AuftaktTerrorangst

In Deutschland macht sich eine gefährliche Angst breit, die zur Stigmatisierung gesellschaftlicher Gruppen führt. Die Politik muss dem mit Gefühl begegnen.

Angst vor dem Terror: Die Politik muss entschlossen reagieren
Seit den Anschlägen in Würzburg und Ansbach wächst die Angst vor dem Terror. Die Politik muss handeln und Sicherheit geben – entschlossen aber auch mit Feingefühl.© KNA

Würzburg, München, Ansbach – umso näher Terror und Attacken rücken, desto weniger funktionieren psychologische Bewältigungsstrategien. Jetzt wächst eine irrationale Angst, die gefährlich ist. In einer repräsentativen Umfrage zu den „Ängsten der Deutschen“ steht erstmals Terrorismus auf Platz eins. 2013 waren noch Geldentwertung, Naturkatastrophen und Pflegeprobleme im Alter die Spitzenreiter.

Die Deutschen fühlen sich nicht mehr sicher im eigenen Land, es ist das Gefühl, dass es jederzeit, an jedem Ort und jedem passieren kann – Opfer eines Anschlags oder einer Attacke zu werden.

Unionspolitiker greifen jetzt alte Vorschläge, wie die Kritik an der doppelten Staatsbürgerschaft oder die Forderung nach einem Burkaverbot wieder auf. Es sind Symbolthemen, die für eine Emotionalisierung stehen und bisher eher im rechtspopulistischen Spektrum zu finden waren. Die Angst führt offensichtlich zu einer gefährlichen Tendenz. Sie braucht ein Objekt und findet dieses zurzeit vor allem im Islam oder in „Nicht-Integrationswilligen“ mit zwei Pässen. Das ist eine Dehumanisierung, denn „den Islam“ oder „den Moslem“ gibt es genauso wenig wie „den Einwanderer“. Trotzdem werden die Ängste auf diese Gruppen projiziert. Die Folge ist, dass sich die politische Auseinandersetzung in den Alltag einschleicht. Begegnungen mit Männern arabischen Aussehens verlieren an Unbedarftheit, die Muslima mit Kopftuch wird als Bedrohung wahrgenommen (Karikaturen zeigen Schwangere mit Bomben unter dem Shirt) und die Touristenzahlen in nordafrikanischen Ländern sinken.

Dabei ist es in Deutschland statistisch wahrscheinlicher bei einem Verkehrsunfall zu sterben als durch einen Terroranschlag. Einige Medien suggerieren mit ihrer Berichterstattung eine größere Gefahr, sie nähren die Angst und verstärken Stereotype. Dieser Verantwortung müssen die Journalisten sich stellen. Die Augen vor der Realität verschließen darf man trotzdem nicht, das zeigen auch die „Lügenpresse“-Vorwürfe. Neben der Ambivalenz der richtigen Berichterstattung (Die Gesichter der Attentäter zeigen? Bei Straftaten die Nationalität nennen?) stellt sich die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Angst. Für Martin Heidegger hat sie ihre Ursache im antizipierten Tod. Dass dieses existenzielle Gefühl ihr eigentliches Objekt ist, kann die Heftigkeit der aktuellen Debatten erklären.

Damit aus der Terrorangst kein Hass auf gesellschaftliche Gruppen wird, müssen Politiker mehr Gefühle zeigen, um gegen die Populisten zu gewinnen. Das gilt auch für die Kanzlerin. Denn wohin solcher Hass führen kann, hat die Geschichte oft genug gezeigt. „Das Land ist nicht in einem Zustand wie ein sinkendes Schiff“, sagte Joachim Gauck in seinem Sommerinterview. Auf den Straßen des Landes spürt man diese Zuversicht derzeit nicht.

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