Musik im Spannungsfeld von Qualität und VerkündigungVom Kirchenkonzert zur Konzertkirche?

Konzerte bereichern das kirchliche Leben und die kulturelle Landschaft. Gelegentlich kommt es jedoch zum Streit darüber, was erklingen darf und was nicht. Zugleich werden die verkündigenden Chancen der Musik neu entdeckt, etwa bei Konzerten mit geistlicher Moderation.

Eigentlich sei dieses Konzert mit Marien-Kompositionen sowie einer Uraufführung doch ein Gottesdienst gewesen, meinte der Oboist nach dem Schlussbeifall in der mit einem Marienleben ausgemalten spätbarocken Dorfkirche. Und einen größeren Applaus kann es für ein Kirchenkonzert wohl nicht geben als das Prädikat „Gottesdienst“ von einem musikalisch wie religiös sensiblen Musiker. Er war zu einer „Mugge“ (Musikalisches Gelegenheitsgeschäft) gekommen, wie man im Musiker-Jargon sagt, und hat offenbar mehr mitgenommen als nur sein Honorar.

Was zu solchen Gelingen beiträgt, ist nicht einfach zu benennen, denn die Qualität von Kirchenkonzerten kennt viele Namen. Am Wichtigsten scheint das Zusammenspiel von Raum und Werk sowie von Interpreten und Hörern. Einfach „machen“ lässt sich das nicht. Aber einige Hindernisse können ausgeräumt werden, um dem Geist eine Chance zu geben bei der Aufführung geistlicher Musik.

Eine Bestandsaufnahme dessen, was in Kirchenkonzerten zur Aufführung kommt, dürfte heutzutage recht bunt und auch ein wenig dissonant ausfallen. Neben dem klassischen geistlichen Repertoire von der Gregorianik bis zur Gegenwart ist auch Einiges aus dem „weltlichen“ Spektrum zu nennen: von Kammermusik über „freie“, also nicht auf Kirchenlieder bezogene Orgelwerke bis zur großbesetzten Sinfonik, außerdem die Bereiche Gospel und Pop, seltener Jazz, was man bedauern mag. Meditatives für Panflöte und Orgel steht neben Ostkirchlichem aus den Kehlen der miteinander konkurrierenden und möglichst originalen Don- oder Wolgakosaken, die von Agenturen professionell gemanagt werden. Und nicht zuletzt tragen örtliche Gruppen wie etwa ein Blasorchester oder der in der Pfarrgemeinde beheimatete Flötenkreis das Ihrige bei.

Was aber kann und soll erklingen? Das ist eine ebenso wichtige wie umstrittene Frage. Es gibt hier den Irrweg der Beliebigkeit und den der Beckmesserei. Beliebigkeit begegnet überall dort, wo die Entwicklung bereits aus dem Ruder gelaufen ist. Auf einem Handzettel wird zum Kirchenkonzert „Harmonica Classics“ eingeladen, wobei auf das Sanctus der Deutschen Messe von Franz Schubert gleich das »Intermezzo Sinfonico« aus der Oper »Cavalleria Rusticana« folgt. Bei manchem Chorabend, in der Kirche wohlgemerkt, entpuppen sich die „Russisch-orthodoxen Gesänge“, mit denen die Zustimmung des Kirchenrektors erreicht wurde, dann als bulgarische Volkslieder. Nichts gegen all die genannte Musik, aber warum ausgerechnet in der Kirche? Diese Frage stellt sich auch bei pseudo-innovativen Orgelkonzerten mit Strauß-Walzern und „Azzurro“ – oder anderen Schlager-Einlagen – Sekt auf der Empore manchmal im Eintrittspreis inbegriffen.

Letztlich ist die musikalische Qualität ebenso wichtig wie die Eignung für die Kirche. Doch auch eine Ansammlung geistlicher Stücke ohne innere Dramaturgie bleibt künstlerisch unbefriedigend. In der Praxis ist entscheidend, dass überhaupt eine konstruktive Atmosphäre der Planung zustande kommt. Dazu gehört, dass die kirchlich Verantwortlichen rechtzeitig über die Programmplanungen informiert werden und dass der Kirchenrektor, in der Regel also der Pfarrer, das Gespräch mit seinem Kirchenmusiker über die oft zahlreich eingehenden Anfragen sucht.

