Sankt MartinGeheime Gedanken einer Kitaleitung

Geheime Gedanken einer Kita-Leitung: Die Zaubertür
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Wir sind im Bastelfieber, denn im November ist Sankt Martin. Kurz nach den Sommerferien zerren wir unseren Sammelordner aus dem Regal: Welche Laternen basteln wir denn dieses Jahr mit den Kindern? Wollen wir vielleicht mal wieder die Eltern dazu einladen? Entscheiden wir uns für den batteriebetriebenen Laternenstab mit LED-Licht oder wagen wir es mit traditionellen Kerzen – auch auf die Gefahr hin, dass manche Laterne den Abend nicht überleben wird? Welche Lieder üben wir ein? Wer kümmert sich um die Blaskapelle? Wer kontaktiert Polizei und Feuerwehr? Welcher Termin passt am besten?
Alles muss gut organisiert sein und man möchte ja auch den Wunschtermin bekommen … Um den 11. November herum wird es bei uns im Viertel eng: Jede Krabelgruppe, Kita und Grundschule feiert ihr eigenes Martinsfest. Und da sich der Gemeindepolizist nun mal nicht vervielfältigen kann, wird jeder Institution ein anderer Termin zugeteilt. In den Wochen vor St. Martin üben wir mit den Kindern die Lieder für den Umzug. Wir erzählen die Geschichte des Heiligen und proben „unfallfreies“ Laterne- Tragen mit brennenden Teelichtern. Wie jedes Jahr fiebern die Kinder dem großen Tag ungeduldig entgegen. Im Dunkeln mit selbst gebastelten Laternen singend durch die Straßen zu ziehen, ist echt ein Abenteuer!
Letztens saßen wir im Stuhlkreis, sprachen über den heiligen Martin und verteilten die Rollen für unser kleines Theaterstück. Zum Lied „Ein armer Mann, ein armer Mann“ sollten die Kinder nach dem Umzug die Bettlergeschichte nachspielen. Da stand Daniel entrüstet auf und baute sich vor Marcel auf, der den Martin spielen durfte, und erklärte: „Die St. Martins sehen ganz anders aus!“ Meine Kollegin versuchte zu korrigieren: „DER St. Martin sieht anders aus.“ Daniel ließ sich nicht beirren: „Die St. Martins verwandeln sich und sie haben so rote Umhänge, die glänzen … Außerdem haben die St. Martins Pferde und die verwandeln sich auch. Das sind Transformer.“ Wir waren sprachlos und wussten nicht, was Daniel meinte. Vielleicht, so dachte ich, hatte er einen Action-Film gesehen, „Der Sankt-Martinator“ oder so etwas. Doch je länger wir mit ihm zu klären versuchten, warum er protestierte, desto weniger war er mit Marcel als St. Martin einverstanden: Alle St. Martins seien Erwachsene, keine Kinder! Und außerdem hätten die meisten St. Martins ein goldenes Schwert und einen Helm aus Eisen. Wir ließen das an diesem Tag so stehen und beendeten den Stuhlkreis.
Unser Martinsfest kam und wir hatten es dieses Jahr wieder geschafft, einen „echten“ St. Martin zu engagieren: Die Mutter eines ehemaligen Kindes hatte sich bereit erklärt, mit ihrem Pony vor dem Zug her zu reiten. Die Blaskapelle spielte und wir versuchten, die Kinder zum Singen zu animieren. Aber wie immer brachten sie vor Ehrfurcht keinen Ton über die Lippen. Die Kolleginnen und Eltern dagegen sangen aus vollem Halse gegen die Blaskapelle an. An der Kita angekommen wurden die Feuerwehrmänner bestaunt, die das Feuer bewachten. Nach dem kurzen Weg hatten alle – wie jedes Jahr – ungeheuren Durst. Wir kamen mit dem Ausschank von Kakao und Glühwein gar nicht nach. Zum Schluss führten wir noch unser St. Martins- Stück auf. Mangels singender Kinder stimmten meine Kolleginnen „Ein armer Mann, ein armer Mann“ an, dann war’s geschafft. Müde, aber zufrieden gingen wir nach Hause.
Am nächsten Morgen wurde Daniel von seinem Vater gebracht. „Na, Daniel, hat dir Sankt Martin gefallen?“, fragte ich. Er musste nicht lange überlegen: „Die St. Martins waren dieses Jahr voll doof. Die hatten noch nicht mal ein richtiges Pferd und außerdem haben die sich in eine Frau verwandelt … die hatte nicht mal ein Schwert. Und das Pferd war mini!“ In diesem Moment wurde mir alles klar: Daniel hat zwei Geschwister: eine große Schwester in der Schule und einen kleinen Bruder in der Krippe. Also hatte er dreimal den St. Martin gesehen, aber jedes Mal einen anderen. Klar, dass man sich da so seine Gedanken macht, oder?

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