Ein Forschungsprojekt zur „Römischen Inquisition und Indexkongregation in der Neuzeit“Autoren – Zensoren – Inquisitoren

Mehrere Jahrhunderte lang versuchte die römische Kurie den katholischen Glauben auch durch Bücherverbote und Zensurmaßnahmen zu schützen. In den Archiven der Indexkongregation und der Inquisition, die seit 1998 der Forschung zugänglich sind, lagert dazu eine Fülle von höchst aufschlussreichem Material. Es soll jetzt durch ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt erschlossen werden.

Das Christentum ist eine Buchreligion – und doch oder vielleicht gerade deshalb verbrennt es Bücher: Die Heilige Schrift in ihren hebräischen und griechischen Originalausgaben und ihren vulgärsprachlichen Übersetzungen genauso wie medizinische, juristische, naturwissenschaftliche, belletristische, klassische, theologische und philosophische Literatur – alle werden von einem versengenden Bannstrahl getroffen. Das Medium Buch ist so gefährlich, dass der brennende Scheiterhaufen die einzig adäquate Reaktion der kirchlichen Autorität zu sein scheint. Die Instanz, die hier sogar über das Buch der Bücher, die Heilige Schrift, und ganze Bibliotheken richtet und damit Wissenskultur insgesamt kontrollieren will, ist die römische Kirche, repräsentiert durch die Apostelfürsten Petrus und Paulus. Mit der „Hl. Römischen und Universalen Inquisition“ und der „Indexkongregation“ hat sie sich im 16. Jahrhundert mächtige Institutionen der Wissenssteuerung und Medienpolitik geschaffen. In ihnen wurde nach geordnetem Verfahren und von zumindest vermeintlichen Experten der einzigartige Versuch unternommen, mit dem Mittel der Zensur eine Totalkontrolle über den Buchmarkt und die von ihm repräsentierte und transportierte Gesamtheit neuzeitlicher Wissenskultur auszuüben. Eine solche „Superkompetenz“ einer religiösen Elite auf allen Wissensgebieten will gerechtfertigt sein. Daher steht hinter den Institutionen der römischen Zensur – so der eigene Anspruch – kein geringerer als der Heilige Geist, die absolut entzeitlicht gedachte göttliche Wahrheit und ihr Niederschlag im Glaubensschatz der römisch-katholischen Kirche. Index und Inquisition als Organe der römischen Kurie handeln natürlich im Namen und Auftrag des Papstes und damit in der Autorität der Apostelfürsten. Freilich reflektieren deren Herzen lediglich den Strahl der ewigen Wahrheit, bringen ihn zum Zünden und verzehren so die gedruckten falschen Wahrheiten.

Seit 1998 sind die Archive der Forschung zugänglich

Zwar ist das Phänomen der Zensur so alt wie die Schrift selbst, die Erfindung des Buchdrucks jedoch und zumal sein gezielter medienpolitischer Einsatz in der Reformation verlieh dem Thema der Kontrolle des Buchmarktes eine ganz neue Dimension. Gutenbergs Erfindung ermöglichte die rasche Verschriftlichung aller Arten von Wissen und machte dieses zugleich beinahe unbegrenzt kommunikabel. Man brauchte nicht mehr Jahre, um im Skriptorium eines Klosters auch nur eine einzige Kopie eines Werkes herzustellen. Ideen und Gedanken waren plötzlich hunderttausendfach reproduzierbar.

Am 21. Juli 1542 reagierte Paul III. auf diese Herausforderung durch die Gründung der „Hl. Römischen und Universalen Inquisition“, des „Sanctum Officium“, dessen Hauptaufgabe die Bekämpfung der protestantischen Häresie und die konsequente Überwachung ihres Haupttransportmittels Buch war. 1571 folgte die Gründung der „Indexkongregation“, die sich ausschließlich mit der umfassenden Kontrolle des explodierenden Buchmarktes zu beschäftigen hatte und somit die Tätigkeit der auf dem Konzil von Trient 1562 eingesetzten Zensurkommission in institutionalisierter Form fortführen sollte. Diese „kleine Schwester“ der Inquisition existierte bis 1917 und wurde dann in das Sanctum Officium eingegliedert. Aber erst 1967 – im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils – wurde auch der römische „Index der verbotenen Bücher“ durch Paul VI. aufgehoben. Die Kirche gab eine Einrichtung auf, die ihr Verhältnis zur modernen Welt über vier Jahrhunderte ebenso bestimmte wie sie das Leseverhalten der Katholiken zu reglementieren suchte.

