Interview mit Rudolf ProkschiTheologie für die Gegenwart

Was beschäftigt Lehrer und Lehrerinnen der Theologie? In dieser Reihe antworten Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Fachrichtungen und Hochschulen, was sie persönlich und im Beruf bewegt.

Professor für Patrologie und Ostkirchenkunde an der Universität Wien. Geboren 1953 in Asparn/Zaya (Niederösterreich). 1972–1977 Studium der katholischen Theologie in Wien. 1977 Magister der Theologie und Diakon, 1978 Priester der Erzdiözese Wien. 1981–1988 Universitätsassistent und Lektor; 1988 Promotion in Wien. 1988–1996 Pfarrer in Ober St. Veit/Wien und Spiritual am Seminar für kirchliche Berufe. 1996–1998 Forschungsaufenthalt in Moskau. 1998 bis 2003 Lehrstuhlvertreter für das Fach „Ostkirchengeschichte und Ökumenische Theologie“ an der Universität Würzburg. 2001–2003 Lehrtätigkeit im Theologischen Studienjahr der Benediktinerabtei Dormitio/Jerusalem und am Institut für Ökumenische Studien, Universität Fribourg/Schweiz; seit 2004 Professor in Wien. Aufgabenbereiche in der Erzdiözese: seit 2005 Rektor des St. Thomaskollegs für Stipendiaten aus Kirchen der östlichen Traditionen; seit 2009 Vorsitz in der Ökumene-Kommission der Erzdiözese und Vizepräsident der Stiftung „Pro Oriente“; seit 2010 Mitglied des Domkapitels und seit 2017 Domdekan.

Veröffentlichungen in Auswahl: „Ist ein kirchlicher Eheabschluss orthodoxer Gläubiger mit Christen anderer Bekenntnisse (Mischehe) möglich?“, in: „Theologia Iuris Canonici“ (Festschrift für Ludger Müller, hg. von Christoph Ohly/Wilhelm Rees/Libero Gerosa, Reihe: „Kanonistische Studien und Texte“, Bd. 67, Berlin 2017); „Glaube und herrsche“, in: „ZEIT Geschichte“ 3/2015: „Die Russen und wir“; „Ökumene im Wandel. Zum Verhältnis der Russischen Orthodoxen Kirche zur Katholischen Kirche seit dem 2. Weltkrieg“, in: Reinhard Flogaus/Jennifer Wasmuth (Hg.), „Orthodoxie im Dialog“ (Festschrift für Heinz Ohme, Reihe „Arbeiten zur Kirchengeschichte“, Bd. 130, Berlin/Boston 2015); „Ökumene – ein Weg zur Erneuerung unseres gemeinsamen christlichen Glaubens“, in: George Augustin/Markus Schulze (Hg.), „Freude an Gott“ (Festschrift für Kurt Koch, Freiburg 2015); „Pan-Orthodoxes Konzil 2016“, in: „Stimmen der Zeit“ 232 (2014).

           Foto: Rupprecht@kathbild

 

 

Was ist Ihr Lieblingsort?

Immer wenn ich die Großstadt Wien Richtung Norden (Brünn) verlasse und in das „Weinviertler Hügelland“ eintauche, empfinde ich heimatliche Gefühle (Erinnerungen an meine Kindheit). In den letzten Jahren – seitdem ich auch am Stephansdom tätig bin – ist mir der Dom im Zentrum Wiens ans Herz gewachsen.

Woran forschen Sie gerade?

Seit meinem Studienaufenthalt in Moskau (1996–1998) beschäftige ich mich intensiv mit der Russischen Orthodoxen Kirche. Im letzten Jahr standen vor allem das 100-Jahr-Gedenken des Landeskonzils von 1917/18 und natürlich die Oktoberrevolution im Mittelpunkt meiner Forschung. Zuletzt – im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen – ist es das Verhältnis von Staat und Kirche in Russland, zu dem ich immer wieder angefragt werde.

Mit welcher Person aus Gegenwart und/oder Geschichte würden Sie gern einmal diskutieren? – Worüber?

Da mich seit vielen Jahren die Ökumene mit den Ostkirchen sehr bewegt, würde ich gern mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. (1886–1972) über seine Vorstellungen zum Thema „Einheit der Kirche“ diskutieren.

Meine aufregendste Bibelstelle…

Die Bitte des jungen Königs Salomo, die er im Traum dem Herrn mitteilt – „Verleih’ daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ (1 Kön 3,9) –, berührt mich immer wieder neu. Was würde ich dem Herrn antworten, wenn er mich auffordert, eine Bitte auszusprechen, die er mir gewähren will?

