ZeitgeschichteSperrige Persönlichkeit

In der Aktentasche des bei einem Flugzeugabsturz 1961 nahe der sambischen Stadt Ndola ums Leben gekommenen Dag Hammarskjöld fand man das Neue Testament und die Psalmen. Zu seinem Nachlass gehörten auch Tagebuchnotizen, die den aus einem schwedischen Adelsgeschlecht stammenden Karrierebeamten und Diplomaten als religiös-spirituellen Sucher zeigten, was verbreitet Überraschung auslöste und für manche Irritation sorgte. Inzwischen ist diese eindrucksvolle Gestalt jedenfalls im deutschsprachigen Raum praktisch in Vergessenheit geraten. Es ist deshalb verdienstvoll, dass sein Leben und Werk durch die jetzt erschienene Neuauflage des Buchs von Hermann J. Benning wieder in Erinnerung gerufen werden.

Es informiert zunächst über Herkunft und Lebensstationen des späteren UN-Generalsekretärs und zeichnet knapp die wichtigsten Konflikte und Krisen nach, in denen er sich während seiner Amtszeit an der Spitze der 1945 gegründeten Vereinten Nationen zu bewähren hatte. Manche Ausführungen wirken dabei etwas handgestrickt; insgesamt liefert der Autor aber einen soliden Überblick. Ansprechend ist vor allem der zweite Teil des Bandes, der sich dem im schwedischen Original „Vägmarken“ betitelten, postum veröffentlichten Tagebuch widmet. Durch viele zitierte Textstücke entsteht ein guter Eindruck von den eigenwilligen Denkwegen Hammarskjölds, die immer wieder vor allem auf die „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen und auf Meister Eckhart Bezug nehmen. Benning kommt zu dem Schluss, die Selbsterkenntnisse Hammarskjölds hätten diesen nicht zuletzt dazu geführt, seine ganz persönliche Berufung zu erkennen und zu festigen: „Diese bestand für ihn in der Bereitschaft zum Dienen und in der Übernahme von Verantwortung für andere – als Mensch und Politiker.“

Ein internationaler Spitzenpolitiker als geistlicher Mensch: Diese Kombination dürfte gerade im heutigen Betrieb von Politik und Diplomatie und in der hektischen Medienwelt der Gegenwart eher selten anzutreffen sein. Auch deshalb wirkt die Persönlichkeit von Dag Hammarskjöld inzwischen ziemlich erratisch und schwer zugänglich. Vielleicht macht genau diese Sperrigkeit sie für manchen Zeitgenossen wieder interessant, nicht nur für Politiker. Ulrich Ruh

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Hermann J. Benning

Dag HammarskjöldLeben - Profil - Bedeutung

Verlag Neue Stadt, München 2021. 173 S. 20,00 € (D)

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