Einblicke in eine ElterninitiativeEine Leiterin berichtet über Freiräume und Grenzen ihrer Einrichtung

Seit mehr als 50 Jahren gibt es in Deutschland Elterninitiativen und keine gleicht der anderen. So individuell dieses Trägermodell ist, so stark hat es im Laufe der Zeit auch die Frühpädagogik geprägt. Im Detmolder Stadtteil Klüt wurde Mitte der 1990er-Jahre eine „Elternini“ gegründet. Leiterin Katrin Behnke-Meiners beschreibt, wie aus einer losen Idee das Betreuungsangebot für heute 78 Kinder wurde

Einblicke in eine Elterninitiative
© Ann Christian Hollmann

Für junge Familien in Klüt war es während der frühen 90er-Jahre nicht einfach in Sachen Kinderbetreuung. Der Bedarf an Kitas vor der eigenen Haustür war schlicht größer als das Angebot. Eine Lösung musste her, zur Not in Eigenregie. Und so entstand 1994 die „Elterninitiative Klüt e.V.“. Schon zwei Jahre später war die neue Einrichtung dank hohen ehrenamtlichen Einsatzes und breiter Unterstützung vor Ort gebaut und bezugsfertig. Mit einem engagierten Team von pädagogischen Fachkräften begann 1996 der Kita-Alltag. Finanziert wurde das Ganze über das Land Nordrhein-Westfalen, den Landkreis und die Stadt. Vorausgegangen waren intensive Diskussionen. Grundrisse, Ideen und Visionen wurden entworfen, verworfen oder weiterentwickelt, andere Kitas besichtigt und Kita-Fachkataloge gewälzt. Das alles mit dem Ziel, Rahmenbedingungen für optimale Kinderbetreuung zu schaffen.

Im letzten Jahr feierte die Elterninitiative ihr 25-jähriges Jubiläum und ist als engagierter Akteur nicht mehr aus Klüt wegzudenken. Aktuell haben 78 Kinder ihren Platz in der Kita, davon 18 Kinder unter drei Jahren. Sie werden von 20 pädagogischen Fachkräften in vier Gruppen mit erweiterter Altersmischung betreut. In den letzten Jahren waren Vorstand, Verein und Team zunehmend mit finanziellen Erfordernissen, neuer Gesetzgebung, höherem Verwaltungsaufwand und neu zu gestaltenden Bildungsgrundsätzen konfrontiert.

Was sind Elterninitiativen?

Elterninitiativen sind kleine, von Eltern selbst verwaltete Kindertageseinrichtungen mit in der Regel 10 bis 40 Plätzen – in dieser Größenordnung ist die ehrenamtliche Selbstverwaltung von Elterninitiativen gut möglich – in der Rechtsform eines gemeinnützigen eingetragenen Vereins, in dem traditionell die Eltern der betreuten Kinder Mitglieder sind. In den vergangenen Jahren haben sich diese Vereine auch zunehmend für die Mitgliedschaft von Erzieherinnen und Erziehern wie auch externen Fördermitgliedern geöffnet. Der Verein fungiert als Träger der Elterninitiativkindertagesstätte; er wird durch seinen Vorstand juristisch vertreten und von allen Vereinsmitgliedern arbeitsteilig, partizipativ und in der Regel nicht hierarchisch gestaltet und organisiert. Ein synonym verwendeter Begriff ist „Kinderladen“, der entstand, weil die ersten Elterninitiativen, die sich im Zuge der 1968er-Bewegung organisierten, leerstehende Ladenräume mieteten (vgl. u.a. Baader 2008)

Eltern bringen sich freiwillig ein

Als Mitglied im Vorstand können Eltern ihre Kompetenzen einbringen, mitgestalten und mitentscheiden. Sie müssen aber auch bereit sein, sich in hohem Maße ehrenamtlich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Viele Eltern nehmen sich gern die Zeit, in der Kita mitzuwirken, da Mitbestimmung einen hohen Stellenwert für sie hat. So wächst die Identifikation mit der Einrichtung und die Kinder erleben ihre Eltern aktiv im Kita-Umfeld, was ihr Zugehörigkeitsgefühl zusätzlich stärkt.

