wieder abholen und dass es von ihnen und den ErzieherInnen angenommen wird, mit all seinen Eigenheiten.

Die Kraft der Gruppe

Auch zu Hause werden Kinder alltäglich gefördert und gefordert, aber Teil einer Gruppe zu sein, eröffnet eine Reihe weiterer Erfahrungsmöglichkeiten. „Kinder lernen im stetigen Umgang und im Spiel mit anderen Kindern, wie man Freundschaften schließt und pflegt – und auch, wie man sie wieder aufs Spiel setzt. Sie lernen, wie man sich behauptet, wann und wie man Kompromisse schließt, und dass man Frust und Ärger aushalten kann“, sagt Petra Wenhardt, Erzieherin und Integrationsteamleiterin eines Kinderhauses (siehe Interview). Mit der Unterstützung von anderen Kindern oder den ErzieherInnen erfahren die Jungen und Mädchen, wie Konflikte gelöst werden können. „Die größeren Kinder können als Vorbild dienen, zum Beispiel bei Tischmanieren. Doch auch die Großen profitieren von den Kleinen: Das Selbstwertgefühl steigt und sie lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen“, sagt die Erzieherin.
Sehr wichtige Erfahrungen, die Kinder in einer Kindertagesstätte machen können, sind, dass sie ein Mitbestimmungsrecht haben und selbst bestimmt handeln können. All diese Lernprozesse gelingen am besten in einem vertrauten Rahmen. „Ein Rhythmus mit regelmäßigen Strukturen über den Tag vermittelt Kindern ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle“, sagt Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Tanja Kretz-Bünese, psychotherapeutische Leiterin der Ambulanz für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie der Ludwig-Maximilians- Universität München. Auf dieser Grundlage könnten sich die Kinder ausprobieren und an Neues heranwagen. Zugleich wüssten sie, welche Regeln gelten und welche Grenzen eingehalten werden müssen, so Kretz-Bünese.

Spielend die Welt begreifen

Kinder lernen im Spiel und verarbeiten gleichzeitig Erlebtes. In Rollenspielen probieren sie sich aus und erweitern ihre Erfahrungen, die sie in der Realität machen. Beim Bauen und Basteln lernen sie über Versuch und Irrtum, was funktioniert und wann beispielsweise der Turm umfällt. Am nachhaltigsten lernen Kinder, wenn etwas mit (angenehmen) Gefühlen verknüpft ist und möglichst viele Sinne angesprochen werden. Dieses Vorgehen wird in der Kita unter anderem bei der Projektarbeit genutzt: Ein Thema wird dabei ganzheitlich behandelt, sodass die Kinder damit auf ganz unterschiedliche Weise in Berührung kommen. So prägen sich neue Dinge häufig besser ein.
„Im Kindergarten können wir sehr bedürfnisorientiert arbeiten. Dadurch können die Kinder selbst entscheiden, was sie gerade interessiert und womit sie sich intensiver beschäftigen möchten“, erklärt Petra Wenhardt. Tanja Kretz-Bünese ergänzt: „Das sogenannte selbstbestimmte Lernen hat den Vorteil, dass Kinder freiwillig und dadurch gut und schnell lernen. Ein Nachteil kann jedoch sein, dass Kinder versuchen, sich um ihre Defizite herumzumogeln.“ Dann sind aufmerksame ErzieherInnen gefragt, die das Kind ermutigen, auch mal etwas anderes auszuprobieren.

Lernprozesse sind vielfältig

Allen Kindertageseinrichtungen ist gemeinsam, dass sie mit ihren Angeboten Kinder in ihrer Kreativität und Entwicklung unterstützen und fördern möchten. Zwar unterscheiden sich die dazu verwendeten Materialien und Vorgehensweisen der verschiedenen pädagogischen Konzepte. Doch letztendlich gibt es kein richtig oder falsch. Denn unabhängig vom Konzept sieht man das Kind als Akteur seiner Entwicklung an und geht davon aus, dass jedes Kind lernen möchte. Ob es dabei in einem Waldkindergarten oder einer zweisprachigen Einrichtung, mit Montessori- oder Waldorfpädagogik begleitet werden soll, hängt vor allem von dem vorhandenen Angebot und den Vorstellungen der Eltern ab. Im Gespräch mit der Kitaleitung können sich diese über ihre Einschätzung des Kindes und seine Bedürfnisse austauschen.

