Impulse aus dem Westen

Zur Geschichte der „Herder Korrespondenz“ gehört auch der Blick nach Frankreich.

Paris und der Eiffelturm
© Pixabay

Zu den wesentlichen Bestandteilen der „Herder Korrespondenz“ gehört der reflektierte Blick über die eigenen Grenzen hinweg. Ein früherer Untertitel der „Herder Korrespondenz“ lautete „Orbis Catholicus“ – die römisch-katholische Kirche ist Weltkirche –, was wäre da angemessener als die systematische Analyse des Katholischseins anderer Ortskirchen. Das Interessante dabei ist, dass das Wissen über die Kirche in den anderen Ländern nicht nur um der anderen Länder willen von Bedeutung ist. Das eigene Land beziehungsweise die Kirche des eigenen Landes kennt man im Grunde erst, wenn man die Unterschiede zu den anderen Ländern einschätzen kann. Erst dann ergibt sich das spezifische Profil der eigenen Kirche, ihrer Besonderheiten, ihrer Chancen und Begabungen, und natürlich auch ihrer Schwächen.

Das Wissen um die kirchliche Lage in anderen Teilen der Welt ist gerade heute von besonderer Bedeutung. Die Kontinente sind mehr denn je zusammengewachsen. Die Möglichkeiten moderner Kommunikation haben dazu ebenso beigetragen wie die enorm angewachsene Mobilität – unabhängig davon, ob diese nach der Corona-Pandemie in den Status quo ante zurückkehren wird oder nicht. Zu den wichtigsten Ländern, auf die innerhalb der „Herder Korrespondenz“ immer wieder der Blick gerichtet wurde, gehört Frankreich. Die französische Theologie war eine der tragenden und prägenden Kräfte auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Für die gesamte nachkonziliare Entwicklung kamen wichtige Impulse aus den Bistümern westlich des Rheins. Manchmal hatte man den Eindruck, die Kirche in Frankreich nehme in ihrer Entwicklung Dinge vorweg, die in Deutschland erst zu einem späteren Zeitpunkt realisiert wurden.

Zu den wichtigsten Ländern, auf die innerhalb der „Herder Korrespondenz“ immer wieder der Blick gerichtet wurde, gehört Frankreich. Die französische Theologie war eine der tragenden und prägenden Kräfte auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Für die gesamte nachkonziliare Entwicklung kamen wichtige Impulse aus den Bistümern westlich des Rheins. Manchmal hatte man den Eindruck, die Kirche in Frankreich nehme in ihrer Entwicklung Dinge vorweg, die in Deutschland erst zu einem späteren Zeitpunkt realisiert wurden.

Die entscheidende Differenz zwischen der Kirche in Frankreich und vielen anderen Ortskirchen ist der Laizismus, wie er in den Trennungsgesetzen von Staat und Kirche von 1905 formuliert wurde. Seither besitzt Frankreich ein exemplarisch anderes Verhältnis von Staat und Kirche als beispielsweise Deutschland. Die Trennungsgesetze sicherten die Freiheit, eine Religion oder keine Religion zu bekennen. Vor allem aber wurde festgelegt, dass es untersagt ist, staatlicherseits kirchliche Aktivitäten zu unterstützen. Die Erfassung von Zugehörigkeitsbeiträgen (sprich: Kirchensteuer), ein Fach Religion an öffentlichen Schulen und ein Studiengang Theologie an staatlichen Universitäten, wie in Deutschland üblich, wären unter solchen Bedingungen undenkbar.

Der Priestermangel samt den mit ihm verbundenen Folgen und Konsequenzen veränderte die Kirche in Frankreich vor diesem Hintergrund früher, als dies in Deutschland der Fall war. Mitte der Siebzigerjahre entstanden daher die sogenannten „Assemblées dominicales en l’absence de prêtre“ (ADAP). In den Neunzigerjahren tauschte man das A für „absence“ gegen ein A für „attente“. Statt wegen der Abwesenheit von Priestern nach neuen pastoralen Konzepten zu suchen, wartete man auf Priester. Einen gänzlich anderen Weg schlug das Bistum Poitiers ein: Hier wurden in sogenannten „Équipes pastorales“ Laien in die Gemeindeleitung berufen und damit die Gemeinschaft vor Ort gestärkt. Man setzte auf die Eigenverantwortlichkeit der Kirchenmitglieder aufgrund von Taufe und Firmung.

Auch das Dokument „Proposer la foi dans la société actuelle“ von 1996 war Ausdruck einer Suche nach neuen Formen des Glaubens und der Glaubensvermittlung. Glaube könne nur angeboten und in Freiheit angenommen, nicht aufgezwungen werden, so die französischen Bischöfe. Die „Herder Korrespondenz“ trug dazu bei, dass dieser Impuls auch in Deutschland rezipiert und für die pastoralen Prozesse fruchtbar gemacht wurde.

Daneben spielt der nachkonziliare Traditionalismus in Frankreich bis heute eine sehr viel größere Rolle als in Deutschland. Was sich in Deutschland eher wie eine Sonderform der Liturgie ausnimmt, ist in Frankreich eine religiöse Strömung, die weit in die Gesellschaft hineinreicht – nicht zuletzt bis in die Kreise des rechtsextremen „Front national“ (heute: Rassemblement national). Im Gegensatz dazu steht die ökumenische und weltoffene Brüdergemeinschaft von Taizé mit ihren internationalen Jugendtreffen, ob in Burgund, jeweils am Jahresende in großen europäischen Städten oder weltweit als Gemeinschaften auf dem Pilgerweg des Vertrauens auf der Erde.

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