Mancherorts jedoch sind Qualitätsstandards leider überhaupt nicht mehr durchsetzbar, weil die Entscheidungsfindung sich allein an pragmatischen Aspekten orientiert und der Gedanke, dass Kirchenmusik etwas mit Theologie zu tun haben könnte, gar nicht mehr in den Blick kommt. Wie es unter dieser Prämisse um die liturgische Ästhetik bestellt ist, wäre ein anderes Kapitel.

Konzertante Heimat für nicht mehr liturgiefähige Werke?

Nicht wenige Werke des konzertanten Repertoires stammen eigentlich aus der Liturgie. Im Konzert haben sie „Exil“ (Peter Paul Kaspar) gefunden. Doch muss gefragt werden, ob in den letzten Jahrzehnten manchmal die Möglichkeit der Integration großer musikalischer Werke in die Liturgie allzu schnell verneint wurde. Johann Sebastian Bachs Passionen sind ein berühmtes Beispiel hierfür, doch bereits deren erste Aufführung im Leipziger Vespergottesdienst des Karfreitags glich wohl mehr einem geistlichen Konzert mit liturgischen Elementen wie Gemeindelieder und Predigt.

Auch heute gibt es Versuche, etwa Bachs Johannespassion durch einen geistlichen Impuls zwischen den beiden Teilen, der somit die Stelle der damaligen Predigt einnimmt, dem Gottesdienst wieder stärker anzunähern. Es könnte sogar gefragt werden, ob sich das damals durch Thomasschüler besorgte Austragen von Programmheften gegen Entgelt oder Spende in die Sammelbüchse wirklich so sehr vom heute üblichen Eintrittsgeld unterscheidet. In dieser umstrittenen Frage des Eintrittsgeldes sollte man möglichst oft auf Freiwilligkeit setzen und zugleich den Hörern den nicht kommerziellen Charakter kirchlicher Konzerte vermitteln.

Konflikte im Zusammenhang kirchlicher Konzerte sind keineswegs neu. So befürchtete Ludwig van Beethoven den Einspruch der Zensur gegen die konzertante Aufführung von Teilen seiner „Missa solemnis“, weshalb er diese Sätze vorsichtshalber als „Hymnen“ deklarierte, um die liturgische Herkunft der Worte zu verschleiern. Gravierende Probleme gab es auch mit dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms, das heute unbestritten zum Grundrepertoire konzertanter geistlicher Musik zählt. Anlässlich einer der ersten Aufführungen im Bremer Dom am Karfreitag 1868 kam es zu einem Streit über die mangelnde Präsenz Christi im Wortlaut der durchweg biblischen, aber vorwiegend alttestamentlichen Texte, die der Komponist selber ausgewählt hat.

Brahms bekannte sich in einem berühmten Brief an den Dirigenten Carl Martin Reinthaler dazu, dass er Worte der Heiligen Schrift wie Johannes 3 „Also hat Gott die Welt geliebt …“ mit Wissen und Willen entbehrte. Gelöst wurde der Disput durch den Einschub der Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet“ aus Händels „Messias“, dem Oratorium aller Oratorien. Dessen Librettist Charles Jennens bezeichnet dieses Werk im Übrigen als „great musical entertainment“, was die Frage aufwirft, ob es in der Kirche geistliche Musik zur Unterhaltung geben soll. Wenn sie von der Qualität des „Messias“ ist, mag man dies wohl bejahen.

Zu den ursprünglich liturgischen, heute jedoch in aller Regel konzertant erklingenden Werken zählt Claudio Monteverdis „Marienvesper“ (1610), die dieses Jahr ihr 400-jähriges Jubiläum feiert und deshalb häufig zur Aufführung kommt. Länge und innere Stringenz des Werkes lassen zusätzliche Wortbeiträge kaum ratsam erscheinen. Der Aspekt der Vermittlung ist aber nicht weniger wichtig: ein informativer theologisch-musikalischer Programmhefttext oder eine Vortrags-Einführung bieten sich an. Hier ist Interdisziplinarität wirklich gefragt, weil sowohl Musik als auch Marienfrömmigkeit zur Sprache kommen müssen.

