Eine systematische Ekklesiologie fehlte durch viele Jahrhunderte, Einzelthemen wurden von der Kirchenväterzeit an gründlich reflektiert, im Mittelalter mit einem starken kirchenrechtlichen Übergewicht, auch in mystischer Zuwendung zu Bildern der Kirche (Braut). Im 15. Jahrhundert begegnen ein "Tractatus de Ecclesia" und eine "Summa de Ecclesia". Auf eine kontroverstheologische und apologetische Phase in der Folge der Reformation entstanden in der Tübinger Schule des 19. Jahrhunderts von der Pneumatologie und Inkarnationstheologie geprägte ganzheitliche Ansätze der Lehre von der Kirche.
In der klassischen Theologie wurden dagegen die Themen der Ekklesiologie in der Fundamentaltheologie vorgetragen. In historischen Nachweisen und Argumentationsformen befasste man sich mit der "Stiftung" der Kirche durch Jesus Christus, mit ihrer Lehrautorität, ihrer Hierarchie usw.; mit Einbeziehung dogmatischer Aspekte, da die Wesensmerkmale (Kennzeichen) der Kirche in das Glaubensbekenntnis aufgenommen wurden und damit Gegenstand des Glaubens sind; ferner da die wesentlichen theologischen Aussagen über Heilige Schrift und Tradition (über die bloß historischen Probleme hinaus) eine Glaubenslehre über die Kirche voraussetzen. In den Diskussionen des 20. Jahrhunderts über die Kirche als Grund- oder Wurzelsakrament und Jesus Christus als Ursakrament bahnte sich eine ganzheitliche, dogmatische, das heißt vom Glauben her bestimmte Ekklesiologie an, die das II. Vaticanum mit seinem sakramentalen Verständnis der Kirche beeinflusste (Communio-Ekklesiologie).
Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder