ElternbloggerKlick für Klick - Einblicke ins Familienleben

Rund 3 000 Eltern bloggen. Zunehmend professionell und mit beachtlicher Reichweite berichten sie vom Alltag mit Kindern, von Erziehungsdingen oder dem Spagat zwischen Job und Familie

Voll im Trend! Bloggen über das Familienleben
Voll im Trend! Bloggen über das Familienleben © Thought Catalog - Unsplash

Wenn Eltern früher Probleme hatten, fragten sie im Freundeskreis nach, lasen Erziehungsratgeber und Elternmagazine oder fanden Hilfe in Familienportalen. Heute gibt es dazu noch die sozialen Medien sowie circa 3 000 Elternblogs in Deutschland, schätzt der Verein Blogfamilia. Die meisten BetreiberInnen sind Mütter und führen ihren Blog als Hobby, doch die Zahl der hauptberuflichen BloggerInnen steigt. Sehr persönlich und emotional erzählen sie aus ihrem Leben, wie Daniela Maniva Melo, die auf Siebenkilopaket über ihre Regenbogenfamilie schreibt. Freiwillig liefern sie und andere sich so dem Feedback Unbekannter aus, das jedoch verblüffend einfühlsam und solidarisch sein kann, wie viele Leserkommentare zeigen.

Aus dem anstrengenden Alltag

Die Langeweile allein zu Hause füllen, den Austausch mit anderen suchen, ein Ventil für die Kreativität finden: Die Gründe fürs Bloggen sind so vielfältig wie die Szene selbst. Anke Neckars selbsterklärter „ehrlicher Familienblog aus Köln“ namens Lächeln und Winken entstand, als die Werbetexterin und Redakteurin nach ihrem ersten Jahr mit Baby und ohne ihre geliebte Textarbeit langsam durchdrehte. Bis sie begann, einen Blog mit witzig-frechen Texten auch über die Schattenseiten des Elterndaseins zu füllen. Aus dem anfänglichen Hobby ist heute eine hauptberufliche Beschäftigung geworden: Um die 30 Stunden in der Woche schreibt sie Texte, pflegt Profi le und Kanäle auf Instagram, Pinterest, Facebook und YouTube, beantwortet Nachrichten, Mails und Kommentare. 45 000 einzeln gezählte Nutzer hat der Blog im Monat, ihre Facebook-Seite über 11 000 Abonnenten. „Ich erlebe, dass sich vor allem junge Mütter im Familienalltag und mit typischen Problemen alleingelassen fühlen. Also sind sie im Netz unterwegs und erfahren durch Elternblogger, dass es anderen genauso geht“, erzählt Neckar. Wie Lächeln und Winken wollen auch viele andere Blogs in erster Linie für emotionale Entlastung sorgen, unterhaltsame Geschichten erzählen und Tipps von Gleichgesinnten bieten. Die meisten Blogger sehen sich daher nicht als Experten mit gewichtiger Meinung oder als Konkurrenz zu Online- und Print-Familienmagazinen, sondern als deren Ergänzung. Auch wenn manche Blogs mit der Zeit ihre subjektive Perspektive erweitert haben. Wie Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim mit ihrem Blog Stadt-Land-Mama, den die beiden freien Journalistinnen inzwischen hauptberuflich in ihrem Redaktionsbüro organisieren. Die beiden Dreifachmütter schreiben vor allem über Gefühle und Alltag, Versagen und Glück. „Unser Blog ist aber mehr als ein Tagebuch. Wir sind vielmehr ein Magazin geworden, das Mutterschaft in den unterschiedlichsten Lebenslagen beleuchtet. Mit Gastbeiträgen unserer LeserInnen oder Experten-Interviews“, erklären die Bloggerinnen. Ihr Konzept geht auf: Über 250 000 Einzelbesucher lesen den Blog im Monat, auf Facebook folgen ihnen 40 000 Fans.

Blogs mit Engagement

Auch Das gewünschteste Wunschkind der Berliner Mütter Danielle Graf und Katja Seide ist kein typischer Elternblog. Die Rechtsökonomin und die Sonderpädagogin möchten mit ihren umfangreichen und fachlich fundierten Artikeln zur kindlichen Entwicklung oder zu Erziehungsfragen all jene informieren, die es ganz genau wissen wollen. „Unsere Texte sind oft sehr lang und komplex, aber das ist genau das, was viele Leser schätzen“, sagen sie. Viele Blogs profi lieren sich mit eigenen Themen, machen auf Missstände aufmerksam oder suchen eine persönlich-gesellschaftliche Ausrichtung. Bloggende wirken aber auch untereinander: Zum Beispiel beim Top-Event Blogfamilia, der größten deutschen Konferenz für Elternblogger. Man vernetzt sich, spricht über Trends und prämiert mit dem „Blogfamilia Award“ Blogs, die mit einem Projekt oder außergewöhnlichem (gesellschaftlichen) Engagement aufgefallen sind.