Wer diese katholische Komposition einmal in einer protestantischen Kantorei mitgesungen hat, der weiß, wie wichtig solche Vermittlung auch für die Ausführenden ist. Zudem ist die liturgie- und musikgeschichtlich heikle Frage zu klären, ob und in welcher Form die gregorianischen Teile der Vesper (Antiphonen vor allem) erklingen sollen oder nicht. Hier zeigt sich, dass die viel beschworene „historisch informierte“ Aufführungspraxis bei geistlichen Werken oftmals durch eine theologisch informierte zu erweitern ist.

Umnutzung des Kirchenraumes als Konzertkirche

Die neue Beheimatung ursprünglich gottesdienstlicher Werke im (Kirchen-)Konzert hat inzwischen ein Pendant in der Umwidmung von Kirchenräumen zu Konzertsälen. Vor allem im protestantischen Bereich ist das Wort „Konzertkirche“ geläufig, das meistens eine noch liturgisch genutzte Kirche mit konzertantem Schwerpunkt meint. Als „reine“ Konzertkirche in nicht mehr kirchlicher Trägerschaft fungiert seit Juli 2001 die Marienkirche Neubrandenburg, eine Hallenkirche aus dem späten 13. Jahrhundert. In Hamburg-Altona wurde die Kirche St. Johannis zur „Kultur-Kirche“ in einem „spannungsreichen und produktiven“ (Homepage) Miteinander von Kirchengemeinde und neuer Nutzung, bei der Tanzveranstaltungen und Betriebsfeste ebenso möglich sind wie Modenschauen und Popkonzerte.

Vielleicht wird man erst nach langem Experimentieren sagen können, was aus einer Kirche wird, wenn sie als „Event-Location“ für Veranstaltungen aller Art vermarktet wird. Möglicherweise wird hier das Konzertleben zur „Erbin des Ritus“, um ein Wort des Philosophen Hans Blumenberg aus seiner Deutung der Bachschen Matthäuspassion aufzugreifen, was sicher nicht die schlechteste Umnutzung darstellt. Weit besser und zukunftsweisender ist freilich die Balance und gegenseitige Befruchtung von Gottesdienst und Konzerten in ein und demselben Raum.

Im Hintergrund aller Einzelfragen steht die nach dem grundsätzlichen Verständnis des Kirchenraums, wobei ein ökumenischer Dissens nicht zu übersehen ist. Während aus katholischer Sicht die Heiligkeit des Raumes – mit Altar und Tabernakel – von bleibender Bedeutung ist und deshalb bei jeder Nutzung, also auch bei Kirchenkonzerten, zu bedenken ist, dominiert im Protestantismus eher das Verständnis des Kirchenraumes als „Mehrzweckraum“. Alternative Nutzungen scheinen dann immer noch besser und finanziell zumindest ein wenig einträglicher als die werktags „tote“, das heißt vielerorts verschlossene Kirche.

Hier ist in beiden Konfessionen die Kunst der Abwägung gefragt. Katholischerseits sollte der Grundsatz gelten, den die deutschen Bischöfe in der lesenswerten Arbeitshilfe „Musik im Kirchenraum außerhalb der Liturgie“ (2005) formuliert haben: „So wenig Kirchenräume rein abstrakte Kultorte ohne jeden Weltbezug sind, ebenso wenig sind sie funktionale Mehrzweckhallen.“

Was aber heißt das konkret, wenn ein Ensemble oder eine Konzertagentur ein Konzert im Kirchenraum geben wollen? Zunächst ist abzuwägen, wie das Konzertprogramm mit dem Raum als „Haus Gottes und der Menschen“ zusammenpasst. Auch stellen sich viele praktische Einzelfragen: Wie viele Konzerte sind in einem bestimmten Zeitraum sinnvoll? Zielt die Anfrage auf rein kommerzielle Interessen ab? Und welche musikalische Qualität ist zu erwarten?

Besonders schwierig sind Diskussionen über die religiöse Dimension von Musikwerken. Was entgegnet der Pfarrer, wenn der Dirigent der Blasmusik seine Bearbeitung des „Priestermarsches“ aus Mozarts „Zauberflöte“ für den Inbegriff geistlicher Musik hält? Eine Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz hat vor einigen Jahren auf das Zusammenspiel von Rezeption, Intention, Qualität und Kontext hingewiesen: Worauf es ankommt, ist die „geistlich anregende Wirkung beim Hörer (Rezeptionskriterium), die Integrität der inneren ‚Idee‘ der kompositorischen Schöpfung (Intentionskriterium), hohe musikalisch-inspiratorische Dichte (Qualitätskriterium) und Hörassoziationen, die dem Kirchenraum angemessen sind (Kontextkriterium)“.