Bis vor kurzem lag der Schleier des Geheimnisses über der Tätigkeit von Indexkongregation und römischer Inquisition, denn bis zum 22. Januar 1998 waren die Archive beider römischen Dikasterien, die sich in der Obhut der Kongregation für die Glaubenslehre befinden, der Forschung nicht zugänglich. Weitgehend war man auf Vermutungen, Spekulationen und kühne Hypothesen angewiesen. Die Tätigkeit von römischer Inquisition und Indexkongregation bot sich eher als Sujet für Romane und Polemiken denn für historische Studien an. Zahlreiche Causae, die in Rom anhängig waren, blieben gänzlich unbekannt, weil nur im Falle eines ausdrücklichen Schuldspruchs (Prohibeatur oder Damnatur) das Urteil der beiden Kongregationen mittels der an den Türen der römischen Hauptkirchen angeschlagenen Dekrete (Bandi) publiziert wurde. Alle paar Jahrzehnte wurden diese Urteilsplakate, die in der Regel fünf bis zehn Bücherverbote enthielten, mehr oder minder vollständig in den „Index librorum prohibitorum“ aufgenommen. Bei Freispruch, Vertagung oder wenn ein Fall im Sande verlief – was gar nicht so selten vorkam – drang dagegen kaum einmal etwas an die Öffentlichkeit.

Die Öffnung der Archive von Indexkongregation und Inquisition, zu denen der Verfasser durch eine Sondergenehmigung bereits 1992 Zutritt hatte, ist durchaus mit der Apertura des Vatikanischen Geheimarchives durch Leo XIII. (1881) zu vergleichen. Sie bietet der Wissenschaft nun ungeahnte Möglichkeiten. Nachdem der Sensationsjournalismus inzwischen das Interesse verloren hat, populäre Publikationen über die „Geheimnisse“ der Inquisition ihre äußerst kurze Halbwertszeit unter Beweis stellten und „große“ Fälle wie Giordano Bruno oder Galileo Galilei noch einmal – mit überraschend wenig Neuem – dargestellt sind, kann sich die internationale Forschung aus ganz unterschiedlichen Fragestellungen heraus der Thematik in differenzierter Weise annehmen. Gerade was die Bücherzensur betrifft, ist die Ausgangslage für eine wissenschaftliche Erschließung aufgrund der breiten Quellenbasis hervorragend. Von den ehemals riesigen Beständen des Archivs sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwar große Teile verloren gegangen, doch ist die Buchzensur hiervon nur wenig betroffen. Nahezu vollständig erhalten ist das Archiv der Indexkongregation, das sich in drei Serien gliedert. In den 24 Diarien, den offiziellen Tagebüchern der Kongregation, sind die Sitzungen von Beratern und Kardinälen, Kurzfassungen der Urteile und andere wichtige Notizen, etwa der Eingang von Denunziationen, verzeichnet. Daneben dokumentieren die „Protocolli“ in 143 Bänden die eigentliche Arbeit der Kongregation in Tausenden von Fällen. Sie beinhalten in der Regel zujedem untersuchten Buchgie in Tübingen und München, ein oder mehrere Geheimgutachten, kurz gefasste Sitzungsprotokolle mit den Voten der Konsultoren und Kardinäle, die „Relazionealla Santità di Nostro Signore“, in der das Urteil undschichte an der Universität eine kurze Urteilsbegründung für den Papst formuliert wurde, und schließlichden Entwurf und den Druckdes Urteilsdekrets in Plakatform, auf dem alle Zensuren einer „Sessio“ zusammengeder Glaubenskongregation, Leifasst wurden. Dagegen finden sich Briefwechsel, Denunziationsschreiben, interne Diskussionspapiere und ähnliches Material in den „Protocolli“ kaum. Diese gelangten offenbar in die eher „inoffiziellen“ Handakten der jeweiligen Sekretäre der Kongregation und müssen weitgehend als verloren gelten. Als „Atti e Documenti“ konnten diese hochinteressanten Beiakten, die kaum einmal selbst in den Sessiones der Kongregation vorgelegt worden sein dürften, wenigstens für das 19. Jahrhundert in acht Bänden durch die Umsicht des letzten Indexsekretärs Thomas Esser Anfang des 20. Jahrhunderts dem Archiv gesichert werden. In einer aus 9 Volumina bestehenden Serie werden die so genannten „Causes Célèbres“ dokumentiert. Diese umfangreichen Separatfaszikel beinhalten große Indexfälle, etwa zu dem französischen Theologen Hugues Félicité Robert de Lamennais oder zum Dauerbrenner Bibelübersetzungen.

