KommentarHybrid

Konvergenz der Medien im Zentrum des Hohenheimer Mediengesprächs.

Im September wurden mit einem großen Festakt 50 Jahre ARD gefeiert. In einer Medienlandschaft, in der Kritikfähigkeit immer noch groß geschrieben wird, hat dies zu einer Reihe von Fragen zur Zukunft des öffentlichrechtlichen Rundfunksystems geführt: Hier gibt es Streit um die Erhöhung der Gebühren, dort wird das „Schielen nach der Quote“ moniert, aufgrund der das Programm von ARD und ZDF – beeinflusst durch den Erfolg der Privatsender – immer boulevardmäßiger, angepasster, oberflächlicher, kurzum: schlechter werde.

Beim 21. Hohenheimer Mediengespräch hielt man sich nicht lange in Vergangenheit und Gegenwart auf, sondern diskutierte die Spielräume für Medienpolitik und Medienethik angesichts der sich abzeichnenden Tendenzen innerhalb der deutschen Medienbranche, die die bisherigen Trends verstärken werden. Die Spielräume sind deshalb allen Erwartungen nach nicht sehr groß. Sowohl die Referenten als auch das Fachpublikum in der Katholischen Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart waren sich darin einig, dass die Bedeutung des marktwirtschaftlich organisierten Wettstreits aufgrund der „Konvergenz“ der Medien durch die neuen digitalen Übertragungstechniken und der weiteren Entwicklung des Internet zunehmen wird: Gerade die voranschreitende Kreuzung von individueller Kommunikation und öffentlichen Massenmedien in sogenannten „hybriden“ Medien – Radio und Fernsehen im Internet, virtuelle Videotheken, etc. – wird hier neue Fakten schaffen.

So führte der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Heinrich (Dortmund) aus, wie die Digitalisierung neue Möglichkeiten eröffnet – nicht zuletzt was eine Mehrfachverwertung betrifft. Zugleich steigt dadurch allerdings auch die Bedeutung des Marketings, also des Bewerbens der eigentlichen Inhalte. Gleichzeitig kommt es immer weniger auf redaktionelle Recherche jenseits der Arbeit von PR-Profis und damit auf die Qualität der Inhalte an – wenn diese denn nur, aus welchen Gründen auch immer, abgerufen, nachgefragt, gekauft werden. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Siegfried Weischenberg, klagte deshalb, dass Reporter und Redakteure zunehmend dazu gezwungen werden, sich als Entertainer zu betätigen und vor allem als Geschäftsleute zu verstehen. Auch werde Medienpolitik mehr und mehr durch Standortpolitik ersetzt. Zwar bietet gerade das weltweite Netz den Vorteil, Spartenprogramme auszubauen und somit auch die Regionalisierung voranzutreiben. Zugleich zieht jedoch paradoxerweise auch Gefahr für ein plurales Angebot auf, weil durch die Tendenz zum „Me-TV“ (Eli Noam), in dem ich mir je selbst zusammenstelle, was ich wann sehen möchte, kostspielige Produktionen deutlich mehr beworben werden müssen als bisher, um das investierte Kapital schnell wieder zu amortisieren. Vor allem die „blockbuster“ werden in den Weiten des Netzes deshalb ohne weiteres auch zu finden sein. Die Ökonomisierung der Medien wird nicht zuletzt durch die Kombination von Programmangeboten mit E-Commerce zunehmen, gab der in Hamburg lehrende Medienrechtler Karl-Heinz Ladeur zu bedenken.

Wie aber kann angesichts des immer schnelleren Voranschreitens der Entwicklung von der Kommunikation zum Konsum die Vielfalt als bisherige medienpolitische Bedingung gewährleistet werden, wenn jeder sein eigener Programmdirektor sein kann, aber aufgrund des auf ihn persönlich zugeschnittenen Internet-Portals nur noch auf das stößt, was seine eigenen Erwartungen befriedigt? Die neu auszutarierende Stellung des Konsumenten zwischen Freiheit und Fremdbestimmung entspricht mit Blick auf das Medienangebot der Frage nach dessen Regulierungsbedürfnis durch Gesellschaft und Politik, gegen das sich in Hohenheim auch die Vertreterin des Verbands Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) nicht prinzipiell wenden wollte. Ladeur warnte allerdings davor, ohne weiteres der „Entscheidungssouveränität der Nutzer“ zu trauen und einen Verlust an Vielfalt zu riskieren. Ähnlich forderte Victor Henle, Direktor der Thüringer Landesmedienanstalt, dass die Politik nicht – wie bei „Big Brother“ – erst dann nach der Regulierung rufen dürfe, wenn die Auswüchse zu sehen sind. Zu den medienpolitischen Dimensionen der technischen Konvergenz gehörte schließlich die Frage, welche Auswirkungen diese Entwicklung auf das duale Rundfunksystem in Deutschland haben werde. In seinen selbstkritischen Ausführungen räumte der stellvertretende Landessenderdirektor vom SWR-Funkhaus Stuttgart, Viktor von Oertzen, ein, dass man sich mit den neuen Informationstechnologien in den öffentlich-rechtlichen Anstalten lange sehr schwer getan habe, nicht zuletzt weil in den Chefetagen nur wenige in diesen Fragen kompetent seien.

Man ist kein Kulturpessimist, wenn man eine weitere Privatisierung der Öffentlichkeit und Entpolitisierung des Privaten wie der Medien fürchtet. Gesellschaft, Politik und Kirche sind hier schon aus purem Eigennutz gefragt, alles zu tun, um die Entwicklungen nicht nur genau zu beobachten, sondern sich auch für die Spielräume jenseits eines „Scheinjournalismus“ (Heinrich) einzusetzen.

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