Freiheit bestimmt den pädagogischen Alltag in der Elternini

Die Fachkräfte in der Kita arbeiten weitgehend selbstbestimmt und mit großem pädagogischem Spielraum. Einen hohen Stellenwert hat für den Vorstand die pädagogische Evaluation: Jährlich kann das Team drei Konzeptionstage einplanen, an denen die Kinder von den Eltern betreut werden. Regelmäßige Konzeptionsarbeit, Inhouse-Fortbildungen und kontinuierliche Supervision (sowohl gruppenintern als auch übergreifend) steigern die Motivation und bringen im Ergebnis hochqualitative pädagogische Arbeit. Über pädagogische Belange ist der Vorstand informiert, wenn auch nicht selbst involviert. Als Arbeitgeber gibt er die Mittel frei, überlässt es aber der Leitung und dem Team, Arbeitsschwerpunkte zu setzen und die dazu passenden Fortbildungsthemen zu bearbeiten. Für die Leitung ist es wichtig, Elternwünsche wahrzunehmen und auf Umsetzbarkeit hin zu prüfen. Die Evaluation findet im Team statt.

Kurze Wege ermöglichen schnelle Entscheidungen

Voraussetzung dafür ist eine enge, offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Leitung. Einmal monatlich nimmt die Leitung an einem Vorstandstreffen teil. In der Kita Klüt haben die sechs Vorstandsmitglieder Aufgabenbereiche wie beispielsweise Finanzen, Instandhaltung, Personalangelegenheiten, Versicherungen, Protokolle und Computer unter sich nach persönlichen Stärken und Interessen aufgeteilt. Das tägliche Bringen und Holen ihrer eigenen Kinder machen den schnellen und effizienten Austausch zwischen der Leitung und den Mitgliedern des Vorstands möglich. Bei der Leitung fließen alle Informationen zusammen, die sie gegenüber Eltern und Team transparent kommuniziert.

Eine Elternini zu leiten, ist eine vielfältige Herausforderung

Meine Aufgabe als Leitung ist es, dem Vorstand anstehende Aufgaben nahezubringen, die ich vorab priorisiere. Werden Väter oder Mütter in den Vorstand gewählt, kennen sie sich erfahrungsgemäß in der Kita-Arbeit noch nicht aus. Dafür bringen sie durch ihre Berufe andere Kompetenzen ein und tragen zur Professionalisierung bei. Aktuell besteht der Vorstand aus einer Finanzbeamtin, einer Lehrerin, einem Informatiker, einer Industriekauffrau, einer Krankenschwester und einem Ausstellungstechniker. Diese Zusammensetzung spiegelt exemplarisch die berufliche Vielfalt der Familien in unserer Einrichtung wider. Von den Vorstandsmitgliedern wird die Offenheit erwartet, sich in Kita-Themen einzuarbeiten und damit auseinanderzusetzen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Vorstandsmitglieder sind bereichernd und manchmal bringt gerade der sachfremde Blick die Diskussionen voran. In Vorstandssitzungen werde ich unmittelbar auf neue Ideen, Impulse und Elternwünsche aufmerksam.

Vorteil einer „Elternini“ ist auch, dass sich individuelle Anliegen der Mitglieder hinsichtlich ihrer Kinder besser berücksichtigen lassen. Die Eltern stehen untereinander in engerem Kontakt und benennen ihre Wünsche klarer. Wichtig ist es, Entwicklungen zu erkennen und Wege der Umsetzung zu finden. Kompromisse sollten so gestaltet sein, dass sich alle darin wiederfinden können. Ebenso wichtig sind guter Informationsfluss und regelmäßige Absprachen in alle Richtungen. Es gibt immer wieder einmal Zeiten, in denen Eltern bei der Ausübung des Ehrenamts an ihre Grenzen stoßen. Gerade während Corona ist es schwierig, beispielsweise Sitzungen in Präsenz abzuhalten. Der Austausch findet dann meist telefonisch oder über Videokonferenzen statt und so schleicht sich bei mir manchmal auch noch Vorstandsarbeit ein. Ich kann sie jedoch gut in den Alltag einbauen, weil ich täglich vor Ort bin. Generell wird die Aufgabenteilung zwischen Leitung und Vorstand offen geklärt.

