Für den „Neokatechumenalen Weg“ wie für die Stellung der zusammenfassend als „Bewegungen“ bezeichneten Gruppierungen in der katholischen Kirche insgesamt war der 29. Juni 2002 ein herausragendes Datum. Symbolträchtig am Fest Peter und Paul erfolgte die Approbation des Statuts der Neokatechumenalen durch den Päpstlichen Laienrat, zunächst „ad experimentum“ für fünf Jahre. Der erste Paragraph des 35 Artikel umfassenden Statuts zitiert den Brief Johannes Pauls II. vom 30. August 1990 an den damaligen Vizepräsidenten des Laienrats, Erzbischof Paul Josef Cordes. Darin hatte der Papst den Mitte der sechziger Jahre in Spanien entstandenen und seit 1968 auch in Rom ansässigen Neokatechumenalen Weg als „für die Gesellschaft und die heutige Zeit gültige“ Methode der Hinführung zum katholischen Christsein anerkannt. Schon damals stand dieser Weg, eine sich über Jahre erstreckende, in kleinen Gemeinschaften praktizierte Glaubensschule für Getaufte, in der innerkirchlichen Diskussion, sorgte für Spannungen in Pfarreien und Diözesen. Wohl nicht zuletzt deshalb drängte Rom auf einen rechtlich verbindlichen und offiziell anerkannten Rahmen für das Neokatechumenat. Bei einer Ansprache an die Verantwortlichen des Neokatechumenalen Wegs am 24. Januar 1997 bezog sich Johannes Paul II. auf die kurz zuvor getroffene Grundsatzentscheidung der Bewegung zugunsten eines Statuts und bezeichnete sie als „sehr wichtigen Schritt“ hin zu einer formellen kirchlichen Anerkennung: „Ich ermutige euch dazu, das begonnene Werk unter Aufsicht des Päpstlichen Laienrats voranzubringen.“
Ein schwieriger Dialog
Es brauchte fünf Jahre und diverse Entwürfe, um das Statut im Konsens zwischen dem Neokatechumenat und dem Laienrat fertig zu stellen. Wie schwierig dieser Prozess war, belegt nicht zuletzt ein Brief des Papstes an Kardinal James Francis Stafford, den Präsidenten des Laienrates, vom 5. April 2001. Darin sprach Johannes Paul II. von „unverzichtbaren Bedingungen“, von denen das Weiterbestehen des Neokatechumenalen Wegs abhänge. Er erinnerte an die Formulierung im nachsynodalen Schreiben „Christifideles laici“ vom Dezember 1988, wonach kein Charisma von der Unterordnung gegenüber der kirchlichen Autorität dispensiere. Die Aufgabe des Laienrats bei der Erarbeitung des Statuts bezeichnete er als „delikat“.
Kardinal Stafford selber äußerte sich am 30. Juni in einer Ansprache aus Anlass der Approbation des Statuts für kuriale Gepflogenheiten ziemlich deutlich zu den Problemen, die in den vergangenen fünf Jahren zu überwinden waren: Demnach war der Dialog mit dem Neokatechumenalen Weg „lebhaft und gelegentlich auch schwierig, aber immer getragen von einem hohen Grad an kirchlichem Verantwortungsbewusstsein und von Liebe zur Kirche“. Offenbar gab es innerhalb des Neokatechumenats zum einen anhaltenden Widerstand gegen verbindliche rechtliche Festlegungen, zum anderen Bestrebungen, die Bewegung nicht, wie vom Papst gewünscht, beim Laienrat, sondern bei anderen Kurienbehörden (Klerus- oder Bischofskongregation) anzubinden. Nach Aussage von Kardinal Stafford gingen der Approbation des Statuts umfangreiche Konsultationen mit Bischöfen und Bischofskonferenzen aus der ganzen Welt über ihre Erfahrungen mit dem Neokatechumenat voraus. Zahlreiche Kardinäle und Bischöfe hätten sich ihrerseits mit der Bitte um Überprüfung und Approbation des Statuts an den Papst gewandt. Man habe Kirchenrechtler konsultiert und aufmerksam sehr viele Zeugnisse und Beobachtungen von Personen herangezogen, die den Neokatechumenalen Weg aus eigener Anschauung kennen.
