Häresie? Der Heilige Geist im Richtungskampf

In der katholischen Kirche kämpfen momentan zwei Richtungen gegeneinander. So deutet der Jesuit und Chefredakteur der „Stimmen der Zeit“, Stefan Kiechle, die aktuelle Unruhe und die Turbulenzen in der Glaubensgemeinschaft. Die eine Gruppe betrachte die Kirche wie einst als eine Art perfekte Gesellschaft, wenn auch nicht mehr so perfekt wie ursprünglich gedacht. Sie sei aber weiterhin ein „Rechtsverband“ mit „klaren Regeln und einer ehrwürdigen, gottgegebenen Ordnung“, die unter anderem eine strikte Individualmoral verlangt. Nur weil diese Rechtsordnung nicht infrage gestellt, sondern entschieden eingehalten wurde, habe die Kirche unter der Leitung des Nachfolgers des Petrus, des Papstes, mit seiner besonderen Rechtsprechungsgewalt chaotische Zeiten, „Brüche der Geschichte und der Kulturen“ überdauert.

Die andere Gruppe hingegen betrachte die Kirche dynamischer als Volk, „das aus der Liebe und Barmherzigkeit Gottes lebt und diese an alle Menschen und Völker vermittelt“. In dieser Sicht seien „klare Identitäten und Abgrenzungen“ weniger bedeutsam, ja sogar hinderlich. Soziale Tätigkeit ist in dieser Perspektive wichtiger als die Erfüllung einer strengen Individualmoral. Gemäß biblischem Befund des Umgangs Jesu mit dem Sabbat sei dieser eben für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat.

Papst Franziskus hängt nach Einschätzung Kiechles dem zweiten Kirchenbild an. Das führt dazu, dass ihm insbesondere „rechtskatholische Medien“ und konservativ-traditionalistisch orientierte Kreise Häresie vorwerfen. Damit aber begeben sich diese Gruppierungen laut Kiechle in einen Selbstwiderspruch. Denn gerade sie betonen ja eine Ordnung des Gehorsams, der Unterordnung unter den Papst. Mit dem Häresievorwurf hingegen erheben sie sich über den Papst.

Wie könnte der Papst auf die Kritik reagieren? Zum Beispiel – so Kiechle – indem er seine Kritiker ausgrenzt. In jedem Unternehmen würden solche Maßnahmen ergriffen, Widersacher entlassen. Papst Franziskus aber scheine mehr Geduld mitzubringen. Er ignoriert einfach das Getöse im Vertrauen, dass in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes dieser „den Richtungskampf schon richten“ wird.

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