Werben und glaubwürdig bleiben

Nicht nur Eltern finden solche Blogs attraktiv. Längst haben Pharmafirmen, Spielzeughersteller oder Anbieter von Kleidung und Möbeln sie für Werbe zwecke entdeckt. Je besser die Reputation eines Bloggers, je mehr Follower er hat – je größer also die Reichweite des Blogs ist –, desto eher findet ein dort erwähntes Produkt die Beachtung potenzieller Kunden. „Die Bedeutung von Blogs für die Kaufentscheidungen von Eltern wächst. Da werden Erfahrungsberichte und Kommentare zu beliebten Informationsquellen“, sagt Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln. Zum Teil entsteht so für den Blogger ein lohnendes Geschäftsmodell. Wer sein Angebot professionalisieren und aus der Berufung einen Beruf machen möchte, kann das mit der Finanzierung durch Werbung und Kooperationen schaffen. Auf der anderen Seite gibt es auch reichweitenstarke Blogs ganz ohne oder nur mit reduzierter Produktwerbung und wenigen Kooperationen. Wie der Blog Das gewünschteste Wunschkind. „Wir machen das nur, wenn uns ein Produkt hundertprozentig überzeugt, und kooperieren nur mit ausgewählten Firmen, die für unsere Leser einen Mehrwert haben. Die Kosten des Blogs versuchen wir mit Bannerwerbung zu decken“, erklären die Betreiberinnen. Grundsätzlich gilt eine Kennzeichnungspflicht für Werbung. Die meisten Elternblogger erfüllen diese, indem sie zum Beispiel Werbebeiträge andersfarbig markieren oder mit eindeutigen Symbolen versehen. „Für Verbraucher ist das wichtig. Schließlich geht es um Glaubwürdigkeit und Vertrauen“, sagt E-Commerce-Experte Kai Hudetz.

Lieber rosarot oder ungeschminkt?

Enge Verstrickungen mit Unternehmen finden viele Leser aber mindestens genauso unglaubwürdig wie einen allzu rosarot gezeichneten Familienalltag. So geht es ziemlich pastellig zu in Leonie Lutz’ Lifestyle-Blog MiniMenschlein. Die ehemalige Redakteurin bloggt hauptberuflich, ist passionierte Mutter und toughe Unternehmerin mit einem Händchen für Gestaltung und Fotos. Die Reaktion mancher Leser macht sie nachdenklich: „Sie sind neidisch und äußern das ‚anderweitig‘. Viele verstehen nicht, dass man als Blogger nur einen Ausschnitt aus dem Alltag zeigt. Nicht jeder Tag ist so rosarot wie der Blog.“ Andere Blogger geben sich da lieber wortwörtlich ungeschminkt. So schildern Lisa und Katharina von Stadt-Land-Mama ironisch oder emotional auch Situationen totaler Erschöpfung – inklusive Bebilderung. Manchen ist der Preis fürs intensive und ehrliche Bloggen aber auf Dauer zu hoch. Zum Beispiel Annette Loers. Sie bloggte einige Zeit auf Mutterseelesonnig über ihr Leben als Alleinerziehende. Als die Reichweite des Blogs stieg, bekam sie zunehmend „unschöne Rückmeldungen“. „Zu viele Menschen, die ich überhaupt nicht kenne, wissen zu viel über mein Leben. Deshalb gilt jetzt erst mal: Ich bin raus“, schrieb sie im Frühjahr 2018. Dabei wollte Loers durch ihren werbelosen Blog und gemeinsam mit Gleichgesinnten gesellschaftlich etwas bewegen; etwa mit der Aktion „Muttertag plus“, bei der sie mit anderen Bloggerinnen dem Familienministerium einen Forderungskatalog für mehr Unterstützung im Mütteralltag übergab.
Dass Elternblogger wie sie nicht mehr nur als Hobbyschreiber wahr genommen werden, zeigt ihre wachsende mediale Präsenz. Einige haben darüber hinaus bereits Bücher geschrieben, wie Christine Finke vom Blog Mama arbeitet (Allein, alleiner, alleinerziehend, Bastei Lübbe). Damit sind vor allem gesellschaftlich engagierte Blogger im realen Leben angekommen: als Interessenvertreter, Experten in eigener Sache und Vorbilder mit Identifikationspotenzial.

kizz Webtipp

Hier finden Sie die genannten Blogs:

  • siebenkilopaket.de
  • laecheln-und-winken.com
  • stadtlandmama.de
  • gewuenschtestes-wunschkind.de
  • minimenschlein.de
  • mutterseelesonnig.wordpress.com

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