Orgelkonzerte für Kenner und Liebhaber

Orgelkonzerte sind eine besonders häufige Form des Kirchenkonzertes. Allerdings ist in den letzten Jahren vielerorts ein Rückgang der Besucherzahlen festzustellen. Bisweilen springt auch deshalb der Funke nicht über, weil der Organist in der Regel „aus dem Off“ spielt. Eingeübte Konzert-Rituale vom Applaus beim Auftritt bis zur Zugabe funktionieren deshalb kaum oder lösen gar Unsicherheit aus. Doch auch die Programme sind manchmal eher gedankenlos unter der Hinsicht „Was habe ich gerade drauf?“ zusammengestellt. Der ergänzende Blick auf die Frage „Was ist gerade im Kirchenjahr dran?“ und „Was passt besonders gut zu dieser Orgel?“ könnte weiterhelfen.

Bewährt hat sich eine Begrüßung und kurze Einstimmung in die Werke des Konzerts. In östlichen Ländern ist dies in der Regel sogar ein musikwissenschaftlicher Kurzvortrag. In der Regel hat jeder Konzertbesucher ein gedrucktes Programm in der Hand, das aber bisweilen mehr Fragen aufwirft als es Antworten gibt. Was ist eine »Chaconne« und was bedeutet »Voluntary«? Warum heißt ein Werk „Litanies“ (Litanei) und ein anderes „Sortie“ (Auszug)?

Besonders schwierig wird es bei den Titeln und den Texten, die Olivier Messiaen seinen Werken beifügt: auch Geübtere könnten Schwierigkeiten haben, die Bibelstelle zu den „Augen in den Rädern“ zu identifizieren. Und welche Theologie steckt hinter der Vorstellung einer „Erscheinung der ewigen Kirche“ in Orgelklängen? Wenn der Organist am Himmelfahrtstag über „Coelos ascendit hodie“ improvisiert, steht der Wortlaut des Hymnus immerhin im Gesangbuch, das vielleicht in den Bänken direkt vor den Zuhörern liegt. Aber wer sagt ihnen das?

Noch hintergründiger wird es bei Choral-Zitaten, seien sie aus der Gregorianik aus Kirchenliedern. Manche von ihnen mögen den »Kennern« vorbehalten sein und die »Liebhaber« nichts angehen, um Bachs Unterscheidung hier anzuführen. Zur »Fuga sopra Magnificat« von Bach oder Josef Gabriel Rheinbergers vierter Orgelsonate gehört die ästhetische Erfahrung, dass hier nicht eine schöne Melodie, sondern der Psalmton zum Magnificat (Tonus peregrinus) das Hauptthema ist. Viele Worte sind nicht nötig, das einfache Vorsingen etwa bei der Begrüßung öffnet Ohren und Verstand, vielleicht sogar das Herz.

Besonders wichtig ist die Vermittlung bei Werken mit einem klaren inhaltlichen Programm, das man nur hört, wenn man es weiß. So stellt der Kölner Domorganist Winfried Bönig im Blick auf Orgelkonzerte fest: „Wer die fast halbstündige Sonate über den 94. Psalm von Julius Reubke ohne jeden Text und ohne jede weitere Hörhilfe auf das Programm setzt (was nachweislich vorkommt), muss sich nicht über schwindendes Interesse beim Publikum wundern.“ Und bei Reubke, einem der Schüler von Franz Liszt, könnte die Vermittlung gleich noch den nächsten Schritt wagen und die Frage mitbedenken: Was meint denn die vom Komponisten in Klänge gefasste »Rache« in diesem Psalm?

Von Konzerten mit Moderation sind solche zu unterscheiden, die von vornherein als Konzert mit größerem Textanteil konzipiert wurden. Hier eröffnen sich große Chancen der Verkündigung und Vermittlung, wobei die Möglichkeiten fast unbegrenzt scheinen. Schließlich gibt es kein biblisches, kirchliches oder spirituelles Thema, das nicht vertont worden ist: beginnend mit den Psalmen als komponierten Gebeten, über die Heilgeschichte im Rhythmus des Kirchenjahres, die Personen der Bibel in oratorischen Werken und endend bei den vom letzten Buch des Neuen Testaments inspirierten musikalisch-apokalyptischen Weltuntergängen.