Problematisch wird es, wenn Wissen verloren geht, weil Eltern aus dem Vorstand ausscheiden – sei es, weil sie den Wohnort wechseln oder weil ihre Kinder in die Schule kommen. Deshalb hat es sich bewährt, dass immer nur höchstens zwei Mitglieder im Vorstand auf einmal wechseln. So sorgt ein Stamm von „alten Hasen“ für Kontinuität, weil er die Hintergründe früherer Entscheidungen noch kennt. Die Eltern im Vorstand sollten gut miteinander auskommen und überprüfen, ob ihre Vorstellungen und Ziele mit der Kita-Konzeption im Einklang stehen. Denn schließlich sollten sie gemeinsam einen „roten Faden“ entwickeln.

Vorstandsmitglieder müssen gegenüber Mitarbeiter*innen und Eltern professionell die Person vom Amt trennen. Wenn etwa Fachkräfte aus organisatorischen Gründen die Gruppe wechseln sollen und das Kind eines Vorstandsmitglieds dadurch seine vertraute Bezugsperson verliert, wird die Zustimmung schon schwieriger. Aber auch unliebsame Beschlüsse sollten möglichst gemeinsam getragen werden.

Eltern zahlen Beiträge und leisten Arbeitsstunden

Für Eltern mit Kind(ern) in der Kita Klüt ist die Mitgliedschaft im Verein obligatorisch. Neben dem Jahresbeitrag von 70 Euro verpflichten sie sich zu 14 Stunden Mitarbeit pro Familie und Kita-Jahr. Dabei geht es primär um Instandsetzungs-, Reinigungs- sowie Garten- und Näharbeiten. Handwerkerkosten, die sich so einsparen lassen, kommen vollständig den Kindern und der Einrichtung zugute. Beliebt sind vor allem die zwei- bis viermal jährlich stattfindenden Gartenaktionen – auch weil sie das Gemeinschaftsgefühl der Eltern stärken. Am Jahresende werden die tatsächlich absolvierten Arbeitsstunden aufgelistet und für jede fehlende Stunde 20 Euro berechnet. Sind die Kinder in die Schule gewechselt, können die Eltern passives Mitglied bleiben und zahlen nur noch einen deutlich niedrigeren Jahresbeitrag. So sind auch mal Anschaffungen außer der Reihe möglich oder die Finanzierung zusätzlicher Personalstunden.

Eltern bestimmen in Fragen der Alltagsgestaltung mit

Eltern, die als Mitglied im Vorstand mitarbeiten, haben starken Einfluss auf die Belange der Kita. Anschaulichstes Beispiel ist das Mittagessen. Eine Diätassistentin bereitet es nach Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) frisch und kindgerecht in der Kita zu. Den Eltern ist das als besonderes Qualitätsmerkmal sehr wichtig und teilweise sogar entscheidendes Kriterium bei Auswahl der Kita. Als die Köchin einmal im Urlaub war und deshalb ein Catering-Anbieter einsprang, schmeckte das Essen vielen Kindern nicht und Speisen mussten sogar weggeworfen werden. Lösung für dieses Problem war ein gemeinsam erarbeitetes Konzept, mit dem die Kita durch planmäßiges Vorkochen in Elternarbeitsstunden ohne Catering auskommt. Seither gehen die Kinder in Urlaubszeiten der Köchin nicht mehr hungrig nach Hause. So etwas funktioniert allerdings nur, wenn auch diejenigen Eltern Einsatz zeigen, die nicht im Vorstand sind. Zum Glück sind viele dazu bereit und helfen so, die Rahmenbedingungen zugunsten der Kinder weiter zu optimieren. Dadurch wird die Kita zum Wohlfühlort, in dem sie willkommen und bestens aufgehoben sind, und die Eltern können Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen.