Selbst Klassikerausgaben wurden zensiert

In den Beständen der Inquisition, die etwa 4500 Einheiten auf rund 610 Regalmetern umfassen, nehmen Buchzensurfälle nur einen geringen Raum ein. Statt dessen geht es vor allem um Glaubensfragen aller Art, namentlich die so genannten „Dubi“ über verschiedene Sakramente, über sexuelle Vergehen wie beispielsweise Vergehen im Beichtstuhl und Homosexualität oder über „falso misticismo“. Selbstredend spielte auch die Selbstverwaltung der Inquisition als Staat im Staat eine bedeutende Rolle. Die wichtigste Serie für die Buchzensur trägt den sprechenden Namen „Censura librorum“. Sie beginnt 1570 und wurde bis zur Aufhebung des Index im Jahr 1967 fortgeführt. Ergänzend sind die „Acta Sancti Officii“ heranzuziehen, die in Form eines lakonischen Ergebnisprotokolls die Dekrete seit 1548 festhalten. Hierbei handelt es sich um alle Beschlüsse der wöchentlichen Sitzungen der Inquisition. Die Zensurfälle nehmen dabei nur einen geringen Raum ein. Schließlich sind eine Reihe von Bänden aus der „Stanza Storica“ für Zensurfragen relevant. In diesem Magazinraum des Archivs der Inquisition werden Materialien unterschiedlichster Thematik und Provenienz von „historischer“ Bedeutung aufbewahrt.

Hier sind – aus welchen Gründen auch immer – große theologische Zensurfälle gelandet, die eigentlich in die chronologische Serie der Censura librorum gehören. Zu nennen sind etwa die Causae des Regensburger Bischofs Johann Michael Sailer, des Tübinger Theologen Johannes Evangelist von Kuhn und des französischen Kirchenhistorikers und Pädagogen Claude Fleury, aber auch umfangreiche Nachhutgefechte zu den Fällen Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. In diesen Aktenserien manifestiert sich der eingangs skizzierte Anspruch einer Totalkontrolle des gesamten Buchmarktes mit all seinen Sparten, der über eine reine Verteidigung des „rechten Glaubens“ gegen die protestantischen Abweichler hinausging. Am besten greifbar wird dieses Ziel in den umfassenden „Expurgationsprogrammen“ der Indexkongregation aus den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens. So findet sich etwa im zweiten Band der Protokolle der Indexkongregation eine ausführliche Liste mit „zu reinigenden Büchern“, die entweder einen häretischen Herausgeber beziehungsweise Übersetzer oder einen häretischen Verleger beziehungsweise Drucker oder auch nur einen häretischen Verlagsort (wie Leipzig, Basel oder Tübingen) aufwiesen. Zu den „Häretikern“ gehörten selbstredend nicht nur Lutheraner oder Reformierte, sondern durchaus und vor allem – aus römischer Sicht – „laue“ Katholiken wie Erasmus von Rotterdam und andere. Diese wurden zum Teil sogar als gefährlicher angesehen als die protestantischen Häretiker. Überraschender noch mag erscheinen, dass selbst Klassikerausgaben, Kirchenväter und Standardwerke dem reinigenden Blick des Zensors anheim fielen. Kirchenlehrer wie Ambrosius von Mailand und Thomas von Aquin waren genauso betroffen wie die Mediziner Hippokrates, Galenus, Avicenna oder Paracelsus. Die Werke Platons und Aristoteles’ wurden einer ebenso kritischen Überprüfung unterzogen wie die der Geschichtsschreiber Theodoret, Philo, Herodot, Thukydides und Eusebius von Caesarea. Auch sämtliche mathematischen Grundlagenwerke, von Euclid angefangen, wurden nicht ausgespart, ebenso wenig die Ausgaben der antiken Schriftsteller Cicero, Ovid, Virgil, Horaz, Sallust, Livius, Plutarch, Plinius, Xenophon, Sokrates, Homer, Tacitus, Cato oder Plautus – um nur einige wichtigere zu nennen.

