AlgerienIhr sollt nicht denken!

Der algerische Islamwissenschaftler Said Djabelkhir ist in seiner Heimat zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Gericht sprach den Forscher der „Beleidigung des Islam“ schuldig.

© Fethidilmi, CC BY-SA 4.0

Said Djabelkhir schrieb zum Beispiel, dass muslimische Bräuche wie Wallfahrten und rituelle Schafschlachtungen bereits in vor-islamischer Zeit bekannt waren. Auch regt er an, bei der Deutung des Koran nicht beim Wortlaut stehen zu bleiben. Die Geschichte der Arche Noah, die auch im Koran erzählt wird, sieht er nicht als Bericht historischer Fakten, sondern als Mythos. Dessen tiefere Wahrheit müssten die islamischen Theologen aufschlüsseln. „Die traditionelle Lesart des Koran trifft die Sorgen und Fragen moderner Menschen nicht mehr“, erklärte Djabelkhir neulich.

Eine Religion verkümmert

Zudem hat er sich intensiv mit den Hadithen beschäftigt, den überlieferten Aussprüchen Mohammeds und seiner Gefolgsleute. Darin heißt es etwa, einige Stämme von Wüstenbewohnern sollten den Urin von Kamelstuten als Medizin trinken. Die Aussage ist unhaltbar und muss nicht befolgt werden, sagt Said Djabelkhir. Zudem hat er kritisiert, dass Mädchen in islamischen Gesellschaften teils viel zu jung zur Heirat gezwungen werden. Auch das gilt radikalen Muslimen als Beleidigung Mohammeds, da dieser seine „Lieblingsfrau“ Aischa geheiratet haben soll, als sie etwa sechs Jahre alt war. Mittlerweile erhält Djabelkhir Morddrohungen.

Der Richterspruch zeigt wieder einmal, wie schwer ein aufgeklärter Islam es in der arabischen Welt hat. Der Soziologe Rabeh Sebaa von der Universität Oran in Algerien empört sich: „Wie kann man die Gebote des Islam untergraben, wenn man beschlossen hat, sein Leben ihrem Studium, ihrer Klärung, ihrer Rationalisierung und ihrer Universalisierung zu widmen?“

Politisches Kalkül des Regimes?

Das Urteil kommt wenige Wochen vor der Wahl im Juni. Seit gut zwei Jahren kämpft die Protestbewegung „Hirak“ in Algerien gegen das korrupte Regime, nachdem der Arabische Frühling im größten Land Afrikas praktisch folgenlos geblieben war. Ein Merkmal des „Hirak“ ist, dass die Aktivisten bislang weitgehend gewaltlos demonstrieren und den Machthabern damit keinen Anlass liefern, sie anzugreifen. So bleibt nur die geistige Auseinandersetzung, die mentale Stärke im offenen Diskurs. Man kann das Urteil gegen Said Djabelkhir demnach auch als Blaupause lesen: als Ansage gegen jede Gewissensfreiheit der Algerier. Dass die geistige Entwicklung des Islam dabei kläglich verkümmert und die Religion deshalb teils zu Recht als rückständig angesehen wird, scheint das Regime billigend in Kauf zu nehmen.

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