So sehen Vorstandsmitglieder ihre Arbeit

Christian Wendtland, Vorstandsvorsitzender der Kita Klüt, sagt: „Ich möchte ein Ohr daran haben, wo meine Kinder sich aufhalten, und da mitgestalten können. Über den eigenen Tellerrand schauen und was dazu tun, dass nicht jeder seinen eigenen Weg geht, sondern dass wir gemeinsam für die Kinder vorankommen. In unserem Vorstand läuft es rund, es macht Spaß, im Team zusammen etwas zu bewegen. Aus der fachlichen Perspektive sind wir Laien, es braucht den Input der Leitung.“

Und Tetje Wartig, ehemaliges Vorstandsmitglied, ist von der Rolle der Eltern überzeugt: „Ich weiß nur aus Erzählungen, wie andere Kitas sind. Ich fand es toll, immer auf dem neuesten Stand zu sein und viel Gutes für unsere Kids erreichen und umsetzen zu können. Fünf Jahre Vorstandsarbeit haben bei mir persönlich zu deutlich mehr Verständnis für die Prozesse in der Kita geführt. Die Arbeit einer Elterninitiative sehe ich viel näher am Kind, da die Eltern sie aktiv mitgestalten. Nicht zuletzt der bessere Betreuungsschlüssel im Vergleich zu kommunalen Einrichtungen ist dafür ein deutlicher Beleg. Doch letztlich steht und fällt alles mit der Frage, ob Eltern bereit sind, sich zu engagieren.“

Vorstandsarbeit in der Elterninitiative lässt sich nur schwer auf einen kurzen Nenner bringen. Doch der Begriff „Mitmachen“ trifft es gut. Die Arbeitsbereiche des Vorstandsteams sind komplex und weit gefächert. Es sind Tätigkeiten, wie sie aus der Vereinsarbeit bekannt sind: Satzung sichern, Mitglieder betreuen und versammeln, Kassen abrechnen und Kassenberichte erstellen, Schriftwechsel mit Notaren und in sonstigen Vereinsangelegenheiten führen oder auch Lebensmittelkäufe. Aber eine Elterninitiative hat noch ein weiteres charakteristisches Merkmal: Als Organisation, die mit einem kleinen mittelständischen Unternehmen vergleichbar ist, wird sie ehrenamtlich geführt. Der Vorstand kümmert sich um die Bereiche Finanzen, Personal, Verwaltung, Gebäude und Infrastruktur. Ausgaben werden geplant, kontrolliert und verbucht, Budgets erstellt und verwaltet. Ebenso müssen von ihm Bilanzen erstellt, Gehälter überwiesen, Steuern und Sozialabgaben abgeführt, Betriebskonten verwaltet und Verwendungsnachweise ausgestellt werden. Sämtliche Personal- und Verwaltungsaufgaben muss er koordinieren, selbst erledigen oder delegieren. Nicht zu vergessen sind Wartung und Instandhaltung des Gebäudes und Außengeländes. Meist wird dafür aber von Eltern gesorgt.

Ohne die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Leitung ist es kaum zu schaffen, den umfassenden ehrenamtlichen Vorstandsaufgaben gerecht zu werden. Da sie neben Beruf und Familie zu bewältigen sind, funktioniert es nur, wenn alle mitmachen. Die Bereitschaft, Aufgaben auch mal zu delegieren, ist deshalb sehr wichtig. In unserer Einrichtung werden wir von einer 450-Euro-Bürokraft unterstützt. Sie kümmert sich schwerpunktmäßig um die Mitgliederbetreuung. Ansonsten sind anfallende Aufgaben so aufgeteilt, dass sich jedes Vorstandsmitglied seinen Stärken entsprechend einbringen kann.

Lebendigkeit macht Elterninis attraktiv

In der Elternini habe ich als Leitung einen großen Gestaltungsspielraum erfahren, der aber auch mit Leben gefüllt werden muss. Daran wirken alle mit: Team, Eltern und Vorstand. Hilfreiche Tools, um alle Beteiligten ins Boot zu holen, sind kreatives Führen, Improvisation, lösungsorientiertes, manchmal auch unkonventionelles Vorgehen sowie hohe Flexibilität. Die Eltern kann ich nicht losgelöst von ihren Kindern betrachten. Wir leben eine Erziehungspartnerschaft, die das Kind an die erste Stelle setzt. Eltern sollen sich genauso wohlfühlen im Miteinander wie ihre Kinder. Für die Fachkräfte ist das Ausbalancieren von Nähe und Distanz immer wieder eine Herausforderung. Vielfalt wird akzeptiert und respektiert und bildet die Arbeitsgrundlage. Diese Lebendigkeit macht die Arbeit in der Elterninitiative attraktiv.

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