Als Mutter eine Auszeit nehmen"Ich muss mal raus!"

Mütter brauchen Auszeiten. Leider vergessen sie das zu oft. Ein Plädoyer für kleine Alltagsfluchten

Ich muss mal raus
Sich regelmäßig Zeit nehmen um die eigenen Akkus aufzutanken © Pixabay

Ich liebe meine Kinder, ich würde alles für sie tun!“ Inga May* seufzt: „Wenn ich doch bloß nicht immer so kaputt wäre. Ich bin ja aber auch zu Hause für fast alles zuständig. Mein Mann ist nur abends da und mit den Kindern unternimmt er nur gelegentlich etwas.“ Die 34-Jährige sitzt erschöpft in meiner Beratungspraxis. Mit ihren beiden quirligen Jungs, der Halbtagsstelle als Physiotherapeutin und dem Haushalt fühlt sie sich überfordert und von ihrem Mann zu wenig unterstützt. Frau May spürt, dass es so nicht weitergehen kann. In unserem Gespräch stellt sich heraus, dass sich die junge Mutter selten eine Pause gönnt und kaum zur Ruhe kommt. Freundinnen treffen, Sport machen oder mal ins Kino gehen? Keine Zeit, keine Energie. Dafür morgens schon Hektik, dann der übliche Stress in der Praxis und nachmittags Kinderbetreuung, nebenbei Wäsche waschen, einkaufen, sauber machen, Essen vorbereiten … – der ganz normale Wahnsinn eben. Abends ist sie platt. Und am Wochenende zu müde, um auszugehen.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Womöglich. Denn Frau May ist nur eine von vielen Müttern, die sich zu wenige Freiräume gönnen. Sie ziehen ihr Pensum einfach so durch und vergessen dabei, dass sie begrenzte Kapazitäten haben und ihre Energiereserven auch regelmäßig auffüllen müssen. Das Gespür dafür, was eigentlich zum Wohlbefinden beiträgt, kann dabei verloren gehen. Doch woran liegt es, dass Mütter sich oft so viel abverlangen und dabei selbst zu kurz kommen? Die Anforderungen an Mütter und auch ihre eigenen Erwartungen sind hoch: Sie wollen für ihre Kinder da sein und sie optimal fördern. Sie wollen sich beruflich verwirklichen und zum Familieneinkommen beitragen. Für ihren Partner wollen sie eine attraktive Frau sein. Das alleine sind schon kaum erfüllbare Ansprüche.

Perfektionismus ade

Hinzu kommt, dass eine gute Mutter sein immer noch mit Selbstlosigkeit verwechselt wird. Viele Mütter haben das so verinnerlicht, dass sie erst gar nicht auf die Idee kommen, einfach mal an sich zu denken (oder sich dies sogar verbieten). Sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, kommt ihnen ungehörig und egoistisch vor. Schuldgefühle gesellen sich dazu, wenn Mama genervt von den Kindern ist und diese (gefühlt!) am liebsten irgendwo aussetzen würde. Es gibt aber noch tiefer liegende Ursachen: Mütter, die sich selbst überfordern, haben oft ein besonders ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und ein starkes Kontrollbedürfnis. Beide Eigenschaften sind durchaus nützlich – aber nur bis zu einem gewissen Grad. Wer psychisch so ausgestattet ist, läuft Gefahr, irgendwann ein Burn-out zu erleiden. Deshalb ist es wichtig, rechtzeitig aus der Überforderungsund Erschöpfungs-Spirale auszusteigen. Besser noch: ihr durch rechtzeitige Prophylaxemaßnahmen zu kommen.

Wie das geht? Indem man sich entlastet und für mehr Freiräume sorgt – auch wenn das nicht leicht ist. Machen Sie zunächst eine kleine Bestandsaufnahme: Prüfen sie, was Sie zurzeit am meisten anstrengt und an welcher Stelle Sie Entlastung bräuchten. Je konkreter Sie das wissen, desto besser. Vermeiden Sie unbedingt Killergedanken wie „Das geht ja doch nicht!“ Überlegen Sie, wie Ihr Partner oder eine Freundin Sie unterstützen kann. Bitten Sie diese Personen dann konkret um Hilfe. Gibt es Aufgaben, die Sie freiwillig übernommen haben, die Sie aber derzeit überfordern, etwa ein Ehrenamt? Geben Sie diese (vorübergehend) ab.

Durchforsten Sie nun Ihren Alltag: Packen Sie Ihren Tag zu voll? Erwarten Sie zu viel von sich? Stressen Sie sich selbst, indem Sie zu hohe Anforderungen an sich stellen? Dann darf es ab jetzt anstelle des frisch gekochten Gemüses auch mal eine Tiefkühlpizza sein. Auch die Wohnung muss nicht immer tipptopp aufgeräumt sein. Streichen Sie von Ihrer täglichen To-do-Liste im Kopf jeden Morgen fünf Punkte und schreiben Sie nur das Wichtigste auf. Machen Sie sich das Leben leicht, wo immer es geht. Und überhaupt: Seien Sie einfach mal faul! Nehmen Sie sich regelmäßige Sofazeiten – zum Lesen, Kuscheln oder Schlummern.

Regelmäßiges Auftanken

Und zu guter Letzt: Schaffen Sie sich Pausen, die nur dazu da sind, dass Sie Ihre Akkus aufladen. Das kann ein Spaziergang sein, ein Yogakurs, Treffen mit der liebsten Freundin oder ein Wellness-Wochenende mit dem Partner, während die Kinder bei den Großeltern sind. Wenn es schon brennt, bietet sich eine mehrwöchige Kur an. Egal, was es ist, es sollte Ihnen guttun. Na, schon eine Idee? Prima, dann geht es jetzt an die Umsetzung. Fangen Sie noch heute damit an. Denn wenn Sie es nicht tun, wer tut es dann?

Inga May beherzigt das inzwischen. Sie macht nun einen Kurs in Achtsamkeitsmeditation und versucht, sich jeden Tag eine halbe Stunde Zeit für diese Übungen zu nehmen. Ihr Mann nutzt diese Zeit ganz bewusst zum Spielen mit den Kindern. Und Jonas, ihr Ältester, sagte letztens zu seiner Mama: „Seit du da ständig auf dem komischen Kissen sitzt, schimpfst du gar nicht mehr so oft.“ So geht Selbstfürsorge. Sie tut nicht nur einem selbst gut, sondern auch der ganzen Familie.

kizz Check

Tue ich genug für mich?

  • Ich treffe mich regelmäßig mit Menschen, die mir wichtig sind.
  • Gelegentlich gestatte ich mir auch mal einen „faulen Tag“.
  • Ich nehme mir hin und wieder bewusst ein paar Stunden kinderfrei.
  • Ab und zu gehen mein Partner und ich gemeinsam aus.
  • Ich habe ein Hobby, das mir Freude macht.
  • Ich habe kleine Rituale, die mir im Alltag Kraft geben.

Wenn Sie weniger als drei dieser Fragen mit „ja“ beantwortet haben, sollten Sie selbstfürsorglicher werden. Tun Sie sich mehr Gutes! Und bedenken Sie: Ihre Familie hat von einer fröhlichen, entspannten Mutter mehr als von einer perfekten, aber gestressten!

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