Die wahren Wünsche der Eltern

Erzieherin Wenhardt erzählt, dass sie die Eltern der Vorschulkinder jedes Jahr fragt, was sie ihrem Kind für die Zukunft wünschen. Am wichtigsten sei ihnen, dass das Kind glücklich ist und eine gute Verbindung zur Familie besteht. „Von einem Doktortitel oder einem teuren Auto ist da nie die Rede.“ Es lohnt sich also, das Kind mit Wohlwollen und Interesse auf seinem Weg zu begleiten – ohne sich auf spätere Schulnoten oder Karriereaussichten zu fixieren. Denn nicht lernen geht sowieso nicht.

Die Einschulung im Blick

Im letzten Kindergartenjahr richten die ErzieherInnen ihr Augenmerk auf die körperlichen, geistigen, sozialen und emotionalen Kompetenzen, die für den Schuleintritt Voraussetzung sind, und sprechen mit den Eltern über den Entwicklungsstand ihres Kindes.
Auch die Grundschule informiert in der Regel über die spezifischen Anforderungen und Erwartungen, etwa, dass das Kind schon seinen Namen schreiben kann, die Zahlen bis zehn kennt oder sich selbstständig die Schuhe bindet. Viel wichtiger sind aber die sozialen und emotionalen Fähigkeiten: Das Kind muss sich in eine Klasse integrieren können, sich an Regeln halten und sich auch für Aufgaben motivieren, auf die es keine Lust hat.
Für die angehenden Schulanfänger macht der Kindergarten meist besondere Angebote. In Projekten, bei Ausflügen oder Kooperationsaktivitäten mit der Grundschule und durch spezielle Aufgaben vertiefen die Vorschüler alle Fähigkeiten, die sie für die Schule brauchen. Fast immer haben die Eltern das richtige Gespür dafür, ob ihr Kind reif für die Schule ist. Kinder mit besonderem Förderbedarf profitieren von der Wahl einer Schule, die auf ihre Bedürfnisse eingehen kann und in der sie nicht dauerhaft überfordert werden. Denn jedes Kind braucht Erfolge, damit es gut und gerne lernt.

3 Fragen an …

… Petra Wenhardt, Erzieherin und Integrationsteamleiterin im Katholischen Haus für Kinder Arche Noah in Haag / Oberbayern

Welche Rolle spielen die Erzieher Innen für das Lernen?

Ein professionelles Team ist die Grundlage dafür, dass sich Kinder in einer Einrichtung wohlfühlen. Die pädagogischen Fachkräfte sind starke Vorbilder. Für viele Kinder ist die Erzieherin oder der Erzieher die „erste Liebe“, die erste Bezugsperson außerhalb der Familie. Wir können den Kindern dadurch, wer wir sind und wie wir sind, unglaublich viel mitgeben. Eine Fachkraft, die authentisch in der Gruppe auftritt, motiviert automatisch zum Lernen.

Was lernen die Kinder in der Gruppe?

In der Einrichtung erfahren die Kinder, dass es Regeln gibt, an die sie sich halten müssen, um in einer Gemeinschaft gut zusammenleben zu können. Sie lernen aber auch, dass es sehr unterschiedliche Sichtweisen gibt und dass jede Gruppe bunt ist. Manches können sie sich im Positiven von anderen Kindern abschauen, bei anderem stellen sie fest, dass sie so nicht sein oder behandelt werden möchten. Ganz wichtig ist aber auch zu erleben, dass Ausnahmen möglich sind, und dass das gut und richtig ist. Eine Gruppe kann ein Kind, das auf gewisse Ausnahmen angewiesen ist, mittragen.

Auf welche Rahmenbedingungen kommt es an?

Eine Kita sollte einfach ein Ort für Kinder sein. Zugewandte ErzieherInnen geben den Kindern den notwendigen Raum, sich zu entfalten. Da werden Materialien und Konzepte fast nebensächlich. Wenn die Atmosphäre auf Vertrauen und Geborgenheit basiert, trauen sich Kinder auch, ihre Gedanken und Ideen zu äußern, sich auszuprobieren und zu experimentieren und auch einmal etwas falsch zu machen. Fehler gehören zum Lernen, eine positive Fehlerkultur in der Kita schafft Gelegenheiten für Querdenker und Erfinder.