Als Arbeitsfelder des Neokatechumenats nennt das Statut auch die Hinführung Nichtgetaufter zum christlichen Glauben und die weiterführende Glaubenserziehung als Hilfe zur Gemeindeerneuerung. Das Schwergewicht liegt jedoch eindeutig auf dem Spezifikum der Gruppierung, dem „Katechumenat nach der Taufe“. Diesen Prozess stellt das Statut in seinen drei Grundelementen – Wort Gottes, Liturgie, Gemeinschaft – und Etappen ausführlich dar (Artikel 5 bis 21). Demzufolge beginnt das Neokatechumenat in einer Pfarrei mit Anfangskatechesen, die zur Bildung einer Gemeinschaft führen sollen. Sie geht dann miteinander den eigentlichen Weg: „Präkatechumenat“ in zwei Etappen von jeweils etwa zwei Jahren, in denen die Mitglieder der Gemeinschaft zunächst mit der Sprache der Bibel und dann mit den großen Stationen und Figuren der Heilsgeschichte vertraut gemacht werden; „Katechumenat im Anschluss an die Taufe“ als „Zeit des geistlichen Kampfes mit dem Ziel, die innere Einfachheit des neuen Menschen zu erwerben“ (hier ist keine feste Dauer vorgegeben); „Wiederentdeckung der Erwählung“ mit der feierlichen Erneuerung der Taufgelübde in der Osternacht als Endpunkt.
Endlich ein fester Bezugspunkt
Der Text enthält darüber hinaus Bestimmungen zu den Katechisten, die die Anfangskatechesen halten und dann regelmäßig die dadurch entstandenen Gemeinschaften besuchen, sowie zu deren Ausbildung; zu den zu einem Einsatz überall auf der Welt bereiten Wanderkatecheten („Itineranten“) und den „Familien in Mission“, die das Neokatechumenat in entchristlichte Gegenden aussendet. Das abschließende Kapitel ist der Führung des Neokatechumenalen Wegs auf Weltebene gewidmet: Sie steht auf Lebenszeit den beiden spanischen Gründern Kiko Argüllo und Carmen Hernández sowie dem römischen Diözesanpriester Mario Pezzi zu.
Das Statut nennt als inhaltliche Grundlage für die Durchführung des Neokatechumenats in den Pfarreien das „Katechetische Direktorium“ des Wegs, das die in mündlicher Form weitergegebene Tradition und die bisherige Praxis des Neokatechumenats zusammenfasst. Dieses in mehrere Bände aufgeteilte Werk liegt derzeit der Glaubenskongregation, der Gottesdienstkongregation und der Kleruskongregation zur gemeinsamen Approbation vor. In seiner Ansprache vom 30. Juni zählte Kardinal Stafford einige Punkte auf, die dem Heiligen Stuhl bei der Erarbeitung des Statuts besonders wichtig gewesen seien. Es handelt sich ausnahmslos um Themen beziehungsweise Probleme, die seit Jahr und Tag die innerkirchliche Diskussion über den Neokatechumenalen Weg bestimmen: Die Verantwortung der Bischöfe, die Rolle der Gemeindepfarrer im Blick auf die neokatechumenalen Gemeinschaften, den Respekt vor dem „Forum internum“ und der freien Entscheidung der jeweils Betroffenen sowie die Öffnung der Gemeinschaften auf die gesamte Pfarrei und Diözese.
Im Statut selber sind entsprechende Korsettstangen eingebaut. So hält Artikel 26 als Aufgaben des Ortsbischofs fest, über die Übereinstimmung der Durchführung des Neokatechumenalen Wegs mit Lehre und Disziplin der Kirche zu wachen, im Dialog mit der Führung des Wegs eventuelle Fragen in Bezug auf das Neokatechumenat in seinem Bistum zu klären und in Pfarreien mit Neokatechumenalen Gemeinschaften für eine „angemessene Kontinuität in der Pastoral“ zu sorgen. Artikel 7 verpflichtet die im Neokatechumenalen Weg Engagierten auf Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit allen Gläubigen und Gruppen in der jeweiligen Pfarrei.