Der sich hierin äußernde Anspruch einer Totalkontrolle war mit der zunehmenden Säkularisierung der Lebenswelten seit der Aufklärung und der Ausdifferenzierung der Naturwissenschaften kaum mehr einzulösen. Nichtsdestotrotz blieb er bestehen und schuf in Rom ein einmaliges Archiv neuzeitlicher Wissenskultur mit negativem Vorzeichen. Nirgendwo sonst findet man für einen Zeitraum von 400 Jahren die Auseinandersetzung einer Institution mit der Neuzeit so umfassend dokumentiert wie hier. Das Archiv stellt damit einen unvergleichlichen Schatz für die Wissenschaftsgeschichte dar und liefert dem Literaturwissenschaftler, Soziologen oder Philosophen in gleicher Weise eine theologisch-lehramtliche Auseinandersetzung mit seinem Gebiet wie dem Mediziner, Biologen oder Physiker.

Benutzer der Akten stehen vor zahlreichen Problemen

Für die Aufarbeitung der ungeheuren Materialfülle zeigt sich freilich immer deutlicher, dass Grundlagenforschung unabdingbar ist. Denn der Benutzer der Akten steht vor einer ganzen Reihe von Problemen. Es fehlt an Archivrepertorien, die allgemein zugänglich sind und den Anforderungen wirklich genügen. So ist bei der Arbeit über einzelne Zensuren sehr viel Spürsinn und Intuition, gepaart mit einer glücklichen Hand, nötig, um das gesuchte Material tatsächlich aufzufinden. Dies macht es Nichthistorikern, die sich mit Gutachten zu ihren Fragestellungen beschäftigen wollen, fast unmöglich, an alle sie interessierenden Akten zu kommen. Es fehlen außerdem die Voraussetzungen, die eine adäquate Auswertung der reichen Archivbestände und eine fundierte Rekonstruktion der Verfahren erst ermöglichen: Struktur und Arbeitsweise der Kongregationen sind noch nahezu unbekannt. Schwerer jedoch wiegt, dass die in den Quellen auftauchenden Personen (vor allem Gutachter, Konsultoren und Qualifikatoren), die bislang hinter den Institutionen anonym gebliebenen „Täter“, größtenteils unbekannt und somit schwer einzuordnen sind.

Hier setzt das an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angesiedelte Projekt „Römische Inquisition und Indexkongregation“ an, das seit 1998 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird und nun als Langzeitprojekt für weitere zwölf Jahre eingerichtet ist. Unter Mitarbeit von Dominik Burkard, Sabine Schratz, Tobias Lagatz sowie einer Gruppe von studentischen Hilfskräften und mit Unterstützung durch den Limburger Diözesanarchivdirektor a. D. Herman H. Schwedt sollen Forschern aus allen Wissensbereichen Instrumentarien zu Verfügung gestellt werden, die eine unverzichtbare Grundlage für eine adäquate Benutzung und Auswertung der Archivalien darstellen.

