Editorial

Rund vier Millionen Muslime leben inzwischen in Deutschland. Erst seit kurzer Zeit wird hierzulande intensiver wahrgenommen, dass es neben den beiden großen christlichen Kirchen eine beachtliche Zahl von Anhängern einer weiteren Religion gibt. Vor allem die Diskussionen über Schulversuche zum islamischen Religionsunterricht und den Bau von repräsentativen Moscheen in deutschen Städten haben den Islam als Religion in Deutschland stärker ins Bewusstsein gebracht. Zuletzt hat die im Jahr 2006 von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufene Deutsche Islamkonferenz die politische Diskussion befördert, aber auch deutlich gemacht, wie viele Fragen weiterhin offen sind.

Das liegt auch daran, dass es „den Islam“ in Deutschland nicht gibt. Deutschlands Muslime sind zwar mehrheitlich türkischer Abstammung, ihre ethnische Herkunft und damit auch die religiöse Ausrichtung sind insgesamt aber durchaus vielfältig; deutsche Konvertiten hingegen eher ein Randphänomen. Was kennzeichnet die Muslime in Deutschland, was sind ihre Anliegen? Wird sich das Verhältnis zwischen Staat und Religion durch die Einbeziehung der Muslime ändern? Was und wie lehren eigentlich muslimische Theologen und Religionslehrer in deutschen Schulen und Hochschulen? Und wo steht der christlich-muslimische Dialog, der in den vergangenen Jahren auch kritisch beäugt wurde?

Ausgewiesene Autoren, darunter auch etliche Muslime, geben im vorliegenden Themenheft Antworten auf diese Fragen. Sie porträtieren den Islam in Deutschland, skizzieren Grundzüge einer islamischen Theologie im europäischen Kontext und beschreiben die zukünftigen Herausforderungen für den christlich-muslimischen Dialog. Dabei wird deutlich, dass in manchen Bereichen schon größere Fortschritte erzielt worden sind, als gemeinhin bekannt ist. Es zeigt sich auch, dass der Islam für die christliche Theologie eine ernst zu nehmende Herausforderung darstellt.

Die Herder Korrespondenz hat sich dem Thema Islam nicht erst seit dem 11. September 2001 gewidmet. Vielmehr hat sie spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein großes Interesse an den anderen Weltreligionen und insbesondere am interreligiösen Dialog gezeigt. Zum Spezifikum der Herder Korrespondenz gehören regelmäßige Berichte über die gesellschaftliche, politische und religiöse Situation in allen Weltregionen. Vor allem in Asien und Afrika hat dabei der vielgestaltige Islam immer wieder eine markante Rolle gespielt. Auch der Islam in Europa war für die Herder Korrespondenz häufig Thema. Wichtige Beiträge aus dem vergangenen Jahrzehnt haben wir in drei e-Dossiers dokumentiert („Islam als Herausforderung“, „Christlich-islamischer Dialog wohin?“, „Islam in Deutschland“; vgl. www.herderkorrespondenz.de), sie lassen sich aber ebenso über unser neues Online-Angebot nachlesen (www.hk-on.de).

Auch in diesem Themenheft ist es unser Ziel, möglichst unvoreingenommen und sachlich zu informieren, offenkundige Probleme freilich auch nicht zu verschweigen. Darüber hinaus sollen die Anliegen der Muslime authentisch zu Wort kommen. Dies alles geschieht aus der Überzeugung, dass das Gespräch mit den Muslimen aufgrund gemeinsamer Glaubensüberzeugungen, wie sie „Nostra aetate“, die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis zu den nicht-christlichen Religionen, benannt hat, geboten ist.

Unser Dank gilt den Autorinnen und Autoren für die gute Zusammenarbeit.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!

Ulrich Ruh

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