Mein „Herzens“-Gebet…

Einer meiner ersten Zugänge zu den Ostkirchen waren die „Aufrichtigen Erzählungen eines russischen Pilgers“, die Begegnung mit dem sogenannten „Jesus- oder Herzensgebet“. Mit den entsprechenden Autoren in der „Philokalie“ habe ich mich intensiv beschäftigt, ohne behaupten zu wollen, dass ich voll in die Praxis des immerwährenden Gebets eingedrungen bin. Trotzdem erahne ich gerade hier einen tiefen Schatz der ostchristlichen Tradition.

Was ist für Sie das drängendste theologische Problem der Gegenwart?

Aufgrund meiner Tätigkeit an der Fakultät, aber auch in der Erzdiözese Wien ist mir die Einheit unter den Christen, insbesondere mit dem christlichen Osten, sehr wichtig und drängend.

Welchen Atheisten schätzen Sie?

Ich kenne keinen öffentlich bekannten Atheisten persönlich. In meinem Bekannten- und Freundeskreis gibt es eine Reihe von Menschen, die ich aufgrund ihres sozialen Engagements und ihrer Geradlinigkeit in ihrer konkreten Lebensgestaltung sehr schätze, die aber – nach eigenen Aussagen – mit dem Glauben an Gott nichts anfangen können.

Wann waren Sie zuletzt im Kino? In welchem Film?

Das liegt sicher schon einige Jahre zurück. Ich gehe äußerst selten ins Kino. Damals war ich gemeinsam mit dem lutherischen Bischof Michael Bünker im Kino und wir haben uns den Film „Avatar“ angesehen.

Und im Theater?

Wenn mich Gäste aus dem Ausland besuchen, dann gehe ich gerne mit ihnen in Operetten, Musicals oder Konzerte.

Wer ist Ihr Lieblingsdichter/-schriftsteller?

In meiner Schulzeit haben wir das Drama „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer einstudiert und aufgeführt. Meine Rolle beinhaltete die bekannte Lobrede auf Österreich des Ottokar von Hornek, die ich bis heute noch immer auswendig zitieren kann.

Welche Musik hören Sie gern?

Entweder geistliche Musik oder Klassik.

Welches nichttheologische Buch lesen Sie momentan?

Ehrlich gestanden komme ich eher selten dazu, ein nichttheologisches Buch zu lesen. Zuletzt war es die Publikation von Lutz C. Kleveman „Lemberg. Die vergessene Mitte Europas“.

Und welches theologische Werk?

Ich bin gerade daran, die jüngst erschienene Publikation von Jörg Zink zu lesen: „Die Urkraft des Heiligen. Christlicher Glaube im 21. Jahrhundert“. Darin wählt der bereits verstorbene Verfasser einen für mich interessanten Zugang zum Kernstück des christlichen Glaubens.

Wer ist Ihr theologisches Vorbild?

Kardinal Franz König, der mich 1978 zum Priester geweiht hat, war beim Zweiten Vatikanischen Konzil einer der bedeutenden Bischöfe und Theologen, insbesondere was den ökumenischen Dialog und das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen betrifft. Bis ins hohe Lebensalter – er starb einige Monate vor seinem 99. Geburtstag im März 2004 – hat er sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt.

Welcher Kirchenbau, welcher Kirchenraum gefällt Ihnen am besten?

Naturgemäß fühle ich mich in einer orthodoxen Kirche inmitten des ausgeprägten Ikonenprogramms sehr wohl. Aber auch alte romanische Kirchenbauten oder gotische Dome haben für mich eine besondere Ausstrahlung. Das soll aber nicht heißen, dass mir nicht auch so mancher moderne Kirchenbau gut gefällt.

Was – wo – war Ihr schönstes Gottesdiensterlebnis?

Die Osternacht 1996 in meiner ehemaligen Pfarre in Wien, die wir damals erstmalig in den frühen Morgenstunden gefeiert haben. Als ich die Osterkerze in das Taufbecken eintauchte, war durch die Glaswand der Taufkapelle das Morgenrot erkennbar, und am Ende der Feier führte die Auferstehungsprozession hinaus in die strahlende Morgensonne.

Wovor haben Sie Angst?

Grundsätzlich bin ich kein ängstlicher Mensch. Als ich von den Gräueltaten der IS-Kämpfer in den Medien hörte, spürte ich eine gewisse Ohnmacht und Angst, wenn ich mich in die Opfer hineindachte.

Worauf freuen Sie sich?

Ich hoffe, dass ich – nach meiner bevorstehenden Pensionierung – mich noch mehr verschiedenen geistlich-spirituellen Aufgaben (geistliche Begleitung, Sakrament der Versöhnung, Exerzitienkurse) widmen kann. Die Spiritualität war es ja auch, die mich zu den Ostkirchen führte.

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