Erarbeitet wird zum einen eine Edition der Urteile von Indexkongregation und Inquisition, die durch Plakatdruck verbreitet und an den Kirchentüren Roms angeschlagen wurden. Durch diese Sammlung und Edition der Plakate entsteht erstmals eine Übersicht über den „output“ der mehreren tausend Urteile im Bereich der Bücherzensur. Ergänzend zu dieser Edition werden all diejenigen Bücher erfasst, die in den Sitzungen von Inquisition und Indexkongregation zwar verhandelt, aber nicht verurteilt wurden beziehungsweise deren Verurteilung nicht publiziert wurde – etwa aus dem Bewusstsein heraus, dass ein Verbot einem Buch zusätzliche Werbung verschaffen kann. Gerade hinter diesen Büchern, von deren römischem Prozess man bislang aufgrund der Verschlossenheit des Archivs noch nichts wissen konnte, verbergen sich mitunter höchst interessante Fälle. Nicht nur die theologischen Causae Sailer und Kuhn kamen – für die Forschung überraschend – ans Licht, sondern auch die Verfahren gegen literarische Werke wie „Über den Umgang mit Menschen“ des Freiherrn von Knigge oder „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher Stowe. Es gehört zudem zu den verblüffenden Erkenntnissen, dass nur ungefähr die Hälfte aller in Rom verhandelten Bücher der Bannstrahl traf – ganz zu schweigen von der Fülle jener Bücher, die zwar angezeigt, aber nie in den offiziellen Sitzungen diskutiert wurden. Damit ist schon jetzt ein im 19. Jahrhundert an der römischen Kurie viel zitiertes Diktum revidiert. Wer beim Index oder der Inquisition angezeigt wird, ist eben doch nicht so gut wie verurteilt. >

Wichtige Bausteine für eine Behördengeschichte

Erstellt wird außerdem eine Prosopographie, das heißt eine biographisch-bibliographische Erfassung aller Mitarbeiter beider Kongregationen von 1542 beziehungsweise 1571 bis 1917. Denn unzählige der insgesamt mehr als 3000 Sekretäre, Assessoren, Kardinäle und Gutachter, die immer wieder in Prozessen auftreten, sind kaum in allgemeinen Lexika nachzuweisen. Die Zusammenstellung von Daten wie soziale Herkunft und Familie, Ausbildung und Werdegang, eigene Schriften und Herausgeberschaften gibt den Mitgliedern beider Institutionen erstmals ein Gesicht. Sie liefert die notwendige Voraussetzung, Zensuren und Urteile der Kongregationen richtig einzuordnen, denn die Daten erlauben Rückschlüsse über die persönliche Eignung eines Zensors hinsichtlich einer zu beurteilenden Materie und über mögliche Faktoren, die sein Votum beeinflussen konnten. So zeigt sich etwa im Fall des Freiburger Kirchenhistorikers Franz Xaver Kraus, dass ein handfester Ordenskonflikt zwischen Redemptoristen und Jesuiten das Urteil entscheidend mitbestimmte. Zudem geben die Daten Auskunft über die Zusammensetzung der Kongregationen, die Rekrutierung von Mitgliedern, über Beziehungsgeflechte und Parteiungen, die das Bild einer gleichgeschalteten Verdammungsmaschinerie in Frage stellen: Hier rangen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Mentalität um die Wahrheit und den rechten Weg zur rechten Verteidigung der rechten Lehre. Deutlich werden auch die Probleme, vor die ein Buch Konsultoren und Kardinäle stellen konnte: Von den Schriften des Bonner Theologen Georg Hermes etwa mussten erst italienische Exzerpte angefertigt werden, die deutsche Studenten des römischen Germanicums verfassten, damit ein Verfahren gegen ihn eröffnet werden konnte.

Diese für die Archivarbeit unerlässlichen Informationen sollen in einer Datenbank den in der ganzen Welt ansässigen Forschergruppen zugänglich gemacht werden und über das globale Medium Internet erreichbar sein. Auf lange Sicht liefert das Forschungsvorhaben zugleich wichtige Bausteine für eine Behördengeschichte und damit einen Beitrag zur Entschlüsselung der Indexkongregation und des „Mythos“ Inquisition, die im allgemeinen Bewusstsein als „Chiffre für das Böse“ (Victor Conzemius) schlechthin gilt. Denn eine Binsenweisheit der Historiographie gilt selbstredend auch für die „Hl. Römische und Universale Inquisition“: eine sachgerechte Institutionsgeschichte lässt sich ohne eine differenzierte Geschichte der sie tragenden und in ihr handelnden Personen nicht schreiben.

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