Thematische Konzerte brauchen einen gewissen Vorlauf, weil das Thema sich herauskristallisieren muss. Wenn ein Grundstock steht, lässt er sich leicht im Blick auf die Besetzung und noch fehlende thematische Aspekte ergänzen. Auch deshalb sollten die Themen nicht zu eng gefasst werden. Wenn sie eine gewisse Polarität in sich bergen wie etwa „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt“ (Psalm 30), ist das meist von Vorteil, denn hier können viele Aspekte zur Geltung kommen: Passion und Stabat Mater (Musik der Klage), Lobpsalm; Himmelsmusik des Sanctus und Tanz-Toccata.

Konzeption eines thematischen Konzertes

Nicht alles, was erklingt, muss sich streng in ein Konzept fügen. Wichtiger ist ein roter thematischer Faden. Abzuwägen ist immer auch die Balance von alt und neu, von Komposition und Improvisation. Auch Experimente mit „Unerhörtem“ sollten gewagt werden, damit Konzerte nicht im Vertrauten stecken bleiben. Oftmals kann die Liturgie inspirierend wirken, und zwar für Werkauswahl, Aufbau und Gestus. Eine am Rhythmus des Kirchenjahres sich orientierende Auswahl von Stücken kann kaum gänzlich misslingen, und ein Aufbau etwa in Anlehnung an eine Vesper einschließlich biblischer oder literarischer Lesung führt zu innerer Stringenz. Schließlich macht es einen großen Unterschied, ob ein Ensemble jeden Ton von einem Podium aus spielt oder ob es etwa einen Einzug oder Auszug des Chores mit geeignetem Gesang gibt.

Die Wortteile eines Kirchenkonzerts bewegen sich meist auf zwei Ebenen: zum einen die eigentliche Moderation, mit der man Werke sowohl an- als auch abmoderieren kann, und
zum anderen Zitate, Zeugnisse, bisweilen auch einfach die Übersetzung des gesungenen oder gespielten Textes. Eine geistliche Moderation sollte sich von einem Vortrag ebenso unterscheiden wie von einer Schulstunde. Zu vermeiden sind theoretische Diskussion oder musikanalytische Einlassungen, aber auch ein allzu plaudernder Gestus. Die Beiträge sollten vielmehr pointiert und zeugnishaft sein, gerne auch regional akzentuiert etwa im Blick auf die künstlerisch-bildhafte Ausstattung der Kirche, und durchaus persönlich.

Etliche Werke rufen geradezu nach einer Ergänzung im Wort, weil sie von Anfang so konzipiert wurden. Man denke nur an Joseph Haydns „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“, die bei der Uraufführung 1785 im spanischen Cádiz von Bibel- und Predigtworten begleitet waren. Für heutige Konzerte gibt es zu den Sieben Worten und speziell zu Haydns Musik etliche geeignete Betrachtungen etwa von Karl Rahner, Walter Jens, Peter Härtling, Odilo Lechner, Raimon Panikkar, Luise Rinser und José Saramago. Was davon vor welcher Hörerschaft bei einem Passionskonzert geeignet ist, bedarf einer sensiblen Abwägung. Auch ist zumindest eine Verständigungsprobe für Rezitation und Musik, vor allem im Blick auf die Übergänge, unabdingbar.

Welche Chancen der Verkündigung eröffnen sich im Kirchenkonzert? Zunächst ist die klingende Bibelauslegung zu nennen, deren umfassende wissenschaftliche Darstellung etwa analog zur „Poetischen Dogmatik“ in acht Bänden von Alex Stock immer noch aussteht. Hinzu kommt Musik, die ohne erklingende Worte auskommt, aber etwa im Titel oder Beischriften auf geistliche Themen verweist, was der französische Komponist und Organist Olivier Messiaen am intensivsten praktiziert hat, vor allem auch im Konzertsaal. Drittens kann Musik kraft ihrer Schönheit und Stimmigkeit verkünden. Dies zu beweisen wird für immer unmöglich bleiben. Es nur zu beteuern, wäre aber wiederum zu wenig. Kirchenkonzerte sind im besten Fall ein musikalisch-geistliches Geschehen des Bezeugens, ein Spiel zwischen Komponist, Interpreten, Werk und Hörern, das „nach oben“ offen ist für Erfahrungen von Transzendenz.

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