Durch das jetzt approbierte Statut trete der Neokatechumenale Weg aus dem Schatten der Unklarheit und der ständigen Verdächtigungen heraus, so Lorenzo Prezzi, Chefredakteur der Bologneser Zeitschrift „il regno“ und seit längerer Zeit aufmerksamer Beobachter der Entwicklung des Neokatechumenats, zu dem sich gerade italienische Bischöfe immer wieder kritisch geäußert haben. Jetzt gebe es einen sicheren und öffentlich zugänglichen Bezugspunkt (il regno, 15.7.02). Prezzi fügt aber hinzu, bei den von Bischöfen immer wieder kritisierten Punkten (Art der Verkündigung durch die Katecheten, Gestaltung der Osternachtfeier, Autorität der Katecheten, besondere Eucharistiefeier der Gemeinschaften am Samstagabend) bleibe das Statut ziemlich vage, lasse höchstens leise erkennen, dass man sich der Probleme bewusst sei.
Der Präsident des Laienrats hatte in seiner Ansprache vom 30. Juni eingeräumt, seiner Behörde stehe nur zu, die Übereinstimmung der Statuten des Neokatechumenats mit Lehre und Disziplin der Kirche sicher zu stellen. Sie habe nicht das Recht, Normen in Bezug auf Charisma, Zielsetzungen Pädagogik und „Stil“ des Neokatechumenalen Wegs auszuarbeiten und aufzuerlegen. Das bedeutet aber auch, dass die Anfragen gegenüber dem theologischen Ansatz, dem Schriftverständnis und der katechetischen Praxis des Neokatechumenats mit seiner Mischung aus wiederbelebtem Frühchristentum und traditioneller katholischer Frömmigkeit bestehen bleiben. In diesem Zusammenhang kann man auf das noch ausstehende Urteil der damit befassten Kurienbehörden über das „Katechetische Direktorium“ des Wegs gespannt sein.
Ein Testfall für die „Bewegungen“
Der Neokatechumenale Weg ist zwar keine Bewegung oder Organisation mit festen Strukturen, wohl aber eine Gruppierung von beträchtlichem Gewicht in der katholischen Weltkirche. Nach eigenen Angaben im Zusammenhang mit der Approbation des Statuts zählte der Weg 2001 über 16700 Gemeinschaften in etwa 5000 Pfarreien von 880 Bistümern. 8000 Gemeinschaften waren es in Europa, 7300 in Nord- und Südamerika, etwa 800 in Asien und Australien sowie 600 in Afrika. Die Zahl der vom Neokatechumenat betreuten und geprägten Priesterseminare, die alle unter der Bezeichnung „Redemptoris Mater“ firmieren, wird mit 46 angegeben, davon 20 in Europa. In Deutschland bestehen Seminare des Typs „Redemptoris Mater“ in Berlin und seit kurzem auch in der Nähe von Köln. Seit 1989 gingen aus den vom Diözesanbischof in Übereinstimmung mit der Führung des Neokatechumenalen Wegs errichteten Seminaren weltweit 731 Priester hervor (Regelungen zu den Seminaren finden sich in Artikel 18 des Statuts).
Die verschiedenen „Bewegungen“ innerhalb der katholischen Kirche lassen sich nicht über einen Leisten schlagen, weisen vor allem strukturell beträchtliche Unterschiede auf und sind jeweils stark vom Charisma ihrer Gründerpersönlichkeiten geprägt. Dennoch könnte sich gerade die weitere Entwicklung des Neokatechumenats zwischen sperriger spiritueller Eigenprägung und kirchlichen Vorgaben als Testfall für den Platz der „Bewegungen“ in der Kirche erweisen.