MessdienerinnenRevolution auf Norddeutsch

Wie geht Kirchenreform mit kühlem Kopf? Eine Gemeinde in Niedersachsen macht es vor.

Der Norddeutsche an sich ist ja eher ein ruhiger Geselle. „Was südlich von Hannover drei oder vier Sätze und ein paar Gesten braucht, fassen wir in Norddeutschland mit einem Nicken zusammen. Selbst enthusiastischste Zustimmung wird mit ,Jo‘ ausgedrückt“, hat die Bremer Journalistin Kim Torster einmal geschrieben. Die meisten haben wohl auch schon mal gehört, dass die Stimmung ganz ausgelassen ist, wenn man zur Begrüßung ein doppeltes „Moin, Moin“ statt einfachem „Moin“ zu hören bekommt. Doch nicht nur bei der Sprache gilt im Norden: Cool bleiben!

Revolution ohne Aktivismus

Anders ist es kaum zu erklären, dass im niedersächsischen Visbek – 10 000 Seelen, eine Dreiviertelstunde von Bremen entfernt – bis vor Kurzem nur Jungs Messdiener werden durften. Zwar tobt in der katholischen Kirche seit Jahrzehnten eine aufgeregte Debatte über die Rolle der Frau, aber: geschenkt. Und so richtig aktivistisch klingt es jetzt auch nicht, wenn die „Oldenburgische Volkszeitung“ meldet, dass in Sankt Vitus zu Visbek bald Mädchen am Altar stehen werden. „Den Mädels hat das Messedienen nie gefehlt“, sagt Gruppenleiterin Sabrina Graue. Pro Jahr gab es im Schnitt zwei Anfragen, pflichtet Pfarrer Hermann Josef Lücker bei. Bislang waren Messdienerinnen nicht wirklich ein Thema.

Was dann passierte, kann man wohl eine Revolution nennen – in ihrer norddeutsch-unaufgeregten Variante. Anfang 2020 hatte eine Jugendgruppenleiterin schließlich doch „mal angeregt“, über Messdienerinnen zu sprechen, heißt es. Die Visbeker haben also „Vor- und Nachteile miteinander abgewogen“ und sind zum Schluss gekommen, dass die Mädchen jetzt in der Messe dienen dürfen. Klingt wie: Hätte man auch sein lassen können, aber wir machen das jetzt mal. Doch bald kam Corona, also Wichtigeres, und das Ganze wurde wieder auf Eis gelegt. Bis es im Oktober erneut auf den Tisch kam. Dann ging es fast schon schnell, keiner fragte: „Warum erst jetzt?“ Mittlerweile sind fünfzehn Mädchen in der Messdienerinnen-Ausbildung. Nach den Sommerferien stehen sie am Altar, allerdings nicht mit den Jungs. In der gut laufenden Visbeker Jugendarbeit herrscht nämlich seit eh und je Geschlechtertrennung, und das soll auch beim Altardienst so bleiben. Man profitiere davon, weil Jungs und Mädchen so viel leichter „ihr Ding“ machen können, sagt Gruppenleiterin Graue.

So geht das also: Cool bleiben – sich nicht allzu schnell beeindrucken lassen, und wenn etwas gut funktioniert: laufen lassen! Veränderung schließt das ja nicht aus, wie wir jetzt wissen. Vielleicht täte uns allen ein bisschen mehr „Visbek“ gut.

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